OGH 1Ob195/09x

OGH1Ob195/09x13.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Daniel C*****, vertreten durch Dr. Daniel Charim, Mag. Wolfgang Steiner und Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Evelyne F*****, und 2. Mag. Christina S*****, beide vertreten durch Lambert Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Abschlusses eines Bestandvertrags, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 22. Juli 2009, GZ 38 R 17/09w-10, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 7. November 2008, GZ 58 C 378/08f-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Berufungsgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, in den Abschluss eines Bestandvertrags über ein in im ersten Wiener Gemeindebezirk gelegenes Geschäftslokal zu einem monatlichen Hauptmietzins von 77,15 EUR (wertgesichert) einzuwilligen. Mieterin dieses Geschäftslokals sei aufgrund eines Mietvertrags aus dem Jahr 1988 eine weibliche Person gewesen. Nach einer ergänzenden Vereinbarung zum Mietvertrag sei die Mieterin berechtigt, bei Beendigung des Bestandverhältnisses einen Nachfolgemieter namhaft zu machen. Die Rechtsvorgänger der Beklagten hätten sich als Bestandgeber dazu verpflichtet, mit diesem einen Mietvertrag zu den bisherigen Konditionen abzuschließen. Am 28. März 2007 hätten die Beklagten das Bestandverhältnis zur Mieterin gerichtlich gemäß § 30 Abs 2 Z 6 und 7 MRG aufgekündigt. Mit rechtskräftigem und vollstreckbarem Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 18. Februar 2008 sei die Aufkündigung des Bestandverhältnisses mit Wirkung vom 31. Juli 2007 für rechtswirksam erklärt worden. (Erst) Mit Schreiben vom 5. Juni 2008 habe die Mieterin gegenüber den Beklagten in Ausübung ihres Präsentationsrechts den Kläger als Nachmieter namhaft gemacht.

Die Beklagten wendeten im Wesentlichen ein, dass zum Zeitpunkt der Ausübung des Präsentationsrechts kein Mietvertrag mehr bestanden habe, sodass auch eine „Abtretung" von Mietrechten nicht mehr möglich gewesen sei. Darüber hinaus sei die Vereinbarung so zu verstehen, dass eine Abtretung nur dann möglich sein sollte, wenn die Bestandnehmerin den Mietvertrag selbst beendet hätte. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die (ordentliche) Revision nicht zulässig sei; eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands wurde unterlassen.

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene außerordentliche Revision legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Diese Vorgangsweise widerspricht der seit Inkrafttreten der WGN 1997 geltenden Rechtslage:

Nach § 502 Abs 3 ZPO idF des Budget-Begleitgesetzes 2009 BGBl I 2009/52 (welches gemäß Art 15 Z 19 iVm Art 16 Abs 4 infolge des nach dem 30. Juni 2009 gelegenen Datums der Entscheidung der zweiten Instanz im vorliegenden Fall bereits anzuwenden ist), ist die Revision - außer im Falle des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Dies gilt allerdings gemäß § 502 Abs 5 Z 2 ZPO nicht für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags entschieden wird. Zweck dieser Regelung ist, Entscheidungen in Streitigkeiten, in denen der Verlust des Bestandobjekts droht, unabhängig von Bewertungsfragen revisibel zu machen (RIS-Justiz RS0120190; Zechner in Fasching/Konecny² § 502 ZPO Rz 192 mwN). Zur Lösung von Abgrenzungsfragen ist darauf abzustellen, ob ein so enger Zusammenhang mit der Frage der Auflösung des Bestandvertrags gegeben ist, dass ein getrenntes Schicksal in der Anfechtbarkeit unbefriedigend wäre (AB zur WGN 1989 BGBl 343 [991 BlgNR 17. GP 11]). Ob ein Anwendungsfall des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO vorliegt, ist allein nach den Klagebehauptungen zu beurteilen (1 Ob 115/01w; 7 Ob 76/00b; 9 Ob 107/99x). Der Kläger hat sein Klagebegehren aber nicht auf die Beendigung oder Auflösung eines Bestandvertrags im Sinne dieser Regelung gestützt, sondern sich darauf berufen, dass entsprechend einem mietvertraglich vereinbarten „Präsentationsrecht" eine Verpflichtung der Beklagten gegeben sei, ein neues Bestandverhältnis mit dem Kläger als von der Mieterin vorgeschlagenem geeignetem Dritten einzugehen (RIS-Justiz RS0032739). Zwischen dieser Klage und dem vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien abgeführten Kündigungsverfahren besteht kein so enger Zusammenhang, dass davon gesprochen werden könnte, ein getrenntes Schicksal in der Anfechtbarkeit wäre unbefriedigend. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn ein vom „Präsentationsrecht" zu unterscheidendes „Weitergaberecht" behauptet worden wäre. Dabei handelt es sich um das Recht des Mieters, nicht nur einen Nachmieter vorzuschlagen, sondern durch bloße Erklärung diesem alle Rechte und Pflichten aus dem Bestandvertrag zu übertragen, ohne dass es einer weiteren Erklärung des Bestandgebers bedarf (RIS-Justiz RS0105786). Die Vereinbarung eines „Weitergaberechts" lässt sich jedoch aus den Klagebehauptungen nicht ableiten, weshalb eine Streitigkeit über das Bestehen oder das Nichtbestehen eines Bestandvertrags nicht vorliegt.

Ohne einen entsprechenden Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts kann nicht beurteilt werden, ob eine außerordentliche Revision überhaupt in Betracht kommt. Das Berufungsgericht wird den unterlassenen Bewertungsausspruch daher nachzuholen haben. Sollte es aussprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt, wird es allenfalls den als „außerordentliche Revision" bezeichneten Schriftsatz des Klägers als Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO zu behandeln und darüber abzusprechen haben, ob der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision abgeändert (§ 508 Abs 3 ZPO) oder der Antrag gemeinsam mit der Revision zurückgewiesen wird (§ 508 Abs 4 ZPO).

Im Fall der Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs bzw einer Bewertung des Entscheidungsgegenstands mit einem 30.000 EUR übersteigenden Betrag sind die Akten wieder dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.

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