Spruch:
In der Strafsache des Landesgerichts Krems an der Donau, AZ 16 E Hv 47/06z, verletzt der Beschluss der Präsidentin dieses Gerichtshofs vom 5. März 2009, AZ 4 Ns 8/09a (ON 65), im Ausspruch, dass die Sache zur Entscheidung über den Antrag des Verurteilten Franz S***** auf Wiederaufnahme des Verfahrens dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Vertreter Richter des Landesgerichts Mag. Franz M***** übertragen wird, § 43 Abs 4 StPO.
Dieser Beschluss wird im bezeichneten Umfang aufgehoben.
Es wird in der Sache selbst erkannt, dass die Richterin des Landesgerichts Krems an der Donau, Dr. Andrea H*****, zur Entscheidung über den Antrag des Verurteilten Franz S***** auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht ausgeschlossen ist, und der Präsidentin des Landesgerichts Krems an der Donau aufgetragen, dieser Richterin, sollte sie nach der Geschäftsverteilung nach wie vor zuständig sein, andernfalls aber dem zuständigen Richter gemäß § 45 Abs 2 StPO die Sache zu übertragen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 24. März 2004, GZ 3 U 91/03a-44, wurde unter anderem Franz S***** des (am 7. und 8. Jänner 2003 zum Nachteil des Univ.-Doz. Dr. Gerhard S***** begangenen) Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 (ergänze: erster Fall) StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Franz S***** (wegen Nichtigkeit) gab das Landesgericht Krems an der Donau als Berufungsgericht mit Urteil vom 11. Jänner 2005, AZ 11 Bl 6/05y (ON 57 des Aktes des Bezirksgerichts Krems an der Donau), Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Im zweiten Rechtsgang wurde unter anderem Franz S***** mit Urteil des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 11. Juli 2005, GZ 3 U 91/03a-65, neuerlich des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 (zu ergänzen: erster Fall) StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Auch der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Franz S***** (wegen Nichtigkeit) gab das Landesgericht Krems an der Donau als Berufungsgericht mit Urteil vom 17. Jänner 2006, AZ 11 Bl 38/05d (ON 71 des Aktes des Bezirksgerichts Krems an der Donau), Folge, hob das angefochtene Urteil in Bezug auf den genannten Angeklagten auf und verwies die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
An beiden Berufungsurteilen wirkte die Richterin des Landesgerichts Dr. Andrea H***** als Mitglied des Berufungssenats und Berichterstatterin mit.
Mit Beschluss vom 3. Mai 2006 verfügte die - nach der Geschäftsverteilung für die Verhandlung und Entscheidung in diesem Verfahren zuständige - Einzelrichterin des Landesgerichts Krems an der Donau Dr. Andrea H***** in dem gegen Franz S***** zur AZ 16 E Hv 47/06z anhängigen, mit Strafantrag der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau vom 28. April 2006 eingeleiteten Verfahren die Einbeziehung unter anderem des Verfahrens AZ 3 U 91/03a des Bezirksgerichts Krems an der Donau gemäß § 56 StPO aF (S 1 in ON 1). Zugleich zeigte die Richterin in Betreff ihrer Tätigkeit in den genannten Berufungsverfahren ihre Ausgeschlossenheit und Befangenheit an. Mit Beschluss vom 19. Mai 2006 (AZ 4 Ns 12/06k, ON 8 des Hv-Aktes) stellte der Präsident des Landesgerichts Krems an der Donau fest, dass die genannte Richterin weder ausgeschlossen noch befangen ist. Diese verfügte daraufhin am 23. Mai 2006 die Zustellung des Strafantrags an den Beschuldigten Franz S***** und die Einholung einer Strafregisterauskunft samt einem Ersuchen um Mitteilung der persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten (StPO-Form Anfr3; S 1 verso in ON 1).
Mit Urteil vom 21. Juni 2007, GZ 15 Os 129/06v-6 (ON 11 des Hv-Aktes), erkannte der Oberste Gerichtshof über die vom Generalprokurator gegen den genannten Beschluss des Präsidenten des Landesgerichts Krems an der Donau vom 19. Mai 2006 erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes dahin zu Recht, dass dieser, zugleich aufgehobene Beschluss - wegen der Vorbefassung der Richterin Dr. Andrea H***** mit der Strafsache (dem früheren Verfahren AZ 3 U 91/03a des Bezirksgerichts Krems an der Donau) im Rechtsmittelverfahren - § 68 Abs 2 StPO (aF) verletzt, die Ausgeschlossenheitsanzeige der genannten Richterin gerechtfertigt ist und dem Präsidenten des Landesgerichts Krems an der Donau aufgetragen wird, gemäß § 74 Abs 3 StPO (aF) iVm § 22 Abs 3 GOG den Richter zu bezeichnen, dem die Sache zu übertragen ist.
Da auch die nach der Geschäftsverteilung zuständigen Vertreter der Richterin Dr. Andrea H*****, nämlich der Präsident des Landesgerichts Krems an der Donau Hofrat Dr. Hans P***** und der Richter Dr. Herbert M***** von der Verhandlung und Entscheidung ausgeschlossen waren, wurde die Sache der nach der Geschäftsverteilung schließlich zuständigen Richterin Mag. Susanne D***** zur Verhandlung und Entscheidung gemäß § 74 Abs 3 StPO (aF) übertragen (ON 12, 14 bis 16 und 18).
Mit Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 23. Jänner 2008 (ON 46) wurde Franz S***** des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB sowie der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB und der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Unter anderem vom Anklagevorwurf der im seinerzeitigen (hier einbezogenen) Verfahren AZ 3 U 91/03a des Bezirksgerichts Krems an der Donau gegenständlichen Verleumdung des Univ.-Doz. Dr. Gerhard S***** wurde Franz S***** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Der gegen dieses - von der Staatsanwaltschaft nicht bekämpfte - Urteil erhobenen Berufung des Angeklagten Franz S***** wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld und die Strafe gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 23. Juli 2008, AZ 21 Bs 203/08v (ON 55 des Hv-Aktes), nicht Folge.
Mit Schriftsatz vom 4. März 2009 (ON 63) beantragte der Verurteilte Franz S***** (in Betreff der Schuldsprüche des zuvor genannten Urteils) die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 353 (Z 2) StPO. Die - in derselben Sache bereits als Richterin tätig gewesene - Einzelrichterin Mag. Susanne D***** zeigte daraufhin ihre Ausgeschlossenheit an (ON 64).
Mit Beschluss vom 5. März 2009, AZ 4 Ns 8/09a (GZ 16 E Hv 47/06z-65), stellte die Präsidentin des Landesgerichts Krems an der Donau fest, dass die genannte Richterin zur Entscheidung über den Antrag des Verurteilten Franz S***** auf Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen ist, und übertrug die Sache „dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Vertreter Richter des Landesgerichts Mag. Franz M*****". Der Begründung dieses Beschlusses (wie auch jener des folgenden Beschlusses der Präsidentin des Landesgerichts Krems an der Donau vom 15. April 2009 [AZ 4 Ns 11/09t, ON 67 des Hv-Aktes], mit dem in Betreff einer Ausgeschlossenheitsanzeige des Richters des Landesgerichts Mag. Franz M***** festgestellt wurde, dass dieser Richter von der Entscheidung über die Wiederaufnahme des Strafverfahrens nicht ausgeschlossen ist) ist die der Beschlussfassung zu Grunde gelegte Rechtsansicht zu entnehmen, dass die nach der (zum Zeitpunkt des Verfahrensanfalles geltenden) Geschäftsverteilung (für das Jahr 2006) zuständige Richterin Dr. Andrea H***** gemäß § 43 Abs 4 StPO von der Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen ist.