OGH 3Ob109/09i

OGH3Ob109/09i22.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen Zorica D*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Sachwalterin Mag. Monika K*****, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis als Rekursgericht vom 24. Februar 2009, GZ 6 R 53/09z-24, womit der Rekurs der Sachwalterin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Braunau am Inn vom 22. Dezember 2008, GZ 4 P 25/08t-18, teilweise zurückgewiesen und dem Rekurs teilweise Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden im Umfang der Entscheidung über die von der Sachwalterin zu besorgende Angelegenheit „Personensorge" dahin abgeändert, dass die Angelegenheit „Personensorge" aus dem Bestellungsbeschluss entfernt wird.

Text

Begründung

Über Anregung der Bezirkshauptmannschaft B***** wurde ein Sachwalterschaftsverfahren eingeleitet.

Die Betroffene leidet als Folge ihrer fortgeschrittenen Erkrankung an multipler Sklerose an einem hirnorganischen Psychosyndrom. Aus dem vom Erstgericht eingeholten psychiatrischen Gutachten samt Ergänzungsgutachten geht hervor, dass die Betroffene pflegebedürftig, bettlägrig und vollständig inkontinent ist. Sie weist eine allgemeine Verlangsamung und die für eine fortgeschrittene multiple Sklerose typische Affektlabilität mit aggressiven Durchbrüchen auf. Bei der am 15. Dezember 2008 vor dem Erstgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung bezeichnete der Sachverständige die Betroffene als in der rein kognitiven Ebene nicht erheblich eingeschränkt. Sie sei aber nicht mehr in der Lage, bezüglich ihres Aufenthaltsorts einsichts- und urteilsfähig zu handeln. Heilbehandlungsmaßnahmen seien bisher problemlos verlaufen, sodass für diesen Aufgabenbereich eine Besachwalterung nicht notwendig sei. Hinsichtlich der Vertretung in Einkommens- und Vermögensangelegenheiten sowie im Verkehr mit Ämtern und Behörden werde eine Besachwalterung ausdrücklich befürwortet.

Die Betroffene selbst äußerte sich in der Verhandlung dahin, lieber sterben zu wollen, als in einem Pflegeheim untergebracht zu werden.

Unmittelbar nach der erstgerichtlichen Beschlussfassung erhielt die Betroffene in einem Bezirksalten- und Pflegeheim einen Fixplatz.

Das Erstgericht bestellte die Revisionsrekurswerberin unter Verwendung eines Formblatts zur Sachwalterin für folgende Angelegenheiten:

- Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern;

- Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten;

- Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen;

- Personensorge;

- Wahl des Wohn- bzw Aufenthaltsortes.

In dem vom Erstgericht verwendeten Formblatt ist als weitere zu besorgende Angelegenheit „Vertretung bei medizinischen Heilbehandlungen" enthalten. Dieses Feld kreuzte das Erstgericht nicht an.

Ferner verpflichtete das Erstgericht die Betroffene zum Ersatz der gesondert zu bestimmenden Verfahrenskosten.

Das Erstgericht begründete die Sachwalterbestellung mit dem vorliegenden Sachverständigengutachten, wonach feststehe, dass die Betroffene an einem hirnorganischen Psychosyndrom leide, welches sie im Rahmen ihrer Erkrankung an multipler Sklerose entwickelt habe. Sie sei in den genannten Bereichen daher nicht mehr in der Lage, ohne die Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu entscheiden.

Die Sachwalterin bekämpfte den Beschluss im Umfang der Wirkungskreise „Personensorge" und Wahl des Wohn- und Aufenthaltsorts sowie im Umfang der Kostenentscheidung.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Sachwalterin, soweit er sich gegen den Kreis der zu besorgenden Angelegenheiten (§ 268 Abs 3 Z 2 ABGB) richtete, zurück und sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Dem Rekurs bezüglich der Kostenentscheidung gab das Rekursgericht Folge und hob die Kostenentscheidung des Erstgerichts auf.

Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, dass die vom Erstgericht genannte Angelegenheit der „Personensorge" sich bereits aus § 282 ABGB ergebe, sodass die Sachwalterin unabhängig davon, ob die Angelegenheit im Bestellungsbeschluss aufscheine oder nicht, aufgrund der genannten Bestimmung verpflichtet sei, mit der behinderten Person in dem nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen Ausmaß persönlichen Kontakt zu halten. Von dieser Verpflichtung werde ein Sachwalter auch im Fall einer Unterbringung des Betroffenen in einem Pflegeheim nicht befreit. In einem solchen Fall könne lediglich das Ausmaß des persönlichen Kontakts geringer gehalten werden. Habe das Erstgericht eine jedenfalls vom Sachwalter zu erledigende Angelegenheit, nämlich die „Personensorge", in den Bestellungsbeschluss aufgenommen, obwohl sich diese Verpflichtung bereits aus dem Gesetz ergebe, so würden dadurch die rechtlichen geschützten Interessen der Sachwalterin nicht beeinträchtigt. Insoweit fehle daher der Sachwalterin die nötige Beschwer. Ihr Rechtsmittel sei zurückzuweisen.

Die Angelegenheit „Wahl des Wohn- und Aufenthaltsorts" bekämpfte die Sachwalterin in ihrem Rekurs ausschließlich dahin, dass diese Angelegenheit in die Angelegenheit „Zustimmung zur dauerhaften Wohnortveränderung" (ständige Unterbringung im Pflegeheim) abzuändern sei. In diesem Umfang wies das Rekursgericht den Rekurs - unangefochten - mit der Begründung zurück, dass die von der Rekurswerberin nunmehr angestrebte gerichtliche Genehmigung des dauerhaft geänderten Wohnorts einer eigenen gerichtlichen Genehmigung bedürfe. Darüber habe das Erstgericht zu entscheiden.

Die Sachwalterin beantragt mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs, mit welchem sie lediglich die Zurückweisung ihres Rekurses gegen die ihr übertragene Angelegenheit „Personensorge" bekämpft, die Entfernung dieser Angelegenheit aus dem ihr übertragenen Wirkungsbereich. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil es einer Klarstellung des Wirkungsbereichs der Sachwalterin bedarf.

Von der hier zu fällenden Entscheidung ist der im Bestellungsbeschluss zu bezeichnende Wirkungskreis des Sachwalters betroffen. Da der betroffenen Person gemäß der ausdrücklichen Anordnung in § 127 AußStrG im Bestellungsverfahren ein Rekursrecht zusteht, war der Betroffenen die Beantwortung des Revisionsrekurses freizustellen (§ 68 Abs 1 und 3 Z 3 AußStrG). Von dieser Möglichkeit machte die Betroffene keinen Gebrauch.

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Im Revisionsrekurs macht die Sachwalterin im Wesentlichen geltend, dass die Rechtsauffassung des Rekursgerichts mit der Entscheidung 5 Ob 54/06m im Widerspruch stehe. Aus dieser Entscheidung sei abzuleiten, dass eine Präzisierung jenes Kreises von Angelegenheiten im Bestellungsbeschluss zu erfolgen habe, die unter „Personensorge" fielen. Habe das Gericht erster Instanz unter „Personensorge" lediglich die in § 282 ABGB beschriebenen Verpflichtungen gemeint, wäre diese Angelegenheit in den Bestellungsbeschluss gar nicht aufzunehmen.

Dazu wurde erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass der Sachwalter legitimiert ist, im eigenen Namen ein Rechtsmittel zu erheben, wenn er - wie hier - geltend macht, dass der Umfang der ihm eingeräumten Rechte und Pflichten zu wenig deutlich beschrieben wurde (RIS-Justiz RS0008563). Die Rechtsmittelbefugnis der Revisionsrekurswerberin ist daher gegeben.

2. Vorauszuschicken ist ferner, dass das Rekursgericht - ungeachtet des Ausspruchs, dass der Rekurs der Sachwalterin, soweit er sich gegen den Kreis der zu besorgenden Angelegenheit richtet, zurückgewiesen werde - das Rekursvorbringen der Sachwalterin inhaltlich überprüfte und dabei zur Auffassung gelangte, dass unter der vom Erstgericht genannten Angelegenheit „Personensorge" die in § 282 ABGB beschriebenen Pflichten zu verstehen seien. Diese „Personensorge" habe der Sachwalter schon kraft Gesetzes, also ohne ausdrückliche Anführung im Bestellungsbeschluss, wahrzunehmen.

