Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit 2.531,81 EUR (darin 421,97 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Ermittlung des Deckungskapitals im Falle einer im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz bereits begonnenen Sanierung.
Die Vorinstanzen haben die Beklagte zur Zahlung des Deckungskapitals für die Sanierung jener Bedachung des Gebäudes der Kläger verpflichtet, welche die Beklagte aufgrund eines am 19. 10. 1999 abgeschlossenen Werkvertrags hergestellt hat. Aufgrund der statischen Überbelastung der gewählten Holzbinderkonstruktion um 302 %, wodurch etwa bei voller Schneelast ein Totalversagen des Daches nicht ausgeschlossen werden könnte, ist die gesamte Dacheindeckung zu entfernen, der Sekundärsäulenabstand auf die Hälfte zu reduzieren und sämtliche Einfassungen in den Bereichen der überstehenden Gesimse, Kamine, Ortgangverblechungen und Einlaufblechen in Dachrinnen zu erneuern. Des Weiteren weist die Dachkonstruktion eine ungenügende Be- und Entlüftung auf; es sind daher sämtliche Beschädigungen an Systemfälzen und Dachbahnen zu erneuern.
Die Höhe dieser Sanierungskosten ermittelten die Vorinstanzen aufgrund des vom Sachverständigen im Jahr 2005 beziehungsweise 2007 erstellten Sanierungskonzepts. Tatsächlich waren zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz am 20. 10. 2008 rund 44 % des Daches saniert; die Kläger beabsichtigen die vollständige Sanierung des Daches.
Unmittelbar vor Schluss der Verhandlung erster Instanz brachte die Beklagte vor, die nunmehr begonnene Sanierung des Daches stelle „verglichen mit der Auftragslage eine günstigere Lösung als vom Sachverständigen ermittelt" dar. Da ein Ersatz nur im Umfang der tatsächlich angefallenen Kosten gebühre, könne „auf die bisherigen Berechnungen des Sachverständigen ... nicht erfolgen". Es seien daher „die erforderlichen Sanierungskosten zu erheben und in Bezug zu setzen zu dem Auftrag, der zwischen den Streitteilen abgeschlossen wurde". Die Beklagte berief sich dazu auf die Durchführung eines Ortsaugenscheins und die Ergänzung des Sachverständigengutachtens.
Die Beklagte macht in ihrer Revision geltend, wenn zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz bereits mit einer Sanierung durch den Werkbesteller begonnen wurde und dabei eine andere Sanierungsmethode angewendet wird, als dies dem ursprünglichen Sanierungskonzept entspricht, welches der Ermittlung der fiktiven Sanierungskosten zugrunde gelegt worden war, komme der Zuspruch dieser fiktiven Sanierungskosten nicht in Betracht.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach ständiger, auf der Entscheidung des verstärkten Senats 2 Ob 82/97s (SZ 70/220) beruhender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können die Kosten einer künftigen Heilbehandlung vom Geschädigten, der die Heilbehandlung ernstlich beabsichtigt, (nur) vorschussweise begehrt werden. Dem Verletzten gebührt daher zwar kein Ersatz von Heilbehandlungskosten, wenn (zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz [1 Ob 16/09y]) feststeht, dass die Heilbehandlung unterbleibt (RIS-Justiz RS0108906); der Grund für die Vorschusspflicht liegt jedoch in dem allgemeinen Grundsatz, wonach der Geschädigte nicht verpflichtet ist, eigenes Kapital zur Schadensbehebung einzusetzen (2 Ob 82/97s mwN).
Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat der Geschädigte Anspruch auf Ersatz fiktiver Reparaturkosten, das sind die zur Instandhaltung notwendigen und angemessenen Kosten, gleichgültig, ob er die Reparatur tatsächlich durchführen lässt oder das Geld sonst wie verwendet; die fiktiven Reparaturkosten sind jedoch nicht in voller Höhe zu ersetzen, wenn sie höher sind als die objektive Wertminderung, weil eine darüber hinausgehende Leistung zu einer dem schadenersatzrechtlichen Ausgleichsgedanken widersprechenden Bereicherung des Geschädigten führen würde (2 Ob 158/07k ZVR 2008/227 [Chr. Huber] mwN; vgl auch RIS-Justiz RS0022844).
