Normen
ABGB §276 Abs2
Gesellschaft-mit-beschränkter-Haftungs-Gesetz §18 Abs1
Gesellschaft-mit-beschränkter-Haftungs-Gesetz §18 Abs2
ZPO §8
ABGB §276 Abs2
Gesellschaft-mit-beschränkter-Haftungs-Gesetz §18 Abs1
Gesellschaft-mit-beschränkter-Haftungs-Gesetz §18 Abs2
ZPO §8
Spruch:
Ist schon im Gesellschaftsvertrag einer GmbH ausdrücklich Kollektivvertretung vorgesehen oder wird den Geschäftsführern diese Form der Vertretung durch Gesellschaftsbeschluß vorgeschrieben, dann sind nach Wegfall eines Geschäftsführers die restlichen Geschäftsführer nicht befugt, die Gesellschaft nunmehr allein zu vertreten; in diesem Fall muß vielmehr innerhalb angemessener Frist die erforderliche Ergänzung des Vorstandes bewirkt oder die im Wege einer Satzungsänderung eine neue Vertretungsregelung getroffen werden. Dabei ist es Sache des Registergerichtes, von Amts wegen auf die Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes hinzuwirken
Hat die GmbH keine zur Vertretung befugten Organe und ist in absehbarer Zeit auch nicht mit einer Behebung dieses Mangels - durch Ergänzung des Vorstandes oder Änderung der Satzung - zu rechnen, dann kann für die Gesellschaft erforderlichenfalls auf Antrag eines Gläubigers für die Prozeßführung ein Kurator nach § 8 ZPO bestellt werden; auch eine Kuratorbestellung in analoger Anwendung des § 276 ABGB ist möglich
OGH 21. November 1978, 4 Ob 531/78 (LG Innsbruck 3 R 72/78; BG Innsbruck 11 C 1421/76)
Text
Die vorliegende, auf Zahlung von 5458 S samt Anhang gerichtete Klage wurde der beklagten GmbH zu Handen ihres Geschäftsführers Dipl.-Kfm. Heinz L am 25. August 1976 durch Hinterlegung zugestellt. Bei der ersten Tagsatzung am 17. September 1976 erschien für die Beklagte der Rechtsanwaltsanwärter Dr. A aus der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. Harald S für Rechtsanwalt Dr. Peter D und begehrte seine Zulassung gemäß § 38 ZPO. Das Erstgericht beschloß diese Zulassung "vorbehaltlich der Vorlage der Vollmacht bei der Streitverhandlung"; der Klagevertreter beantragte für den Fall der nicht rechtzeitigen Vorlage der Vollmacht ein Versäumungsurteil.
Bei der Verhandlungstagsatzung vom 7. Dezember 1976 erschien für die Beklagte Rechtsanwalt Dr. Z für Rechtsanwalt Dr. Peter D und legte eine auf Dr. D lautende Vollmacht vom 16. September 1976 vor, welche für die beklagte GmbH von deren Geschäftsführer Johann G eigenhändig unterfertigt ist. Die neben dieser Unterschrift befindliche, vorgedruckte Substitutionsklausel, in welcher die Namen der Innsbrucker Rechtsanwälte Dr. S, Dr. Z, Dr. G und Dr, B aufscheinen, ist von Dr. D nicht unterfertigt.
Nach Durchführung eines kontradiktorischen Verfahrens und Aufnahme verschiedener von den Parteien angebotener Beweise - wobei die Beklagte teils durch Dr. Peter D selbst, teils durch einen der genannten Substituten vertreten war - erkannte das Erstgericht mit Urteil vom 14. Dezember 1977, daß das Klagebegehren mit 5458 S zu Recht, die bis zur Höhe des Klagebegehrens eingewendete Gegenforderung der Beklagten hingegen nicht zu Recht bestehe und die Beklagte daher schuldig sei, dem Kläger 5458 S samt Anhang zu zahlen.