Der Oberste Gerichtshof ist daher schon aus diesem Grund berechtigt, die in Wahrheit meritorische Entscheidung des Rekursgerichts inhaltlich zu überprüfen. Darauf, ob und aus welchen Gründen im Außerstreitverfahren tatsächlich generell davon ausgegangen werden kann, dass die zu Unrecht erfolgte Zurückweisung eines Rekurses mangels Beschwer kein Hindernis für eine Entscheidung in der Sache selbst darstelle (4 Ob 218/98g = SZ 71/158; 7 Ob 266/98p; siehe auch RIS-Justiz RS0007051), muss daher nicht eingegangen werden.

3. Nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des KindRÄG 2001 (BGBl I 2000/135) verpflichtete § 282 ABGB jeden Sachwalter, die erforderliche Personensorge, insbesondere auch die ärztliche und soziale Betreuung, sicherzustellen, soweit das Gericht nichts anderes bestimmte. Grundsätzlich umfasste somit jede Sachwalterbestellung auch die Pflicht zur erforderlichen Personensorge, wenn der Sachwalter nicht im Einzelfall von dieser Verpflichtung teilweise oder zur Gänze befreit wurde (Stabentheiner in Rummel, ABGB³ §§ 280, 281, 282 Rz 3 mwN; RIS-Justiz RS0049114; 8 Ob 674/86).

4. Durch das KindRÄG 2001 wurde § 282 ABGB dahin geändert, dass die in Satz 2 enthaltene Formulierung („auch die erforderliche Personensorge") aus dem Gesetzestext eliminiert wurde. § 282 Abs 2 ABGB idF des KindRÄG 2001 regelte, dass der Sachwalter mit der behinderten Person persönlichen Kontakt zu halten und sich darum zu bemühen hat, dass der behinderten Person die gebotene ärztliche und soziale Betreuung gewährt wird.

Der Bericht des Justizausschusses (JA 366 BlgNR 21. GP 2) hielt dazu - abweichend von der RV - fest:

„Wünschen aus der Praxis ... folgend ... wird in Abs 2 klar gestellt, dass der Sachwalter - und zwar jedenfalls - mit der betroffenen Person persönlichen Kontakt zu halten hat. Weiters hat er sich darum zu bemühen, dass die gebotene ärztliche und soziale Betreuung der behinderten Person gewährt wird. Damit soll nicht der Aufgabenbereich des Sachwalters durch das Gesetz ausgedehnt, sondern vielmehr sicher gestellt werden, dass sich der Sachwalter - und zwar unabhängig von seinem Wirkungsbereich - in dieser Frage - etwa im Rahmen der persönlichen Kontakte - zu bemühen hat. Sofern dieser Bereich nicht ausdrücklich vom Wirkungsbereich des Sachwalters umfasst ist, kommen dem Sachwalter in diesem Bereich keine Vertretungsbefugnisse und keinesfalls Zwangsbefugnisse zu."

Die nun in § 282 Satz 1 idF des SWRÄG 2006 (BGBl I 2006/92) formulierte Verpflichtung des Sachwalters, in dem nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen Ausmaß persönlichen Kontakt mit der behinderten Person zu halten und sich um die gebotene ärztliche und soziale Betreuung der behinderten Person zu bemühen, entspricht im Wesentlichen der Fassung des § 282 Abs 2 ABGB durch das KindRÄG 2001. Festgeschrieben wurde in Satz 2 zusätzlich, dass der Kontakt mindestens einmal im Monat stattzufinden hat, sofern der Sachwalter nicht bloß zur Besorgung einzelner Angelegenheiten bestellt ist (ErläutRV BlgNR 1420, 22. GP 19).

5. Die in § 282 Abs 2 ABGB idF des KindRÄG 2001 bzw § 282 ABGB idF des SWRÄG 2006 vorgesehene „Bemühungspflicht" des Sachwalters trifft nach dem Wortlaut der Bestimmung und dem zitierten Justizauschussbericht jeden Sachwalter unabhängig von seinem Wirkungskreis, also auch den nur für eine einzelne Angelegenheit bestellten Sachwalter und insbesondere auch Sachwalter, in deren Wirkungskreis keine Angelegenheiten der Personensorge fallen (Stabentheiner in Rummel³, ErgBd § 282 Rz 3 mit Nachweisen aus dem Gesetzgebungsprozess; Barth/Dokalik in Barth/Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts, 144). Die in § 282 ABGB angesprochene, rein faktisch zu verstehende Bemühungspflicht allein gibt jedoch dem Sachwalter, wenn sein Wirkungskreis die ärztliche und soziale Betreuung bzw sonstige im Rahmen der Personensorge denkbare rechtliche Angelegenheiten nicht umfasst, keine Vertretungsbefugnis (Stabentheiner in Rummel³, ErgBd § 282 Rz 3; Schauer, Rechtssystematische Bemerkungen zum Sachwalterrecht idF KindRÄG 2001, NZ 2001, 275, 278 f; Barth/Dokalik aaO 144).

