Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das Erstgericht wies das Klagebegehren der seinerzeitigen Klägerin, ihr ab 1. 10. 2008 ein höheres Pflegegeld als jenes der Stufe 4 zu gewähren, ab.
Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es änderte das Ersturteil insoweit als Teilurteil ab, als es die beklagte Partei schuldig erkannte, der Klägerin ab 1. 3. 2009 Pflegegeld der Stufe 5 in Höhe von 902,30 EUR (monatlich) zu gewähren. Im Übrigen - Abweisung des Begehrens auf Pflegegeld in der Höhe der Differenz zwischen der Stufe 4 und der Stufe 5 - wurde das Ersturteil ohne Zulassung eines Rekurses an den Obersten Gerichtshof aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Nach Zustellung der Berufungsentscheidung verstarb die Klägerin am 25. 8. 2009. Das Erstgericht fasste daraufhin am 15. 9. 2009 den Beschluss, dass das Verfahren gemäß § 19 Abs 3 BPGG über Antrag des Sohnes der Klägerin, Wolfgang A*****, fortgesetzt werde.
Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Die Revisionswerberin zieht nicht in Zweifel, dass die frühere Klägerin (im Folgenden: Pflegebedürftige) in dem vom bekämpften Teilurteil umfassten Zeitraum ab 1. 3. 2009 einen Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich hatte. Sie wendet sich allerdings gegen das Vorliegen eines außergewöhnlichen Pflegeaufwands im Sinn des § 6 der Einstufungsverordnung (EinstV) und verweist dazu insbesondere auf die Regelung der Z 2 und 3 dieser Bestimmung. Ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand liege nicht vor, weil bei der Pflegebedürftigen nicht jede Nacht eine Nachschau erforderlich gewesen bzw eine Pflegeeinheit angefallen sei. Im Übrigen hätte die wegen der fallweise aufgetretenen Unruhezustände durchschnittlich jede dritte Nacht notwendig gewordene Hilfeleistung durch eine medizinisch indizierte erhöhte Schlafmittelmedikation reduziert werden können. Schließlich sei durch die Verwendung des bei der Pflegebedürftigen installierten Babyphons keine regelmäßige Nachschau durch die Pflegeperson während der Nacht notwendig gewesen.
Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:
Nach § 6 EinstV in der hier anzuwendenden und seit 1. 1. 2009 in Kraft stehenden Fassung BGBl II 2008/469 liegt ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand insbesondere vor, wenn
1. die dauernde Bereitschaft, nicht jedoch die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson oder
2. die regelmäßige Nachschau durch eine Pflegeperson in relativ kurzen, jedoch planbaren Zeitabständen erforderlich ist, wobei zumindest eine einmalige Nachschau in den Nachtstunden erforderlich sein muss oder
3. mehr als 5 Pflegeeinheiten, davon eine auch in den Nachtstunden, erforderlich sind.
§ 6 Z 1 EinstV entspricht dabei jener Fallgruppe, die auch schon bisher in § 6 ausdrücklich normiert wurde. Wie bereits das Berufungsgericht unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dargelegt hat, ist die Notwendigkeit einer „dauernden Bereitschaft, nicht aber Anwesenheit" einer Pflegeperson im Sinn des § 6 Z 1 EinstV dahingehend zu verstehen, dass der Pflegebedürftige jederzeit Kontakt mit der Pflegeperson aufnehmen und diese in angemessener Zeit die erforderliche Betreuung und Hilfe leisten kann oder die Pflegeperson von sich aus in angemessenen Zeitabständen Kontakt mit dem Pflegebedürftigen aufnimmt (vgl RIS-Justiz RS0106361). Es müssen Umstände vorliegen, die es erforderlich machen, dass sich eine Pflegeperson ständig in der näheren Umgebung in Bereitschaft halten muss, um jederzeit für notwendige Betreuungsmaßnahmen sorgen zu können. Es müssen somit Umstände vorliegen, die einen Betreuungsaufwand bedingen, der jederzeit auftreten kann und ein eher kurzfristiges Einschreiten einer Pflegeperson erforderlich macht (vgl Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld2 Rz 558 und 560 mwN).
Auch wenn man daher mit den Ausführungen der Revisionswerberin davon ausgeht, dass die in § 6 Z 2 und 3 EinstV angeführten Voraussetzungen für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Pflegeaufwands im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind, weil bei der Pflegebedürftigen nicht jede Nacht eine Nachschau erforderlich gewesen bzw eine Pflegeeinheit angefallen sei, so verbleibt dennoch die Prüfung der Frage, ob nicht das Vorliegen eines außergewöhnlichen Pflegeaufwands bei der Pflegebedürftigen im Hinblick auf die Notwendigkeit einer dauernden Bereitschaft einer Pflegeperson (§ 6 Z 1 EinstV) oder im Hinblick auf das Vorliegen anderer besonderer - die Pflege zusätzlich erschwerender - qualifizierender Elemente zu bejahen ist. Der Oberste Gerichtshof hat bereits entschieden (vgl 10 ObS 39/06t = SSV-NF 20/46), dass ein Anspruch einer Versicherten auf Pflegegeld der Stufe 5 zu bejahen ist, wenn sie während des Tages für längstens eine Stunde allein gelassen werden kann, eine Kontaktaufnahme durch die Pflegeperson somit in relativ kurzen Zeitabständen erforderlich ist und diese Pflegemaßnahmen gemeinsam mit einem in Abstand von 4 bis 5 Stunden auch während der Nacht erforderlichen Umlagern der Versicherten eine zeitliche Intensität erreichen, dass sich eine Pflegeperson in der Nähe der Versicherten aufhalten muss.
Im vorliegenden Fall war nach den Feststellungen bei der Pflegebedürftigen während des Tages eine Nachschau in Abständen von einer Stunde in der Regel ausreichend. Darüber hinaus wurde für sie auch ungefähr jede dritte Nacht eine Pflegeleistung benötigt, weil sie aufgrund auftretender nächtlicher Unruhe- und Verwirrtheitszustände ca 15 Minuten lang beruhigt werden musste oder aufgrund des Abgangs von größeren Harnmengen ein Windelwechsel kurzfristig notwendig war. Auch wenn eine Pflegeleistung in der Nacht somit nur durchschnittlich jede dritte Nacht tatsächlich notwendig war, so war doch keineswegs zeitlich vorhersehbar, wann die Pflegebedürftige diese Pflegeleistung benötigte. Aus diesem Grund war für die Pflegebedürftige ein Babyphon installiert, wodurch eine ständige Rufbereitschaft einer in der Nähe der Pflegebedürftigen anwesenden Pflegeperson gegeben war. Die Klägerin konnte dadurch jederzeit durch Rufen auf sich aufmerksam machen. Durch diese ständige Rufbereitschaft einer Pflegeperson erübrigte sich eine regelmäßige Nachschau der Pflegeperson in der Nacht. In der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, es sei bei der Pflegebedürftigen jedenfalls ab 1. 3. 2009 das Erfordernis einer dauernden Bereitschaft der Pflegeperson und somit ein Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 5 vorgelegen, kann keine vom Obersten Gerichtshofs im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden, zumal auch durch eine der Pflegebedürftigen zumutbare Einnahme des Schlafmittels in einer höheren Dosis als bisher ihre nächtlichen Verwirrtheitszustände zwar gemindert, aber nicht zur Gänze behoben werden konnten, eine ständige Rufbereitschaft der Pflegeperson aber auch im Hinblick auf einen während der Nacht möglicherweise notwendigen kurzfristigen Windelwechsel erforderlich war. Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht daher im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
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