OGH 1Ob207/09m

OGH1Ob207/09m17.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Günther R*****, vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin Islamische Religionsgemeinde *****, wegen Bestellung eines Kurators, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 23. Juli 2009, GZ 15 R 149/09a-8, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 13. März 2009, GZ 2 Nc 5/09w-2, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Der am 23. Oktober 2009 beim Obersten Gerichtshof eingelangte Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof wird abgewiesen.

II. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Unterbrechungsantrag:

Das Erstgericht hat den Antrag auf Bestellung eines Abwesenheitskurators für die Islamische Religionsgemeinschaft ***** a limine zurückgewiesen. Nach der Rechtsprechung ist eine Unterbrechung aber nur dann möglich, wenn die Klage bzw in Außerstreitsachen der verfahrenseinleitende Antrag zugestellt wurde (JBl 1915, 289; 7 Ob 109/08t; zum Meinungsstand der Lehre Fink in Fasching/Konecny2 vor §§ 155-167 Rz 17). Da die vom Einschreiter bezeichnete Religionsgemeinschaft noch gar nicht Partei des Verfahrens ist, ist noch kein Verfahren anhängig, das unterbrochen werden könnte (7 Ob 109/08t). Der Unterbrechungsantrag ist demnach abzuweisen.

II. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig.

1. Dass die Religionsgemeinde ***** parteifähig ist, ergibt sich aus der derzeit in Geltung stehenden Verfassung der seit dem RGBl 1912/159 gesetzlich anerkannten Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs, nach deren Art 17 den vier in Österreich existierenden (islamischen) Religionsgemeinden - unter anderem auch der Religionsgemeinde ***** - eigene Rechtspersönlichkeit und damit die Stellung von Körperschaften des öffentlichen Rechts zukommt (Kalb/Potz/Schinkele, Religionsrecht 638).

2. Die Erfordernisse der Zugehörigkeit und die Art des Beitritts zu einer Religionsgesellschaft werden durch deren Verfassung bestimmt und stellen ausschließlich eine innere Angelegenheit dar. Die gerichtliche Feststellung der Mitgliedschaft einer bestimmten Person zu einer anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft ist als staatliche Einmischung in eine innere Angelegenheit durch Art 15 StGG untersagt. Mit dieser Begründung wurde die vom nunmehrigen Einschreiter gegen die Islamische Glaubensgemeinschaft Österreichs gerichtete Feststellungsklage, er sei deren Mitglied, wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen (7 Ob 109/08t). Wie aus dieser Entscheidung ableitbar ist, wäre derselbe Zurückweisungsgrund gegeben, wenn die Klage gegen die für den Wohnsitz des Einschreiters zuständige Religionsgemeinschaft ***** gerichtet gewesen wäre.

3. Zulässigerweise kann aber bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde ein Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheids über die Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft als eine nach staatlichem Recht relevante Mitgliedschaft gestellt werden, die sich nicht notwendig mit der religionsgemeinschaftlichen Mitgliedschaft deckt (Kalb/Potz/Schinkele aaO 159). Der Einschreiter behauptet nun, im Zuge eines derartigen, von ihm angestrengten „Religionsfeststellungsverfahrens" habe sich ergeben, dass die dortige Antragsgegnerin, die Islamische Glaubensgemeinschaft Österreichs, über keine nach außen vertretungsbefugten Organe verfüge; dies treffe auch auf die Religionsgemeinde ***** zu, der in diesem Verfahren neben der Islamischen Glaubensgemeinschaft ebenfalls Parteistellung hätte eingeräumt werden müssen. Ein wie auch immer gearteter staatlicher Bezug für die vom Antragsteller geforderten Feststellungen vor der Bezirksverwaltungsbehörde - er gehöre dem islamischen Glaubenskenntnissen und sei Moslem -, ist seinen Ausführungen nicht zu entnehmen.

Nach § 270 ABGB idF des SWRÄG 2006, BGBl I 2006/92, kann ein Kurator für Abwesende sowie unbekannte Teilnehmer an einem Geschäft bestellt werden („erster Fall") sowie für Personen, deren Rechte durch die Unbekanntheit oder Abwesenheit anderer gehemmt würden („zweiter Fall"; Stabentheiner in Rummel, ABGB³ zu § 276 [aF] Rz 1). Unter diesen Voraussetzungen ist eine Kuratorbestellung ua auch dann möglich, wenn eine Gesellschaft über keine nach außen zur Vertretung befugten Organe verfügt (SZ 51/162).

Soweit der Revisionsrekurswerber vorbringt, dass für die Islamische Religionsgemeinschaft ***** zur Wahrung deren Rechte im „Religionsfeststellungsverfahren" ein Abwesenheitskurator zu bestellen sei, kommt dem Einschreiter nach ständiger Rechtsprechung zu § 270 erster Fall ABGB nur eine Anregungslegitimation zu, um dem Pflegschaftsgericht Kenntnis von der Gefährdung der Rechte des Abwesenden zu verschaffen. Die rechtlich anerkannten Interessen des Anregers werden in diesem Fall durch die Bestellung oder Ablehnung der Bestellung eines Abwesenheitskurators nicht berührt, sodass ihm beim Vorliegen eines abweisenden Beschlusses des Gerichts keine Rechtsmittellegitimation zukommt (5 Ob 149/09m; RIS-Justiz RS0108946).

Soweit das Vorbringen des Einschreiters dahin zu verstehen sein sollte, die (angeblich) mangelnde Vertretungsbefugnis der Religionsgemeinde ***** beeinträchtige die Durchsetzung seiner Rechte im verwaltungsbehördlichen „Religionsfeststellungsverfahren", negiert er, dass die Behörde in diesem Verfahren der Religionsgemeinde ***** keine Parteistellung zuerkannt hat. Dass die Durchsetzung der Rechte des Einschreiters im „Religionsfeststellungsverfahren" durch ein Rechtssubjekt unmöglich gemacht oder behindert wäre, das gar nicht als Partei angesehen und deshalb diesem Verfahren nicht beigezogen wurde, ist nicht denkbar. Mangelt es schon aus diesem Grund an den Voraussetzungen für eine Kuratorbestellung nach § 270 ABGB zweiter Fall, kann dahingestellt bleiben, ob die Kuratorbestellung für die Religionsgemeinschaft ***** einen Art 15 StGG zuwiderlaufenden Eingriff in deren innere Angelegenheiten darstellen würde und ob den geforderten Feststellungen überhaupt die erforderliche „staatliche Relevanz" zukäme.

4. Nach § 66 Abs 2 AußStrG gilt für das Revisionsrekursverfahren grundsätzlich das Neuerungsverbot. Dieses steht der Berücksichtigung des Revisionsrekursvorbringens entgegen, der Revisionsrekurswerber habe ein „Religionsfeststellungsverfahren" nunmehr auch gegen die Religionsgemeinde ***** angestrengt.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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