OGH 4Ob131/09g

OGH4Ob131/09g8.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz S*****, vertreten durch Dr. Thaddäus Schäfer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Mittermayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Beseitigung (Streitwert 8.720 EUR), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 23. April 2009, GZ 21 R 73/09x-11, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Schwechat vom 30. Dezember 2008, GZ 2 C 1314/08s-5, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer einer Liegenschaft, auf der die Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Transformatorstation (Turmstation) errichtet hat; diese dient der Stromversorgung jener Gemeinde, in der das Grundstück des Klägers liegt. Der Kläger hat mit der Beklagten einen Netznutzungsvertrag betreffend die Versorgung seines Grundstücks mit elektrischer Energie abgeschlossen. Der Kläger begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, die auf seinem Grundstück befindliche Turmstation samt Verankerung und Fundamenten zu entfernen. Die Turmstation sei ohne Rechtstitel errichtet worden und werde ohne Rechtstitel nunmehr von der Beklagten benützt. Sollte der Beklagten oder ihrer Rechtsvorgängerin ein Prekarium zur Nutzung der Liegenschaft des Klägers eingeräumt worden sein, werde dieses hiermit widerrufen. Ein allenfalls früher bestehendes Servitutsrecht sei mittlerweile infolge Nichtbenützung bzw mangelnden Bedarfs erloschen. Die Beklagte weigere sich trotz Aufforderung, die Turmstation von der Liegenschaft des Klägers zu entfernen. Es liege ein Streit zwischen Grundstückseigentümer und Netzbetreiber vor, nicht ein solcher zwischen Netzbetreiber und Netznutzungsberechtigtem, weshalb vor Klagsführung kein Schlichtungsverfahren gemäß § 21 Abs 2 ElWOG einzuleiten gewesen sei. Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Rechtsweg sei unzulässig: Der Kläger beziehe aufgrund eines Netznutzungsvertrags mit der Beklagten über deren Stromnetz elektrische Energie. Damit komme § 21 Abs 2 ElWOG zur Anwendung, wonach bei Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern zwingend ein Streitschlichtungsverfahren einzuleiten sei. Der Vertrag berechtige die Beklagte, für den Bestand und Betrieb ihres Verteilernetzes Grundstücke der Netzkunden unentgeltlich zu benützen; dies gelte auch für die gegenständliche Turmstation.

Das Erstgericht hob das bisherige Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es liege ein Streit zwischen dem Kläger als Netzzugangsberechtigtem und der Beklagten als Netzbetreiberin vor, da inhaltlich unter anderem die Frage zu beurteilen sei, ob die Beklagte aufgrund des Netznutzungsvertrags zum Betrieb der Turmstation auf der Liegenschaft des Klägers berechtigt sei. Das in § 21 Abs 2 ElWOG für derartige Streitigkeiten vorgesehene Streitschlichtungsverfahren sei bisher nicht eingeleitet worden, weshalb derzeit Unzulässigkeit des Rechtswegs vorliege.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund auf; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob eine Eigentumsfreiheitsklage zwischen Netzbetreiber und Netznutzer den Bestimmungen des § 21 Abs 2 ElWOG unterliege. Gegenstand des Verfahrens sei eine Eigentumsfreiheitsklage des Grundeigentümers gegen eine auf seiner Liegenschaft bestehende Turmstation der Beklagten. Diese Streitigkeit betreffe nicht das Verhältnis zwischen dem Netzzugangsberechtigten und dem Netzbetreiber und falle nicht unter § 21 Abs 2 ElWOG. Daran ändere auch nichts, dass der Kläger aufgrund eines mit der Beklagten bestehenden Energielieferungsvertrags von der Beklagten mit elektrischer Energie versorgt werde und die Turmstation (auch) für die Versorgung des Grundstücks des Klägers mit elektrischer Energie erforderlich sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt. Die Beklagte macht geltend, sie habe dem klageweise verfolgten Anspruch ausdrücklich den zwischen ihr und dem Kläger bestehenden Netznutzungsvertrag entgegengehalten, dessen Bestimmungen für die Frage der Berechtigung des Klagebegehrens von Bedeutung seien. Es liege daher eine Streitigkeit zwischen Netzzugangsberechtigtem und Netzbetreiberin vor, die unter § 21 Abs 2 ElWOG falle. Mangels Befassung der Energie-Control Kommission sei der Rechtsweg unzulässig.

