OGH 15Os170/09b

OGH15Os170/09b20.1.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kleibel als Schriftführer in der Strafsache gegen Abdullah S***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. September 2009, GZ 31 Hv 64/09w-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthält, wurde Abdullah S***** zu I. der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (idF BGBl I 2004/15) sowie zu II. der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er

I.) von zumindest Ende Juni 2004 bis 10. April 2008 seine Tochter Ebru S*****, die aufgrund tiefen Schlafes wehrlos war, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er sie in mehrfachen Angriffen an den Brüsten und an der Scheide betastete sowie sie zumindest drei- bis viermal mit einem oder mehreren Fingern vaginal penetrierte, mithin geschlechtliche Handlungen an ihr vorgenommen;

II.) durch die zu Punkt I.) beschriebenen Tathandlungen mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person, nämlich seiner am 21. Juni 1990 geborenen Tochter Ebru S*****, geschlechtliche Handlungen vorgenommen.

Gegen den Sanktionsausspruch wendet sich der Angeklagte mit einer auf Z 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; diese verfehlt ihr Ziel.

Der Beschwerdeführer ist bislang gerichtlich unbescholten (US 3), geschlechtliche Handlungen an seiner Tochter vor Beginn des im Spruch angegebenen Tatzeitraums konnte das Erstgericht nicht feststellen (US 4 vorletzter Absatz).

Bei der Strafzumessung werteten die Tatrichter als erschwerend „die Fortsetzung der strafbaren Handlungen über längere Zeit (4 Jahre)", als mildernd hingegen keinen Umstand. Den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 2 StGB verweigerten sie dem Angeklagten, weil „aufgrund der vier Jahre andauernden sexuellen Übergriffe an der eigenen Tochter" „der bisherige Lebenswandel des Angeklagten, trotz der am Papier bestehenden gerichtlichen Unbescholtenheit nicht als Milderungsgrund zu werten" sei (US 9).

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Vorbringen der Sanktionsrüge und der Stellungnahme der Generalprokuratur ist dem Erstgericht dabei keine rechtsirrige Beurteilung der Strafzumessungstatsache des „bisher ordentlichen Lebenswandels" unterlaufen.

Zwar ist es richtig, dass ein Angeklagter allein durch die Fortsetzung der Tathandlungen über einen längeren Zeitraum des „untadeligen Wandels" nicht verlustig geht. Doch genügt die gerichtliche Unbescholtenheit für sich zur Erlangung des Milderungsgrundes nach § 34 Abs 1 Z 2 StGB nicht, vielmehr ist zudem erforderlich, dass die Tat mit dem sonstigen Verhalten des Täters in auffallendem Widerspruch steht (RIS-Justiz RS0091459; RS0091464). Diese Diskrepanz zwischen Tat und sonstigem Täterverhalten ist die Bedingung, unter der dem Rechtsbrecher ein bisher ordentlicher Lebenswandel uneingeschränkt als Milderungsgrund zugute gehalten werden kann (arg „und"). Unbescholtenheit stellt für sich allein keinen Milderungsumstand dar (RIS-Justiz RS0091436; Fabrizy StGB9 § 34 Rz 4; Leukauf/Steininger StGB3 § 34 RN 6 f).

Mit Blick auf dieses zusätzliche Erfordernis des auffallenden Widerspruchs zum sonstigen Verhalten des Täters kann eine offenbar unrichtige Beurteilung für die Strafbemessung maßgebender entscheidender Tatsachen durch die Tatrichter - die dem Angeklagten im Übrigen auch die regelmäßige Berauschung durch Alkohol zum Vorwurf gemacht haben (US 3, 9) - nicht erblickt werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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