Die dagegen namens der Beklagten von Dr. Peter D fristgerecht überreichte Berufung wurde vom Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht mit Beschluß vom 28. Feber 1978 zurückgewiesen. Wie sich aus dem Handelsregister Innsbruck ergebe, seien für die beklagte Gesellschaft Brami E, Dipl.-Kfm. Heinz L und Johann G zu Geschäftsführern bestellt worden; eine Befugnis zur Einzelvertretung sei weder von den Gesellschaftern beschlossen noch im Handelsregister eingetragen worden; es bedürfe daher zur Abgabe von Willenserklärungen, insbesondere zur Zeichnung für die Gesellschaft, gemäß § 18 Abs. 2 GmbHG der Mitwirkung aller drei Geschäftsführer. Da die Unterfertigung einer Vollmacht durch nur einen von mehreren kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführern - hier: durch den Geschäftsführer Johann G - den Bevollmächtigten nicht berechtige, für die Gesellschaft einzuschreiten, sei Rechtsanwalt Dr. D bis heute nicht rechtswirksam zur Vertretung der Beklagten bevollmächtigt worden. Darüber hinaus könne der Prozeßvollmacht angesichts der fehlenden Unterfertigung der Substitutionsklausel auch nicht schlüssig entnommen werden, daß Rechtsanwalt Dr. D die ihm erteilte Vollmacht angenommen und die vier namentlich angeführten Innsbrucker Rechtsanwälte wirksam substituiert hätte.
Bei dieser Sachlage hätte das Erstgericht schon bei der Verhandlungstagsatzung vom 7. Dezember 1976 antragsgemäß ein Versäumungsurteil im Sinne des Klagebegehrens fällen müssen. Im fortgesetzten Verfahren sei die Beklagte nicht mehr ordnungsgemäß vertreten gewesen, und auch die Zustellung des Ersturteils an Rechtsanwalt Dr. D sei mangels einer gültigen Vollmacht ohne Wirkung für die Beklagte geblieben. Auch die von Dr. D erhobene Berufung gelte als nicht von der Beklagten eingebracht und habe daher zurückgewiesen werden müssen. Eine Verbesserung nach §§ 84.85 ZPO sei im konkreten Fall ausgeschlossen, weil schon bei der ersten Tagsatzung gemäß § 38 ZPO eine Frist für die Vollmachtsvorlage gesetzt wurde, welche in der Folge nicht verlängert worden sei. Das Erstgericht werde nunmehr nach Rechtskraft dieses Beschlusses das Urteil der Beklagten zu Handen eines ihrer Geschäftsführer zuzustellen haben, sofern nicht die Vollmacht des Rechtsanwalts Dr. D in der Folge durch Beisetzung der Unterschrift der beiden anderen Geschäftsführer rechtswirksam werden sollte.
Der Oberste Gerichtshof gab dem - wieder von Rechtsanwalt Dr. D eingebrachten - Rekurs der Beklagten gegen den Zurückweisungsbeschluß des Berufungsgerichtes Folge; er hob diesen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht auf, gemäß § 6 Abs. 2 ZPO die erforderlichen Aufträge zur Beseitigung des Mangels der gesetzlichen Vertretung der Beklagten zu erteilen und nach Ablauf der hiefür bestimmten Frist neuerlich über die Berufung der Beklagten zu
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurs wendet sich primär gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Vollmacht des Beklagtenvertreters im Hinblick auf § 18 Abs. 2 GmbHG nicht nur von Johann G, sondern auch von den beiden anderen Geschäftsführern der beklagten GmbH zu unterfertigen gewesen wäre. Da Dipl.-Kfm. Heinz L schon im September 1974 seinen Rücktritt als Geschäftsführer erklärt habe und Brami E im April 1975 verstorben sei, werde die GmbH seither nur noch von Johann G vertreten; dieser habe daher auch im September 1976 namens der Gesellschaft eine rechtswirksame Prozeßvollmacht an Dr. D erteilen können. Durch den Rekurs soll also geklärt werden, ob die beklagte GmbH entgegen der Eintragung im Handelsregister infolge geänderter Verhältnisse jetzt tatsächlich von Johann G allein vertreten wird; daraus folgt aber, daß diesem die von ihm in Anspruch genommene (Einzel-)Vertretungsbefugnis jedenfalls für das vorliegende Rechtsmittelverfahren nicht abgesprochen werden kann (ähnlich EvBl. 1977/192; vgl. auch EvBl. 1973/271 mit weiteren Hinweisen). Daß Dr. D auch jetzt wieder auf Grund der allein von Johann G unterfertigten Prozeßvollmacht vom 16. September 1976 eingeschritten ist, steht demnach einer sachlichen Erledigung des Rechtsmittels nicht entgegen.
