OGH 9ObA48/10i

OGH9ObA48/10i30.6.2010

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf und die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Peter Ladislav und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karl K*****, vertreten durch Dr. Franz Gölles und Mag. Robert Pöschl Rechtsanwälte GmbH, Graz, gegen die beklagte Partei I*****, vertreten durch Dr. Elisabeth Simma, Rechtsanwältin in Graz, wegen 16.177,59 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. März 2010, GZ 7 Ra 9/10p-71, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. Dezember 2009, GZ 36 Cga 76/08m-67, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.049,04 EUR (darin 174,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt mit seiner beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachten Klage die Zahlung des Klagsbetrags als ausständiges Arbeitsentgelt, welches ihm die Beklagte schulde. Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts stützte sich der Kläger zuletzt auf Art 23 Abs 1 lit a EuGVVO. Die Streitteile haben im schriftlichen Dienstvertrag eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen, mit der für Streitigkeiten aus dem Vertrag ein österreichischer Gerichtsstand vereinbart worden sei.

Dies bestritt die Beklagte. Eine wirksame Zuständigkeitsvereinbarung iSd Art 23 EuGVVO sei nicht zustande gekommen.

Die schriftliche „Vermittlungs-Auftragsvereinbarung“ stammt vom Steuerberater des Klägers, der den Text in dessen Auftrag verfasste. Unter Punkt 9 „Geltendes Recht“ heißt es: „Auslegung, Interpretation und Durchsetzung der vorliegenden Vereinbarung erfolgen nach österreichischem Recht.“

Darüber hinaus wurde das Thema eines Gerichtsstands weder mündlich noch schriftlich gemeinsam erörtert.

Das Erstgericht wies die Klage mangels inländischer Gerichtsbarkeit zurück.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass die Klage mangels internationaler Zuständigkeit der österreichischen Gerichte zurückgewiesen wird. Es hat dabei die Frage, ob eine Vereinbarung iSd Art 23 Abs 1 lit a EuGVVO wirksam zustande gekommen ist, zutreffend verneint. Insoweit kann auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Lediglich ergänzend ist dem Revisionswerber entgegenzuhalten:

Die Regelung des Art 23 Abs 1 EuGVVO über Gerichtsstandsvereinbarungen entspricht im Wesentlichen der in Art 17 EuGVÜ enthaltenen Vorgängerbestimmung. Die in der Rechtsprechung des EuGH zu Art 17 EuGVÜ entwickelten Kriterien sind daher auch auf die Nachfolgebestimmung zu übertragen (2 Ob 280/05y; 1 Ob 146/09s). Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung setzt nach der Rechtsprechung des EuGH eine tatsächliche übereinstimmende Willenserklärung der Parteien voraus, die klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen ist (RIS-Justiz RS0113571; 2 Ob 280/05y; 3 Ob 24/09i). Es soll vor allem gewährleistet sein, dass Zuständigkeitsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt des Vertrags werden. Die Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln sind eng auszulegen (RIS-Justiz RS0114604). Nach den Feststellungen ist eine Gerichtsstandsvereinbarung weder mündlich besprochen worden, noch wurden Umstände anlässlich der Vertragsschließung bekannt, die eine klare vom Wortlaut abweichende oder diese ergänzende Absicht der Parteien erkennen ließen. Der Vertragstext stellt eindeutig nur auf österreichisches materielles und formelles Recht ab, ohne die Vereinbarung eines Gerichtsstands in Österreich erkennen zu lassen. Jedenfalls erfüllt diese Formulierung nicht die vom EuGH geforderte Voraussetzung, dass die Willenserklärung der Parteien klar und deutlich im Sinne einer Gerichtsstandsvereinbarung zum Ausdruck kommt. Das Fehlen dieser Voraussetzung hindert im Zusammenhang mit dem weiteren Gebot, Gerichtsstandsklauseln eng auszulegen, aber auch eine ergänzende Vertragsauslegung.

Letztlich kommt auch der vom Kläger ins Treffen geführten E-Mail des Vertreters der Beklagten keine entscheidende Bedeutung zu. Zum einen liegt darin keine schriftliche Bestätigung eines mündlich vereinbarten Vertragspunkts (Art 23 Abs 1 lit a zweiter Fall EuGVVO), weil nach den Feststellungen eine mündliche Vereinbarung nicht getroffen wurde. Darüber hinaus ist die offensichtlich nur vorübergehend beim seinerzeitigen Vorstand der Beklagten vorhanden gewesene, als einseitige Wissenserklärung geäußerte Meinung, „es sei offensichtlich gewesen, dass der Gerichtsstand, um die Vereinbarung zu interpretieren, Graz gewesen sei,“ nicht geeignet, eine bisher nicht zum Ausdruck gekommene Willenseinigung zu ersetzen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte