OGH 9Ob107/99x

OGH9Ob107/99x5.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walburga G*****, Landwirtin, *****, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. Anton G*****, Vertragsbediensteter, 2. Josefine W*****, Kassierin, beide *****, beide vertreten durch Dr. Manfred Winkler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung und Leistung (S 124.000,--), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 1. März 1999, GZ 54 R 11/99b-12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt als Liegenschaftseigentümerin mit der Behauptung, daß die Beklagten ohne Anspruchsgrundlage die Räumung verschiedener Räumlichkeiten im Haus der Klägerin und die Entfernung verschiedener um das Haus abgestellter Geräte verweigern, die Räumung und Entfernung.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten Ersitzung des Eigentumsrechtes an den Räumen durch den Erstbeklagten sowie Einräumung einer Benutzungs- und Abstellbefugnis durch die verstorbenen Eltern der Klägerin und des Erstbeklagten ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Sowohl die Benützung der Räume als auch das Abstellen der Geräte sei titellos erfolgt.

Das Berufungsgericht gab in seinem nach dem 31. 12. 1997 gefällten Urteil (Art XXXII Z 14 iVm Art VII Z 36 der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1997, BGBl I 1997/140 - WGN 1997) der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 52.000,--, nicht jedoch S 260.000,-- übersteige, und daß die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO unzulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene "außerordentliche Revision" der Beklagten, worin der Antrag gestellt wird, der Oberste Gerichtshof möge die angefochtene Entscheidung im Sinne der Klageabweisung abändern, hilfsweise aufheben, legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor. Diese Vorgangsweise widerspricht der seit Inkrafttreten der WGN 1997 geltenden Rechtslage:

Nach § 502 Abs 3 ZPO idF WGN 1997 (im folgenden: ZPO nF) ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 leg cit - jedenfalls unzulässig, wenn - wie hier - der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar S 52.000,-- nicht aber S 260.000,-- übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nicht für zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO nF binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungskenntnisses den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 Satz 1 ZPO nF) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, daß die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muß die Gründe dafür angeben, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.

Im vorliegenden Fall haben die Rechtsmittelwerber das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und darin auch ausgeführt, warum sie entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes die Revision für zulässig erachten. Der Revision fehlt jedoch die ausdrückliche Erklärung, daß der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO nF) gestellt werde. Im Hinblick auf die dargestellte neue Rechtslage ist der Rechtsmittelschriftsatz jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO sind Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen (§ 508 ZPO nF). Ist das Erstgericht der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern und es genüge die im Rechtsmittel ohnehin enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil diese erkennbar (gleich den Revisionsausführungen zur Sache) an den Obersten Gerichtshof gerichtet sei (vgl zum Fehlen der richtigen Bezeichnung des Berufungsgerichts: Kodek in Rechberger, ZPO Rz 2 zu § 467), dann wird es einen, mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag zu erteilen haben. Fehlt nämlich einem fristgebundenen Schriftsatz ein Inhaltserfordernis im Sinn des § 84 Abs 3 ZPO, dann ist ein Verbesserungsverfahren einzuleiten. Das gilt nach § 474 Abs 2 Satz 2 ZPO auch für das Fehlen des Rechtsmittelantrags. Sollten die Rechtsmittelwerber die Verbesserung ihres Schriftsatzes sodann verweigern, wäre die Revision jedenfalls unzulässig (1 Ob 78/98x ua;

s. Übersicht in RIS-Justiz RS0109501).

Der Annahme der Revisionswerber, es liege eine "Räumungsangelegenheit gemäß § 502 Abs 5 ZPO" vor, kann nicht beigetreten werden. Richtig ist, daß § 502 Abs 3 ZPO nF für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags entschieden wird, nicht gilt (§ 502 Abs 5 Z 2 ZPO). Eine derartige Streitigkeit liegt jedoch nicht vor. Die Frage, ob eine Bestandstreitigkeit im Sinne der angeführten Gesetzesstelle gegeben ist, ist nach § 41 Abs 2 JN aufgrund der Angaben in der Klage zu prüfen (SZ 51/12). Darin wurde kein Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen behauptet, sondern die Räumung titellos benützter Räumlichkeiten und die Entfernung titellos abgestellter Gerätschaften begehrt (9 Ob 314/98m). § 502 Abs 5 Z 2 ZPO nF entspricht inhaltlich dem früheren § 502 Abs 3 Z 2 ZPO aF. Schon zu dieser Bestimmung wurde ausgesprochen, daß die Ausnahme von den Zulässigkeitsgrenzen des § 502 Abs 2 ZPO nicht nur eine Entscheidung über Kündigung, Räumung, Bestehen oder Nichtbestehen eines Bestandvertrages im Sinne des § 49 Abs 2 Z 5 JN voraussetzt, sondern zusätzlich eine Entscheidung über das Bestandverhältnis selbst. Wird - anders als in der Regel - bei einem Räumungsbegehren auch nicht als Vorfrage über das Dauerverhältnis selbst und seine Beendigung entschieden, wird der Zweck der Ausnahmeregel verfehlt, Entscheidungen über das Dauerverhältnis selbst - unter der weiteren Voraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO - unabhängig vom Streitwert revisibel zu machen (3 Ob 285/98b mwN).

Auch aus der Ansicht der Revisionswerber, der Streitgegenstand wäre mehr wert als S 260.000,--, ist keine anderslautende Beurteilung der Zulässigkeit der Revision zu gewinnen. Der Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Wert des nicht ausschließlich in einem Geldbetrag bestehenden Entscheidungsgegenstandes ist grundsätzlich unanfechtbar und bindend (§ 500 Abs 2 Z 1 lit a und b, Abs 3 und 4 ZPO; Kodek in Rechberger aaO Rz 3 zu § 500 mwN; RIS-Justiz RS0042437).

Aus diesen Erwägungen sind die Akten dem Erstgericht zur verfahrensrichtigen Behandlung zurückzustellen.

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