Es ist somit festzuhalten, dass ein Sachwalter nur dann zu rechtlichen Dispositionen über bestimmte persönliche Bereiche (worunter neben den in §§ 283 bis 284a ABGB ausdrücklich genannten auch eine Reihe weiterer Angelegenheiten zu zählen sind - Beispiele bei Barth/Dokalik aaO 141 ff) befugt ist, wenn sein Wirkungskreis diese Aufgaben umfasst. Aus der bloßen Verpflichtung des Sachwalters, der in § 282 ABGB angsprochenen „Bemühungspflicht" nachzukommen, ist keine Vertretungsbefugnis des Sachwalters abzuleiten.

6. Wegen der zu 5. beschriebenen Unterschiede zwischen der bereits von Gesetzes wegen bestehenden Bemühungspflicht des Sachwalters in tatsächlicher Hinsicht von rechtlich eingeräumten Dispostitionsbefugnissen, die nach gängiger Terminologie (s auch die Überschrift „d) Personensorge" vor den §§ 283 bis 284a ABGB) ebenfalls unter den Begriff der „Personensorge" fallen, wird zu Recht gefordert, dass der Umfang des dem Sachwalter im Rahmen der „Personensorge" übertragenen Wirkungskreises im Bestellungsbeschluss präzise zu bestimmen ist (5 Ob 54/06m = FamZ 2006/34 [Parapatits]; Schauer, Zur Bestellung eines Sachwalters ausschließlich für den Bereich der Personensorge, FamZ 2006, 19, Barth/Dokalik aaO 144 f). Dabei ist zu berücksichtigen, dass - anders etwa als bei der relativ klar abgrenzbaren Angelegenheit „Vermögensverwaltung" - eine Reihe ganz unterschiedlicher, häufig grundrechtsrelevanter Angelegenheiten die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen berühren können. Ist der Sachwalter - wie hier - nicht ohnedies mit der Besorgung aller Angelegenheiten iSd § 268 Abs 3 Z 3 ABGB betraut, wird daher nur eine präzise Umschreibung, welche konkreten Befugnisse dem Sachwalter in diesem Wirkungskreis zukommen, diesen in die Lage versetzen, seine Rechte und Pflichten verlässlich abzuschätzen. Daher hat das Gericht im Bestellungsbeschluss klarzustellen, ob dem Sachwalter unabhängig von der ihn jedenfalls treffenden faktischen Bemühungspflicht im Sinne des § 282 ABGB im Rahmen der Personensorge auch rechtliche Vertretungsbefugnis zukommt. Das muss nicht zwangsläufig dadurch geschehen, dass das Gericht jede einzelne denkbare Maßnahme im Bestellungsbeschluss aufzählt. Vielmehr wird die Nennung der Angelegenheit „Personensorge" im Bestellungsbeschluss, wenn sich zumindest aus der Begründung des erstgerichtlichen Beschlusses ergibt, dass dem Sachwalter in diesem Bereich sämtliche denkbaren Dispositionsbefugnisse zukommen sollen, ausreichend sein. Dabei ist allerdings zweckmäßig, aus Gründen der Klarstellung bereits im Spruch auf diesen Umstand hinzuweisen (etwa durch die Formulierung „... sämtliche die Personensorge betreffende Angelegenheiten").

