OGH 15Os98/07m

OGH15Os98/07m6.9.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. September 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gutlederer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Prince I***** wegen Verbrechen nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG sowie anderer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 14. Mai 2007, GZ 143 Hv 33/07g-64, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Gegenwart des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Eisenmenger des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Eichinger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. Mai 2007, GZ 143 Hv 33/07g-64, verletzt § 28 Abs 2 und Abs 6 SMG. Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in seinem Ausspruch, der Angeklagte habe Suchtgift in insgesamt großer Menge (§ 28 Abs 6 SMG) in Verkehr gesetzt und zu setzen versucht, und in der rechtlichen Unterstellung der Tat unter § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG sowie § 27 Abs 1, Abs 2 Z 2 erster Fall SMG und § 15 StGB, weiters im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), ebenso wie der Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Prince I***** hat durch die ihm nach dem soweit unberührt bleibenden Ersturteil zur Last liegenden Taten mehrere Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG (I./1. bis 4.) sowie das im Versuchsstadium gebliebene Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG, § 15 StGB (II./) begangen und wird hiefür nach § 27 Abs 2 SMG unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB zu neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird ihm die erlittene Vorhaft vom 10. Jänner 2007, 17.50 Uhr bis 10. Juli 2007, 18.10 Uhr auf die Strafe angerechnet.

Die Prince I***** im Verfahren AZ 142 Hv 158/05d des Landesgerichts für Strafsachen Wien gewährte bedingte Strafnachsicht wird gemäß § 53 Abs 1 StGB, § 494a Abs 1 Z 4 StPO widerrufen.

Mit ihrer Berufung und ihrer Beschwerde wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Prince I***** wurde mit dem hinsichtlich des Schuldspruches und eines Teilfreispruches in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. Mai 2007, GZ 143 Hv 33/07g-64, der Verbrechen nach § 28 Abs 2 (zu ergänzen: vierter Fall) und Abs 3 erster Fall SMG sowie des teils vollendeten, teils versuchten Vergehens nach § 27 Abs 1 (zu ergänzen: sechster Fall) und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG, § 15 StGB schuldig erkannt und zu einer - hinsichtlich eines Strafteiles von zwölf Monaten bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Unter einem sah das Schöffengericht vom Widerruf der bedingten Nachsicht der im Verfahren AZ 142 Hv 158/05d des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ausgesprochenen dreimonatigen Freiheitsstrafe ab und verlängerte die Probezeit auf fünf Jahre.

Während der Angeklagte auf Rechtsmittel verzichtete (S 447/I), erhob die Staatsanwaltschaft Berufung und Beschwerde gemäß § 498 Abs 1 StPO (ON 68). Das Rechtsmittelverfahren ist beim Oberlandesgericht Wien zum AZ 21 Bs 195/07s anhängig.

Inhaltlich des Schuldspruches hat der Angeklagte in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift, und zwar Kokain (mit einem Wirkstoffgehalt von durchschnittlich 14,8 % reinem Kokain) und Heroin (mit einem Wirkstoffgehalt von durchschnittlich 0,37 % reinem Heroin, 0,18 % Acetylcodein und 1,3 % Monoacetylmorphin) „in insgesamt großer Menge (§ 28 Abs 6 SMG)" I./ in Verkehr gesetzt, und zwar

1./ von August 2005 bis September 2006 zumindest 135 Gramm Heroin und ein bis zwei Gramm Kokain durch Verkauf an die abgesondert verfolgte Jasmin W*****:

2./ von Juni bis Dezember 2006 insgesamt 20 Gramm Kokain durch Verkauf an Ahmed Abdulrahman Q*****;

3./ von November 2005 bis Februar 2006 in zumindest zehn Angriffen zumindest fünf Gramm Heroin durch Verkauf an die abgesondert verfolgte Manuela R*****;

4./ von September 2005 bis Dezember 2006 in zumindest drei bis vier Angriffen insgesamt zumindest 1,5 bis zwei Gramm Heroin an die abgesondert verfolgte Marlene V*****;

II./ in Verkehr zu setzen versucht (§ 15 StGB), und zwar am 10. Jänner 2007 neun Kugeln Heroin mit einem Gesamtgewicht von 9,9 Gramm brutto und drei Kugeln Kokain mit einem Gesamtgewicht von 3,4 Gramm brutto, indem er das Suchtgift zum unmittelbaren Weiterverkauf in seinem Mund bereithielt.