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschluss der Präsidentin des Landesgerichts Krems an der Donau vom 5. März 2009 steht, wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, im - auf der zuvor bezeichneten Rechtsansicht beruhenden - Ausspruch, dass „die Sache dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Vertreter Richter des Landesgerichts Mag. Franz M***** übertragen wird", mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Nach § 43 Abs 4 StPO ist ein Richter (ebenso) von der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens und von der Mitwirkung und Entscheidung im erneuerten Verfahren ausgeschlossen, wenn er im Verfahren bereits als Richter tätig gewesen ist. Dafür reicht - wenngleich der Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung prima facie darauf hinzudeuten scheint - eine Tätigkeit im früheren Verfahren schlechthin nicht aus. Vielmehr ist dabei, wie durch das Wort „bereits" klargestellt wird (arg. „... im Verfahren bereits als Richter tätig gewesen ist"), der Gegenstand des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit dem Gegenstand der richterlichen Tätigkeit im früheren Verfahren zu vergleichen und ein Richter von der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme daher nur insoweit ausgeschlossen, als er gerade mit dem davon betroffenen Entscheidungsgegenstand des früheren Verfahrens befasst gewesen ist. In diesem Sinn sah bereits die Vorgängerbestimmung des § 68 Abs 3 StPO aF eine Ausgeschlossenheit von der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme nur desjenigen Richters vor, der in derselben Sache als Untersuchungsrichter tätig gewesen ist oder als Richter an der früheren Hauptverhandlung teilgenommen hat (vgl zu dieser Bestimmung in dem hier angesprochenen Sinn auch RIS-Justiz RS0102096; Lässig WK-StPO § 68 aF Rz 5, sowie § 43 Rz 16).
Daraus folgt, dass die (nach der hier anzuwendenden Geschäftsverteilung des Jahres 2006 zuständig gewesene) Richterin des Landesgerichts Krems an der Donau Dr. Andrea H*****, die im früheren Verfahren nur in Ansehung des mit rechtskräftigem Freispruch erledigten Gegenstands des (einbezogenen) seinerzeitigen Verfahrens AZ 3 U 91/03a des Bezirksgerichts Krems an der Donau (in merito) tätig gewesen ist - worauf sich die zuvor erwähnte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 21. Juni 2007, GZ 15 Os 129/06v-6, ausschließlich bezog -, von der Entscheidung über den (jenen Verfahrensgegenstand naturgemäß nicht betreffenden) Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens nicht ausgeschlossen ist.
Die oben dargestellten, von der Richterin Dr. Andrea H***** im gegenständlichen Strafverfahren AZ 16 E Hv 47/06z - neben dem Beschluss auf Einbeziehung des bereits mehrfach genannten Verfahrens AZ 3 U 91/03a des Bezirksgerichtes Krems an der Donau und des (in der Hauptverhandlung vom 23. Jänner 2008 [ON 45 S 97] gemäß § 27 StPO ausgeschiedenen und daher ebenfalls nicht vom Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens umfassten) Verfahrens AZ 3 U 310/03g dieses Gerichts wegen des Verdachts des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB - getroffenen Anordnungen (Verfügung der Zustellung des Strafantrags an den Beschuldigten sowie Einholung einer Strafregisterauskunft samt Ersuchen um Mitteilung der persönlichen Verhältnisse) betrafen durchwegs nur Verfügungen rein formeller Art und vermögen bei der hier maßgeblichen inhaltlichen Betrachtungsweise (Lässig, WK-StPO § 43 Rz 18 f, 32) eine Ausgeschlossenheit der genannten Richterin nach § 43 Abs 4 StPO nicht zu begründen.
Da nicht auszuschließen ist, dass sich der Beschluss der Präsidentin des Landesgerichts Krems an der Donau zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt hat (Art 83 Abs 2 B-VG), sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihn in dem im Spruch bezeichneten Umfang aufzuheben (§ 292 letzter Satz StPO) und der Präsidentin des Landesgerichts Krems an der Donau aufzutragen, für den Fall ihrer nach wie vor bestehenden Zuständigkeit die Richterin des Landesgerichts Dr. Andrea H*****, andernfalls den nunmehr zuständigen Richter mit der Sache zu betrauen.
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