Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von 1.865,60 EUR sA (1.500 EUR Schmerzengeld, 45,60 EUR Fahrtkostenersatz, 60 EUR Heilungskosten, 200 EUR Sachschadenersatz und 60 EUR Spesen) und die Unterlassung künftiger Körperverletzungen der Klägerin. Am 26. 5. 2007 habe der Beklagte - ihr Neffe - ein Bierglas gegen ihren Kopf geworfen und ihr anschließend mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Die Klägerin habe eine Gehirnerschütterung, eine Knieprellung mit Abschürfungen, eine Prellung des rechten Schläfen- und Stirnbereichs und am Kinn erlitten sowie anhaltende Schlafstörungen. Zum Schutze ihres Persönlichkeitsrechts auf körperliche Unversehrtheit bestehe ein Unterlassunganspruch. Die Wiederholungsgefahr sei indiziert, weil bereits ein rechtswidriger Eingriff erfolgt sei. Der Beklagte habe außerdem sowohl vor der Polizei als auch gegenüber Verwandten die Körperverletzung bestritten. Auch aufgrund der unmittelbaren Nachbarschaft der Streitteile müssten künftige Körperverletzungen hintangehalten werden. Die Klägerin bewertete ihr Unterlassungsbegehren mit 1.000 EUR.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die von der Klägerin aus den Rechtsmittelgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung, der unrichtigen Beweiswürdigung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhobene Berufung der Klägerin als unzulässig zurück. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei mangels eines tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhangs mit dem Zahlungsbegehren nicht zusammenzurechnen. In einem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang stünden nur die aus derselben Tat abgeleiteten Schadenersatzansprüche. Da eine Zusammenrechnung nicht stattfinde, keines der Begehren 2.000 EUR übersteige und die Klägerin keine gemäß § 501 Abs 1 ZPO zulässigen Rechtsmittelgründe geltend mache, sei die Berufung zurückzuweisen gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Klägerin ist zulässig, weil gegen einen Beschluss, mit dem das Berufungsgericht die Berufung zurückweist, der Rekurs ohne Rücksicht auf den Streitwert erhoben werden kann (RIS-Justiz RS0043893). Er ist auch berechtigt.
Der Rekurs gegen einen Beschluss, mit dem eine Berufung aus formellen Gründen gemäß § 519 Abs 1 ZPO zurückgewiesen wurde, ist nicht zweiseitig; die Rekursfrist beträgt 14 Tage (RIS-Justiz RS0043760).
Bei der Beurteilung der Frage, ob bei Anwendung des § 501 Abs 1 ZPO im Zusammenhang mit § 55 Abs 4 JN zwischen mehreren Ansprüchen des Klägers ein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang besteht, ist ausschließlich (arg „geltend gemachte Ansprüche" in § 55 Abs 1 JN) vom Vorbringen des Klägers auszugehen. Ob die entsprechenden Klagsbehauptungen zu einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang durch Feststellungen des Erstgerichts gedeckt sind oder nicht, ist daher für diese Frage unerheblich (RIS-Justiz RS0106795). An die vom Kläger vorgenommene Bewertung ist das Berufungsgericht, sofern keine offensichtliche Fehlbewertung vorliegt, gebunden (1 Ob 292/02a, RIS-Justiz RS0117339; RS0042469).
Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie allesamt aus demselben Klagesachverhalt angeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS-Justiz RS0042766). In diesem Zusammenhang ist nicht darauf abzustellen, welche Behauptungen unabdingbar sind, damit das Vorbringen noch schlüssig ist, sondern es kommt darauf an, ob die Begehren aus einem Sachverhalt abgeleitet werden, der als Einheit aufgefasst wird und dessen Kenntnis daher notwendig ist, um den Sachverhalt rechtlich richtig beurteilen zu können (6 Ob 80/03p; 4 Ob 152/02k).
Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass das Zahlungsbegehren mit dem Unterlassungsbegehren in einem tatsächlichen Zusammenhang steht, weil die Klägerin beide Begehren gegen den Beklagten aus ein und derselben Tathandlung (Körperverletzung am 26. 5. 2007) ableitet.
Da der Wert der zusammenzurechnenden Begehren den in § 501 Abs 1 ZPO genannten Betrag von 2.000 EUR übersteigt, ist eine Anfechtung des Ersturteils durch die Klägerin nicht nur wegen Nichtigkeit oder einer dem Urteil zugrunde liegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache zulässig. Zu Unrecht hat demnach die zweite Instanz die Berufung als unzulässig zurückgewiesen.
Dem Rekurs ist Folge zu geben. Das Berufungsgericht muss sich mit dem Rechtsmittel der Klägerin sachlich auseinandersetzen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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