Nach den Feststellungen wiesen die Suchtgifte die im Urteilstenor in Prozentsätzen angeführten Wirkstoffgehalte auf (US 6 zweiter Absatz, 8 letzter Absatz, 11 vorletzter Absatz). Das Schöffengericht gelangte zur rechtlichen Beurteilung, der Angeklagte habe durch die konstatierten Suchtgiftverkäufe mehr als 2,27 „große Mengen" in Verkehr gesetzt bzw dies versucht (US 11 vorletzter Absatz).

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verletzt - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - das Gesetz in den Bestimmungen des § 28 Abs 2 und Abs 6 SMG.

Verschiedene Suchtgifte sind bei einheitlichem Tatgeschehen zusammenzurechnen (RIS-Justiz RS0087874). Es kommt darauf an, dass die verschiedenen Suchtgifte insgesamt eine große Menge darstellen, wobei es keinen Unterschied macht, ob das gemäß § 28 Abs 6 SMG maßgebliche Gefährdungspotential durch eine einzige Wirkstoffmenge oder aber durch die Summe mehrerer Reinsubstanzen erreicht wird. Es ist daher im Hinblick auf die einzelnen Suchtgiftquantitäten jener Prozentanteil zu ermitteln, mit dem diese Substanz die jeweilige Grenzmenge erreicht; sodann sind die Anteile zu addieren (EvBl 2002/232; Hinterhofer/Rosbaud, SMG § 28 Rz 34).

Zufolge des Anhanges zur Suchtgift-Grenzmengenverordnung (SGV), BGBl II 1997/377, idgF betragen die Untergrenzen einer großen Menge (Grenzmengen) bei Heroin drei Gramm und bei Kokain 15 Gramm. Die vom Erstgericht festgestellten Wirkstoffe Acetylcodein und Monoacetylmorphin scheinen (unter diesen Namen) in der SGV nicht auf. Die Grenzmengen der mit ersterem Wirkstoff chemisch verwandten Suchtgifte Acetyldihydrocodein und Codein betragen jeweils 30 Gramm, die des mit letzterem chemisch verwandten Suchtgiftes Morphin zehn Gramm.

Zieht man vorliegend die Grenzwerte dieser Suchtgifte für die Berechnung der Prozentanteile der festgestellten Wirkstoffmengen an den jeweiligen Grenzmengen heran, so erreichen die festgestellten Wirkstoffe (unter Heranziehung der jeweils kleinsten Menge und abgerundet) Heroin 18 %, Acetylcodein 0,9 %, Monoacetylmorphin 19 % und Kokain 22 % der jeweiligen Grenzmenge.

Die Addition der Prozentsätze ergibt somit keineswegs eine große Menge im Sinne des § 28 Abs 6 SMG, sondern lediglich rund 60 % derselben, sodass sich die Subsumtion der Taten nach § 28 Abs 2 und 3 erster Fall SMG als verfehlt erweist.

Die Gesetzesverletzung hat sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt, sodass gemäß § 292 letzter Satz StPO vorzugehen war. Das Urteil war daher in seinem Ausspruch, der Angeklagte habe Suchtgift in insgesamt großer Menge (§ 28 Abs 6 SMG) in Verkehr gesetzt und zu setzen versucht und in der rechtlichen Unterstellung der Tat nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG sowie § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG und § 15 StGB sowie im Strafausspruch ebenso wie der Beschluss nach § 494a StPO aufzuheben und in der Sache selbst dahin zu erkennen, dass Prince I***** zu I./ die Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG und zu II./ das Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG, § 15 StGB begangen hat.

Bei der somit erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, das teilweise Geständnis und die Begehung der Tat nach Vollendung des 18., jedoch vor Vollendung des 21. Lebensjahres als mildernd, als erschwerend hingegen die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe und die mehrfache Tatwiederholung in Zusammenhang mit dem relativ langen Tatzeitraum.

Ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren ist eine Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten tat- und tätergerecht und trägt allen Umständen des vorliegenden Falles Rechnung. Schon aus spezialpräventiven Gründen bedarf es im konkreten Fall des Vollzuges der gesamten Strafe; bei realistischer Sicht ist im Hinblick auf den Rückfall nach einschlägiger Vorverurteilung, den relativ langen Tatzeitraum und die gewerbsmäßige Begehungsweise - ungeachtet des nunmehr erstmals verspürten Haftübels - für den Angeklagten eine günstige Prognose nicht zu erstellen. Aus diesen Gründen bedarf es auch des Widerrufes der bedingten Nachsicht hinsichtlich der Vorverurteilung zusätzlich zur nunmehrigen Strafe.

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung und ihrer Beschwerde auf diese Entscheidung zu verweisen.

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