1.1. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist maßgeblich, ob nach dem Inhalt der Klage (Klagebegehren und Klagebehauptungen) - unabhängig von der rechtlichen Beurteilung durch die klagende Partei (1 Ob 33/99f = SZ 72/130) - ein seiner Natur nach zivilrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (RIS-Justiz RS0045584, RS0045718, RS0005896; 4 Ob 8/09v; 4 Ob 83/09y).

1.2. Auf das Beklagtenvorbringen ist grundsätzlich erst in der Sachentscheidung Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0045584 [T18]); für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs kann es nur insoweit herangezogen werden, als dadurch das Klagsvorbringen verdeutlicht wird (RIS-Justiz RS0045584 [T44]; 4 Ob 83/09y).

1.3. Die inhaltliche Berechtigung des vom Kläger behaupteten Anspruchs ist bei der Frage der Rechtswegzulässigkeit unerheblich, hierüber ist erst in der Sachentscheidung abzusprechen (RIS-Justiz RS0045491).

2.1. Der Kläger begehrt die Entfernung einer auf seinem Grundstück befindlichen Turmstation samt Verankerung und Fundamenten mit der Behauptung, er sei Eigentümer jener Fläche, auf der die Turmstation von der Rechtsvorgängerin der Beklagten ohne Rechtstitel errichtet worden sei und die ohne Rechtstitel nunmehr von der Beklagten benützt werde. Damit macht er einen unberechtigten Eingriff in sein Eigentumsrecht - also einen privatrechtlichen Anspruch - geltend, zu dessen Durchsetzung der Rechtsweg offen steht (vgl 1 Ob 143/97d mwN; 1 Ob 229/07v; 4 Ob 83/09y).

2.2. Darauf, dass das Klagebegehren materiell berechtigt sei, kommt es - wie zuvor ausgeführt - bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ebenso wenig an wie darauf, dass die Beklagte, die Netzbetreiberin ist, dem erhobenen Anspruch Einwendungen aus ihrem Vertragsverhältnis zum Kläger, der Netzzugangsberechtigter ist, entgegenhält.

2.3. Zwar steht gemäß § 21 Abs 2 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz BGBl I 1998/143 - ElWOG einer Klage aufgrund einer Streitigkeit zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen dann das befristete Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen, wenn sie vor Zustellung des Bescheids der Energie-Control Kommission im Streitschlichtungsverfahren eingebracht wurde (sukzessive Zuständigkeit; vgl dazu 4 Ob 287/04s = EvBl 2005/161). Der Kläger macht aber - folgt man dem für die Zulässigkeit des Rechtswegs allein maßgeblichen Inhalt der Klage - einen vom Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen unabhängigen privatrechtlichen Anspruch geltend, für dessen Bestehen das Vertragsverhältnis zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern nicht denknotwendige Voraussetzung ist.

3. Zusammenfassend gilt: Macht der Kläger nach dem für die Zulässigkeit des Rechtswegs allein maßgeblichen Inhalt der Klage einen vom Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen unabhängigen privatrechtlichen Anspruch (hier: Eigentumsfreiheitsklage) geltend, für dessen Bestehen ein Vertragsverhältnis zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern nicht denknotwendige Voraussetzung ist, kann die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs nicht darauf gestützt werden, dass eine Streitigkeit zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringende Verpflichtung iSd § 21 Abs 2 ElWOG vorliege.

  1. 4. Dem Revisionsrekurs kann deshalb kein Erfolg beschieden sein.
  2. 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat im Zwischenstreit über die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs obsiegt.

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