Der Rekurs ist aber auch berechtigt:
Wie sich aus dem vom OGH beigeschafften Registerakt HRB 1366 des Landes- als Handelsgerichtes Innsbruck ergibt, ist Brami E am 21. April 1975 verstorben. Ob Dipl.-Kfm. Heinz L derzeit noch Geschäftsführer der Beklagten ist oder nicht, ist unklar; die Rechtswirksamkeit seines - angeblich bei einer Generalversammlung vom 4. Oktober 1974 erklärten - Rücktritts von dieser Funktion wird nämlich gerade vom Kläger entschieden in Abrede gestellt und bildet einen wesentlichen Streitpunkt des vom Kläger zu 13 Cg 33/77 des Handelsgerichtes Wien gegen Johann G, Dipl.-Kfm. Heinz L und Elisabeth F anhängig gemachten Rechtsstreites. Auf diese Frage braucht jedoch hier nicht weiter eingegangen zu werden, weil die beklagte GmbH schon seit dem Wegfall des Geschäftsführers Brami E der gesetzmäßigen Vertretung entbehrt:
Gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 GmbHG bedarf es zu Willenserklärungen, insbesondere zur Zeichnung der Geschäftsführer für die Gesellschaft, mangels einer abweichenden Bestimmung im Gesellschaftsvertrag der Mitwirkung sämtlicher Geschäftsführer (Kollektivvertretung). Beim nachträglichen Wegfall eines oder mehrerer Geschäftsführer geht das Recht zur Vertretung der Gesellschaft nur dann auf die verbleibenden Geschäftsführer über, wenn der Gesellschaftsvertrag zwar eine allgemeine Bestimmung über die Zahl der Geschäftsführer enthält, die Ausübung ihres Vertretungsrechtes aber nicht näher regelt. Ist hingegen schon im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich Kollektivvertretung vorgesehen oder wird den Geschäftsführern diese Form der Vertretung durch Gesellschafterbeschluß vorgeschrieben, dann sind die restlichen Geschäftsführer nicht befugt, die Gesellschaft nunmehr allein zu vertreten; in diesem Fall muß vielmehr innerhalb angemessener Frist die erforderliche Ergänzung des Vorstandes erwirkt oder im Wege einer Satzungsänderung eine neue Vertretungsregelung getroffen werden (JBl. 1956, 210 = NZ 1956, 75;
Gellis, Komm. z. GmbHG, 72 § 18 Anm. 4; ebenso für das deutsche Recht: Schilling in Hachenburg, Komm. z. dGmbHG[6] II, 11 § 35 Anm. 19 a, 12 Anm. 21; Scholz, Komm. z. dGmbHG[4], 400 § 35 Anm. 20;
Baumbach - Hueck, dGmbHG[13], 164 § 35 Anm. 5 A). Dabei ist es Sache des Registergerichtes, von Amts wegen auf die Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes hinzuwirken (Graschopf, Die GmbH, 98 f.;
Torggler, Die Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers, GesRZ 1974, 5).
Ein solcher Fall einer durch Gesellschafterbeschluß ausdrücklich angeordneten Kollektivvertretung liegt aber hier vor: Nach dem Inhalt des Aktes HRB 1366 des Landesgerichtes Innsbruck wurde die beklagte GmbH gemäß Punkt VIII ihres Gesellschaftsvertrages ("Geschäftsführer") zunächst von Konrad W (dem jetzigen Kläger) und Brami E vertreten. Bei der außerordentlichen Generalversammlung vom 1. August 1972 wurde Konrad W auf Grund seiner eigenen Rücktrittserklärung als Geschäftsführer abberufen und an seiner Stelle Dipl.-Kfm. Heinz L zum Geschäftsführer bestellt; gleichzeitig wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, "in Interpretation der Z. VIII des Gesellschaftsvertrages festzustellen, daß die Geschäftsführer nur gemeinsam Geschäfte führen und die Gesellschaft vertreten dürfen. Jeder Vertretungsakt, der von den Geschäftsführern nicht gemeinsam gesetzt wurde, ist daher ungültig". Schließlich wurde in der außerordentlichen Generalversammlung vom 25. September Johann G zum weiteren Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt.