7. Davon, dass das Erstgericht die Sachwalterin umfassend mit der Angelegenheit „Personensorge" betrauen wollte, kann aber hier keine Rede sein: Das Erstgericht nannte zwar im Bestellungsbeschluss einerseits die Personensorge ausdrücklich, übertrug aber andererseits der Sachwalterin nur eine unter „Personensorge" fallende Angelegenheit im Spruch seiner Entscheidung (Wahl des Wohn- bzw Aufenthaltsorts) und nahm eine weitere in diesen Bereich fallende Vertretungshandlung, nämlich die Vertretung bei medizinischen Heilbehandlungen, ausdrücklich aus, weil in dem vom Erstgericht verwendeten Formblatt gerade diese Angelegenheit nicht angekreuzt wurde. Aus dem Gesamtzusammenhalt der erstgerichtlichen Begründung, die sich insbesondere auf das eingeholte Sachverständigengutachten stützt, geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass das Erstgericht unter dem im Bestellungsbeschluss verwendeten Ausdruck „Personensorge" neben der Bestimmung des Aufenthaltsortes nur die in § 282 ABGB geregelten tatsächlichen Handlungen verstand, die der Sachwalter bereits von Gesetzes wegen zu besorgen hat. Mit weiteren oder gar allen Vertretungshandlungen im Bereich der „Personensorge" wollte hingegen das Erstgericht die Sachwalterin erkennbar nicht betrauen.

Zutreffend ist das Rekursgericht davon ausgegangen, dass die rein tatsächliche, in § 282 ABGB angesprochene Bemühungspflicht den Sachwalter aus den bereits dargelegten Gründen bereits von Gesetzes wegen, also auch ohne ausdrückliche Bestellung, dann trifft, wenn er - wie hier - zumindest zur Besorgung einer (hier: mehrerer) Angelegenheiten im Sinne des § 268 ABGB bestellt wurde. Zur Klarstellung, dass im konkreten Fall der Sachwalterin keine rechtlichen Dispositionsbefugnisse im Rahmen der Personensorge zukommen, war daher diese „Angelegenheit" ersatzlos aus dem Bestellungsbeschluss zu eliminieren; die rechtliche Dispositionsbefugnis bezüglich der Wahl des Wohn- bzw Aufenthaltsorts ist der Sachwalterin, deren Rekurs in diesem Umfang vom Rekursgericht rechtskräftig zurückgewiesen wurde, ohnedies ausdrücklich und rechtswirksam übertragen worden.

8. Auf die nicht einheitlich beantwortete Frage, ob die in § 282 ABGB normierte Bemühungspflicht zum ausschließlichen Gegenstand einer Sachwalterbestellung gemacht werden kann (verneinend Schauer, FamZ 2006/39 und FamZ 2006, 19; siehe auch Barth/Ganner in Barth/Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts 44; bejahend Zierl, Sachwalterrecht 53; Huter, Der Sachwalter und die Personensorge Ein Diskussionsbeitrag aus Sicht des Pflegschaftsrichters, FamZ 2006, 19 ff) muss nicht eingegangen werden, weil - anders als etwa im Anlassfall der Entscheidung 5 Ob 54/06m - hier die Sachwalterin ohnedies zur Besorgung einer Reihe der im § 268 Abs 3 ABGB genannten Angelegenheiten bestellt wurde und aus den bereits dargelegten Gründen die bloß „faktische Personensorge" dem Sachwalter in diesem Fall auch dann obliegt, wenn ihm keine rechtlichen Dispositionsbefugnisse in der Angelegenheit „Personensorge" übertragen wurden.

9. Daraus folgt zusammengefasst:

Will das Gericht dem mit einer Angelegenheit iSd § 268 Abs 3 Z 1 oder 2 ABGB betrauten Sachwalter im Rahmen der Angelegenheit „Personensorge" keine rechtliche Vertretungsbefugnis einräumen, hat eine gesonderte Anführung dieser „Angelegenheit" im Bestellungsbeschluss nicht zu erfolgen. Hat hingegen das Gericht die Absicht, den Sachwalter, sei es in den gesetzlich ausdrücklich als „Personensorge" bezeichneten Materien (medizinische Behandlung; Wohnortbestimmung), sei es in anderen diesen Bereich betreffenden Angelegenheiten, mit rechtlichen Vertretungsbefugnissen auszustatten, ist der Wirkungskreis im Hinblick auf die Vielzahl möglicher Angelegenheiten, die der Persönlichkeitssphäre eines Menschen zuordenbar sind und wegen der besonderen Bedeutung, die solchen Angelegenheiten zukommt, im Bestellungsbeschluss präzise zu formulieren. Davon kann nur abgesehen werden, wenn sich aus der Begründung des Bestellungsbeschlusses mit Deutlichkeit ergibt, dass dem Sachwalter in diesem Bereich sämtliche Angelegenheiten übertragen werden sollen.

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