OGH 15Os65/09m

OGH15Os65/09m24.6.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmid als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Patrick S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 24. Februar 2009, GZ 38 Hv 238/08d-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das in seinem Ausspruch über die Begehung der Anlasstaten (einschließlich der Zurechnungsunfähigkeit) und deren Subsumtion unberührt bleibt, im Ausspruch über die Unterbringungsanordnung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Betroffene auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Patrick S***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB eingewiesen.

Danach hat er am 1. Juli 2008 in Fieberbrunn unter dem Einfluss eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruht, nämlich einer schizoaffektiven Störung in Verbindung mit einem organischen Psychosyndrom

1./ die Polizeibeamten Markus S*****, Franz F*****, Roland W*****, Alexander C*****, Thomas T***** und Konrad W***** durch nachangeführte gefährliche Drohungen mit dem Tod an folgenden Amtshandlungen gehindert, und zwar

a./ durch die wiederholte Äußerung, er werde sie abstechen, wobei er ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von ca 20 cm in Richtung der Beamten hielt und in der Folge in zwei Tathandlungen zwei Küchenmesser mit einer ca 19 cm langen und einer ca 20 cm langen Klinge mit erhobenen Händen gegen die Beamten richtete und auf diese zuging, an der Durchführung von Sachverhaltserhebungen bezüglich angezeigter häuslicher Gewalt,

b./ durch die wiederholte Äußerung, er werde die Beamten abstechen, sollten sie sich nähern, am Einschreiten wegen der unter 2./ angeführten Sachbeschädigungen;

2./ Sachen, die der öffentlichen Sicherheit dienen, nämlich die vor dem Haus ***** geparkten Dienstfahrzeuge mit dem amtlichen Kennzeichen ***** und ***** beschädigt und unbrauchbar gemacht, indem er in die Fahrzeugreifen stach, mit einem Fleischerbeil die Scheiben des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen ***** einschlug, eine Gasflasche gegen dessen Motorhaube warf und mit dieser Gasflasche die Blaulichtbalken beider Dienstfahrzeuge beschädigte, wobei am Dienstfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ***** ein Schaden in Höhe von 6.477,37 Euro, an jenem mit dem amtlichen Kennzeichen ***** ein Schaden in Höhe von 1.535,17 Euro entstand;

3./ die zu 1./ angeführten Polizeibeamten durch die Äußerung „Das nächste Mal bringe ich einen um" gefährlich mit dem Tode bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen,

sohin Taten begangen, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind und außerhalb des angeführten Zustands als Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 zweiter Fall StGB (1./), als Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 und 7 StGB (2./) und als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (3./) zuzurechnen wären.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 (der Sache nach auch Z 11 erster Fall iVm Z 4) StPO gestützte, eine Aufhebung des gesamten Urteils begehrende Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, welche die in der Hauptverhandlung vom 17. Februar 2009 erfolgte (S 13 in ON 38) Abweisung des Antrags auf Enthebung der psychiatrischen Sachverständigen Dr. Karin T***** ihres Amtes wegen Befangenheit (S 3 und 7 in ON 38 iVm ON 37; siehe auch S 7 in ON 35) kritisiert, dies ua auch mit der Begründung, dass die genannte Sachverständige zugleich auch behandelnde Ärztin und Therapeutin des Betroffenen während dessen vorläufiger Anhaltung im psychiatrischen Krankenhaus Hall gewesen sei, sodass es ihr an der im Strafverfahren notwendigen Objektivität mangle.

Eine Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO muss sich auf einen Antrag beziehen, der einen für die Schuld- oder Subsumtionsfrage erheblichen Umstand betrifft; die Sanktionsfrage hingegen ist nicht Gegenstand der Verfahrensrüge (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 321 f). Soweit sich die Beschwerde auf den ihr im gegebenen Zusammenhang somit im Rahmen der Z 4 allein zugänglichen (auf das Gutachten der Sachverständigen gestützten) Ausspruch über die Zurechnungsunfähigkeit des Betroffenen bezieht, ist sie nicht zum Vorteil desselben ausgeführt (§ 282 StPO). Im Umfang der Bekämpfung des Ausspruchs über die Anlasstat war sie daher zurückzuweisen.

Die Beschwerde ist jedoch als Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall iVm Z 4) zulässig, weil sie sich der Sache nach auch auf einen gegen die (auf das Gutachten der Sachverständigen gestützte) Annahme eines auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustands und dessen Einfluss auf die Anlasstat gerichteten Antrag bezieht (vgl Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 21-25 Rz 9; RIS-Justiz RS0118581). Soweit die Antragsabweisung hingegen die Gefährlichkeitsprognose betrifft, ist sie nur mit Berufung bekämpfbar (WK2 Vorbem zu §§ 21 - 25 Rz 11).

Gemäß § 126 Abs 4 erster Satz StPO gelten für Sachverständige und Dolmetscher die Befangenheitsgründe des § 47 Abs 1 StPO sinngemäß. Demnach ist ein Sachverständiger ua dann befangen, wenn (andere) Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen (§ 47 Abs 1 Z 3 StPO). Dies ist dann der Fall, wenn eine Beeinträchtigung der unparteilichen Begutachtung zu befürchten ist. Dabei ist nicht erst eine tatsächliche Unfähigkeit zu unvoreingenommener sowie unparteilicher Dienstverrichtung maßgeblich, sondern es sind dies auch bereits jene äußeren Umstände, die geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler naheliegende Zweifel an der unvoreingenommenen und unparteilichen Sachverständigentätigkeit zu wecken (vgl Lässig in WK2, Vorbem zu §§ 43 - 47 Rz 5, § 43 Rz 10; Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 44).

Nach der - vom Erstgericht unberücksichtigt gebliebenen (S 13 in ON 38, US 15 f), daher vom Obersten Gerichtshof in freier Beweiswürdigung zur Feststellung der für die Antragsabweisung maßgeblichen Tatsachengrundlage (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 50 f) - heranzuziehenden Aktenlage ergibt sich ua auch, dass die Sachverständige Dr. T***** den Betroffenen während dessen im gegenständlichen Verfahren erfolgter mehrmonatiger vorläufiger Anhaltung im Psychiatrischen Krankenhaus Hall - wenngleich in die Behandlung des Genannten auch noch andere Ärzte eingebunden waren - als dort tätige Ärztin mitbetreut und -behandelt hat (vgl S 7 f und 41 in ON 35, S 3 in ON 37, S 7 f, 43 f und 49 f in ON 38).

Daraus ist aber abzuleiten, dass die Vernehmung Dris. T***** als Sachverständige einen Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden fairen Verfahrens geboten war, dargestellt hat.

Denn der Umstand, dass die Sachverständige den von ihr zu begutachtenden Betroffenen überdies über einen längeren Zeitraum als Ärztin therapeutisch behandelt hat, lässt bei einem objektiven Beobachter Zweifel an ihrer Unvoreingenommenheit als Sachverständige entstehen (vgl RIS-Justiz RS0098203; Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 42).

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war das angefochtene Urteil, das in seinem Ausspruch über die Begehung der Anlasstaten (einschließlich der Zurechnungsunfähigkeit) und deren Subsumtion unberührt bleibt (vgl Ratz, WK-StPO § 289 Rz 8), im Ausspruch über die Unterbringungsanordnung aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

Im weiteren Rechtsgang wird ein unbefangener Sachverständiger aus dem Gebiet der Psychiatrie (dessen Beiziehung bei der Hauptverhandlung, in der über einen Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB zu entscheiden ist, das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit vorsieht [§ 430 Abs 4 StPO]) zu bestellen sein.

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