Die Gesellschafter der Beklagten haben damit ausdrücklich ihren Willen bekundet, daß die drei von ihnen bestellten Geschäftsführer nur kollektiv zur Vertretung berechtigt sein sollen. Daraus folgt aber im Sinne der obigen Rechtsausführungen, daß spätestens seit dem Tode des Geschäftsführers Brami E - für welchen nach dem Inhalt der Registerakten bisher kein Ersatz bestellt worden ist - eine ordnungsgemäße Vertretung der Gesellschaft überhaupt nicht mehr möglich ist; die beiden anderen Geschäftsführer konnten seither weder gemeinsam noch einzeln für die Gesellschaft handeln. Ob Dipl.- Kfm. Heinz L als Geschäftsführer ausgeschieden ist oder nicht, ist unter diesen Umständen ohne rechtliche Bedeutung; auch bei Annahme eines rechtswirksamen Ausscheidens dieses Mitgeschäftsführers wäre ja der als einziger Geschäftsführer verbliebene Johann G keinesfalls berechtigt, im Namen der Gesellschaft tätig zu werden.
Bei dieser Sachlage konnte die Prozeßvollmacht vom 16. September 1976, welche nur von Johann G unterschrieben worden ist, keine rechtswirksame Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes Dr. D durch die Beklagte begrunden; diese war vielmehr im vorliegenden Rechtsstreit von Anfang an nicht gesetzmäßig vertreten (SZ 6/337; HS 2181/35; Fasching II, 153 § 6 ZPO Anm. 7). Ein solcher Mangel der gesetzlichen Vertretung ist nun zwar gemäß § 6 Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Rechtsstreites von Amts wegen zu berücksichtigen; nach dem zweiten Absatz dieser Gesetzesstelle hat aber das Gericht dann, wenn der Mangel beseitigt werden kann ",die hiezu erforderlichen Aufträge zu erteilen und zu ihrer Erfüllung von Amts wegen eine angemessene Frist zu bestimmen, bis zu deren fruchtlosem Ablauf der Ausspruch über die Rechtsfolgen des Mangels aufgeschoben bleibt". Eine solche Beseitigung des Mangels der gesetzlichen Vertretung der Beklagten ist im konkreten Fall ohne weiters möglich: Hat eine GmbH keine zur Vertretung befugten Organe und ist - wie dies offenkundig auch hier zutrifft - angesichts der zwischen den Gesellschaftern bestehenden Differenzen in absehbarer Zeit auch nicht mit einer Behebung dieses Mangels durch Ergänzung des Vorstandes oder Änderung der Satzung zu rechnen, dann kann für die Gesellschaft, wenn nötig, auf Antrag eines Gläubigers für die Prozeßführung ein Kurator nach § 8 ZPO bestellt werden (Gellis a. a. O., 59; EvBl. 1977/240); bei Fehlen der Voraussetzungen nach dieser Gesetzesstelle kann darüber hinaus auch eine Kuratorbestellung in analoger Anwendung des § 276 ABGB in Frage kommen (Torggler a. a. O., 5, 8).
Das Berufungsgericht hat eine "Verbesserung nach §§ 84, 85 ZPO" hier deshalb für unzulässig gehalten, weil schon bei der ersten Tagessatzung gemäß § 38 ZPO eine Frist für die Vollmachtsvorlage gesetzt und diese Frist in der Folge nicht verlängert wurde; es hat dabei jedoch übersehen, daß der Kläger zwar zunächst für den Fall der nicht rechtzeitigen Vorlage der Vollmacht durch die Beklagte ein Versäumungsurteil beantragt hatte, daß er dann aber die - fristgerecht vorgelegte - Prozeßvollmacht offenbar als ausreichend angesehen und sich daher ohne jeden Einwand auf die vom Erstgericht durchgeführte kontradiktorische Verhandlung eingelassen hat. Eine nachträgliche Sanierung des Mangels der gesetzlichen Vertretung der Beklagten ist daher entgegen der Meinung des angefochtenen Beschlusses keineswegs präkludiert; es wird vielmehr Sache des Berufungsgerichtes sein, vor Fällung einer neuerlichen Entscheidung gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 ZPO die zur Beseitigung dieses Mangels erforderlichen Aufträge zu erteilen und zu ihrer Erfüllung eine angemessene Frist zu bestimmen. Erst wenn sich der Mangel der gesetzlichen Vertretung der Beklagten auf diese Weise nicht beseitigen läßt und die dazu gewährte Frist fruchtlos abläuft, wird gemäß § 7 Abs. 1 ZPO die Nichtigkeit des von dem Mangel betroffenen Verfahrens durch Beschluß auszusprechen sein; das gleiche gilt, wenn und soweit der fristgerecht bestellte gesetzliche Vertreter eine Genehmigung der Bevollmächtigung des Beklagtenvertreters und dessen bisheriger Prozeßführung ablehnen sollte. Andernfalls wird das Verfahren mit diesem Vertreter fortzusetzen sein.
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