Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
In der Medienrechtssache des Antragstellers Mag. E***** S***** gegen die Antragsgegnerin F***** wurde die Antragsgegnerin mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. November 2008, GZ 91 Hv 106/08m-4, zur Zahlung von Entschädigungen nach § 6 Abs 1 und § 7 Abs 1 MedienG sowie gemäß § 8a Abs 6 MedienG zur Urteilsveröffentlichung verpflichtet, weil durch Veröffentlichungen im Wege einer APA-OTS-Aussendung und auf der Internetseite http://***** behauptet worden war, der Antragsteller sei homosexuell, trete aber als Politiker „übertrieben" gegen Homosexualität auf, wodurch in einem Medium zum einen der höchstpersönliche Lebensbereich des Antragstellers in einer Weise erörtert und dargestellt worden ist, die geeignet gewesen sei, ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen und zum anderen der objektive Tatbestand des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 StGB erfüllt worden sei.
Das Erstgericht stellte - zusammengefasst - folgenden Sachverhalt fest:
Im Wege einer APA-OTS-Aussendung und auf der Website http://***** wurde am 3. August 2008 nachstehender Text veröffentlicht:
„V*****: J***** lässt wieder seine Püppchen tanzen: W***** nimmt den Hut, Pater E***** kommt !
Neben P***** und G***** ist nun S***** einer der letzten, die J***** H***** die Stange halten!
Der schwer in die Jahre gekommene J***** H***** vergnügt sich im Tollhaus nicht nur mit Knaben, sondern lässt wieder einmal seine Püppchen tanzen. W*****, der noch vor ein paar Tagen im ZIB2-Interview darauf bestand, bis 2010 B*****-Chef zu sein, müsse erneut den Hut nehmen und Adieu sagen. Er ist somit zum zweiten Mal Opfer von J***** H***** geworden. Dafür steht jetzt aber der bereits in der Politversenkung verschwundene E***** S***** ante portas. ...
S***** zeige damit sein wahres Gesicht. In Wahrheit sei er immer
einer von H***** Buberlpartie ... geblieben. Vielleicht sei auch
S***** übertriebenes Auftreten gegen Homosexualität nur eine
Nebelgranate gewesen, um seine Nähe zu H***** zu vertuschen. ... "
Der Leser, hauptsächlich Anhänger der F*****, aber auch sonstige politisch interessierte Personen, insbesondere Journalisten, fassen die Textpassagen betreffend J***** H***** derart auf, dass dieser sich homosexuell betätige. Die in indirekter Rede wiedergegebenen Äußerungen V***** in Bezug auf den Antragsteller liest der Medienkonsument im Zusammenhang mit der vorangegangenen Behauptung und zieht daraus den Schluss, auch Mag. E***** S***** sei homosexuell, was für der F***** nahestehende Leser im Hinblick auf die wertkonservative Haltung des Antragstellers eine verächtliche Eigenschaft darstellt. Darüber hinaus entnimmt der Rezipient diesem Text, der Antragsteller sei als Politiker unehrlich, weil er zwar übertrieben gegen Homosexualität auftrete, in Wahrheit aber selbst derart orientiert sei.
In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht von einer Verwirklichung des Tatbestands nach § 6 Abs 1 MedienG aus, weil für einen Teil der Leser Homosexualität eine verächtliche Eigenschaft sei. Weiters nahm es das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs 1 MedienG an, weil die Behauptung homosexueller Orientierung das Sexualleben, mithin den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffe.
Das Oberlandesgericht Wien gab der dagegen gerichteten Berufung der Antragsgegnerin mit Urteil vom 14. Oktober 2009, AZ 17 Bs 40/09w, dahingehend teilweise Folge, dass es den Zuspruch einer Entschädigung nach § 6 Abs 1 MedienG sowie den damit korrespondierenden Auftrag zur Urteilsveröffentlichung in Ansehung der - schlichten - Behauptung, der Antragsteller sei homosexuell (1./b./), aufhob und die Entschädigungsbeträge herabsetzte.
Rechtliche Beurteilung
Mit dem gegenständlichen Antrag begehrt die Antragsgegnerin rechtzeitig (innerhalb von sechs Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung; Art 35 MRK) die Verfahrenserneuerung nach § 363a StPO.
Ein Erneuerungsantrag, der sich nicht auf eine Entscheidung des EGMR berufen kann, ist nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zulässig (RIS-Justiz RS0122228), muss aber allen gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß entsprechen (RIS-Justiz RS0122737). Weil die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur dann anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter, EMRK § 13 Rz 13, Rz 48; EGMR 12. 7. 2001, Ferrazzini gegen Italien, Nr 44759/98), muss auch ein Erneuerungsantrag deutlich und bestimmt darlegen, worin eine - vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende - Grundrechtsverletzung iSd § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei. Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen.
Der gegenständliche Antrag entspricht diesem Erfordernis nicht, indem er lediglich behauptet, nach der - mit der Judikatur des EGMR übereinstimmenden - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wäre bei Beurteilung des Sinngehalts einer Aussage in einem medienrechtlichen Verfahren stets von der für die Antragsgegnerin günstigsten Variante auszugehen. Urteilt das Gericht nicht im Rahmen des ihm durch innerstaatliche Vorschriften eingeräumten Beweiswürdigungsermessens, habe dies „eine Konventionsverletzung zur Folge".
Damit wird die Verletzung eines bestimmten Konventionsrechts nicht gerügt, weswegen der Antrag - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Antragsgegnervertreters - gemäß § 363b Abs 1 und Abs 2 Z 3 StPO als offenbar unbegründet bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen war.
Ergänzend bleibt anzumerken, dass die - bloß spekulativ andere Auslegungsmöglichkeiten anführende - Erneuerungswerberin verkennt, dass der angesprochene Zweifelsgrundsatz (§ 14 zweiter Halbsatz StPO) nur dann zum Tragen kommt, wenn nach eingehender Würdigung der Beweise objektiv vernünftige Zweifel am Vorliegen von für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidenden tatsächlichen Umständen (hier:
eines für die Antragsgegnerin nachteiligen Bedeutungsinhalts der inkriminierten Äußerung) gegeben sind (vgl Lendl, WK-StPO § 258 Rz 36). Eine Beweisregel in dem Sinn, dass zur Frage des Bedeutungsinhalts jedenfalls von der für den Angeklagten (Antragsgegner) günstigsten denkmöglichen Variante auszugehen sei, ist dem Gesetz fremd. Nur dann, wenn mehrere verschiedene Auslegungen zur Beurteilung des Sinngehalts einer Aussage im Rahmen der Beweiswürdigung nicht ausgeschlossen werden können, kommt - entsprechend dem Grundsatz „in dubio pro reo" - die für den Angeklagten (Antragsgegner) günstigste dieser Versionen zum Tragen (RIS-Justiz RS0123503).
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