OGH 14Os33/10z

OGH14Os33/10z13.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. April 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klein als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kamel B***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 3 SMG, § 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. Dezember 2009, GZ 041 Hv 100/09p-81, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

G r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kamel B***** abweichend von der wider ihn wegen § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 3 SMG, § 15 StGB erhobenen Anklage (richtig:) mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG, § 15 StGB (A) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (B) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien vorschriftswidrig Suchtgift

(A) in Bezug auf eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge durch gewinnbringenden Verkauf

I) anderen überlassen, nämlich von Jänner 2009 bis zum 26. Mai 2009

a) 100 Gramm Heroin an Martin L*****;

b) 52 Gramm Heroin an Isabella S*****;

c) 6 Gramm Heroin und 3 Gramm Kokain an Danijela K*****;

d) zumindest 3 Gramm Heroin an Predrag P*****;

e) 8 Gramm Heroin an Osman H*****;

II) anderen zu überlassen versucht, indem er am 26. Mai 2009 5 Säckchen Heroin (2,6 Gramm mit 0,68 +/- 0,01 Gramm Heroin Reinsubstanz) zum unmittelbar bevorstehenden Weiterverkauf an diverse Suchtgiftabnehmer bereithielt;

(B) bis zum 26. Mai 2009 Heroin zum Eigenkonsum erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der von der Staatsanwaltschaft ausschließlich gegen den Schuldspruch A erhobenen, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass der angefochtenen Entscheidung zum Nachteil des Angeklagten der von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet:

Zum Schuldspruch A stellt das Erstgericht hinsichtlich des Reinheitsgehalts der überlassenen Suchtgiftmenge fest, dass diese (objektiv) 26 % Heroin enthielt. Die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite, wonach es der Angeklagte bei sämtlichen Übergaben ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass er dadurch vorschriftswidrig Suchtgift in einer insgesamt die Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlässt (US 5), bringen weder in Bezug auf die zu tataktuelle Bruttosuchtgiftmenge noch auf deren Reinsubstanzgehalt, welcher gesetzlicher Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Grenzmenge (§ 28b erster Satz SMG) ist, den vom Gesetz geforderten Vorsatz zum Ausdruck, sodass es der angefochtenen Entscheidung am unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion erforderlichen Sachverhaltsbezug mangelt (13 Os 99/09x; 14 Os 6/10d; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8).

Zumal nach Aufhebung eines Schuldspruchs nach § 28 SMG oder § 28a SMG wegen fehlender Feststellungen zur jeweils subsumtionsrelevanten Suchtgiftmenge auch jene Annahmen, die einen - insoweit nicht erfolgten - Schuldspruch nach § 27 Abs 1 SMG allenfalls zu tragen vermögen, nicht bestehen bleiben können, war die Kassation des gesamten Schuldspruchs A erforderlich (RIS-Justiz RS0115884; Ratz, WK-StPO § 289 Rz 18).

Mit Blick auf die Bestimmungen der §§ 35 und 37 SMG war zudem der Schuldspruch B aufzuheben.

Damit erübrigt sich das Eingehen auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft. Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang werden im Fall eines erneuten Schuldspruchs Feststellungen zu den Bruttomengen und zu deren Reinheitsgehalt auch in Bezug auf die subjektive Tatseite zu treffen und - der Bestimmung des § 270 Abs 2 Z 5 StPO entsprechend - zu begründen sein. Weiters wird das Erstgericht den Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamts vom 9. Juli 2009 vollständig zu berücksichtigen haben. Aus diesem geht hervor, dass das sichergestellte Suchtgift neben Heroin auch die (in der Suchtgift-Grenzmengenverordnung [SGV], BGBl II 1997/377, idgF unter diesem Namen zwar nicht aufscheinenden, den Suchtgiften Acetyldihydrocodein und Codein bzw Morphin aber chemisch verwandten [siehe dazu 15 Os 97/07m]) Wirkstoffe Acetylcodein und Monoacetylmorphin enthielt (ON 34 S 5). Bei infolge einheitlichen Tatgeschehens gebotener Zusammenrechnung verschiedener Suchtgifte (RIS-Justiz RS0087874) macht es nämlich bei Beurteilung der Frage, ob eine die Grenzmenge bzw das Fünfzehnfache derselben übersteigende Menge (große Menge) überschritten wurde, keinen Unterschied, ob das gemäß § 28b SMG maßgebliche Gefährdungspotential durch eine einzige Wirkstoffmenge oder aber durch die Summe mehrere Reinsubstanzen erreicht wird (12 Os 146/07m; 15 Os 98/07m; 15 Os 83/02; 11 Os 109/97; Schwaighofer in WK² SMG § 28 Rz 16; Litzka/Matzka/Zeder, SMG² [2009] § 28b Rz 30).

Dabei werden auch die an Danijela K***** überlassenen 3 Gramm Kokain (A/I/c des Schuldspruchs), zu deren Reinheitsgehalt im Urteil keine Feststellungen getroffen wurden, und das - sofern noch nicht erledigt - wieder einzubeziehende Anklagefaktum A/I/c (Überlassen von 30 Gramm Heroin brutto an Sandra G*****) zu berücksichtigen sein.

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