Wird die Reparatur tatsächlich durchgeführt, dann steht dem Geschädigten grundsätzlich ein Anspruch auf die tatsächlichen Kosten zu (2 Ob 158/07k mwN).
2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass diese Grundsätze auch bei Anwendung des § 933a ABGB zu beachten sind (6 Ob 134/08m JBl 2008, 786; 1 Ob 109/09z); dies gilt auch für Fälle, in denen der Sachverhalt noch nach der Rechtslage vor dem Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz BGBl I 2001/48 zu beurteilen ist (1 Ob 16/09y).
3. Nach herrschender Auffassung (OLG Linz ZVR 1999/88; Apathy, JBl 1985, 41 [Entscheidungsanmerkung]; Reischauer in Rummel, ABGB³ [2004] § 1323 Rz 13; Chr. Huber, Fragen der Schadensberechnung² [1995] 58; ders, ZVR 2008/227 [Entscheidungsanmerkung]) ist der vom Schädiger zu leistende Vorschuss zweckgebunden sowie verrechenbar und kann bei Übermaß zurückgefordert werden; verwendet der Geschädigte also den Vorschuss nicht oder nur teilweise zur Durchführung der Reparatur, kann der Schädiger seine Leistung, soweit sie die tatsächlichen Aufwendungen übersteigt, nach § 1435 ABGB kondizieren (Apathy aaO). Diese Auffassung stellt auch die Beklagte in ihrer Revision nicht in Frage.
4. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Kläger eine Sanierung des Daches beabsichtigen; sie haben damit bereits begonnen. Daher haben ihnen die Vorinstanzen zutreffend Deckungskapital (vorschussweise) zugesprochen. Bei der Höhe dieses notwendigen Deckungskapitals haben sich die Vorinstanzen an einem Sanierungskonzept des Sachverständigen orientiert. Diese Vorgangsweise ist nicht zu beanstanden (vgl in diesem Sinn auch Harrer in Schwimann, ABGB³ [2006] § 1323 Rz 55 zu Kostenvoranschlägen beziehungsweise Schätzungsgutachten).
Die Beklagte meint, bei einer zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz bereits erfolgten Teilsanierung seien durch Sachverständigengutachten die bereits aufgewendeten und die mutmaßlich noch aufzuwendenden Kosten zu ermitteln. Sie übersieht dabei, dass die Vorinstanzen auf Sachverhaltsebene übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass im Hinblick auf die lediglich teilweise Sanierung die endgültigen Sanierungskosten auch durch einen Sachverständigen noch nicht festgestellt werden könnten; das Berufungsgericht hat die diesbezügliche Mängelrüge der Beklagten verworfen.
Da es die Beklagte auch unterlassen hat, im Verfahren erster Instanz konkret darzulegen, inwieweit sich die von den Klägern tatsächlich gewählte Sanierungsmethode (angeblich) vom Sanierungskonzept des Sachverständigen unterscheiden und in welchem Ausmaß es dadurch (angeblich) zu einer Kostenreduktion kommen soll, hätte es sich bei den von der Beklagten unmittelbar vor Schluss der Verhandlung gestellten Beweisanträgen um reine (unzulässige) Erkundungsbeweise gehandelt.
5. Der Zuspruch der fiktiven Sanierungskosten in Höhe des vom Sachverständigen erarbeiteten Sanierungskonzepts durch die Vorinstanzen ist damit durchaus vertretbar. In Anbetracht der erwähnten Feststellung des Erstgerichts, wonach auch ein Sachverständiger die endgültigen Kosten im vorliegenden Fall nicht feststellen könnte, waren auch keine an Bedeutung über dieses Verfahren hinausgehende Rechtsfragen zu lösen; die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage stellt sich angesichts dieser Feststellung nicht.
Damit war die Revision zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
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