OGH 17Ob7/09t

OGH17Ob7/09t12.5.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Handels-GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Heinz P*****, vertreten durch GKP Gabl Kogler Papesch Leitner Rechtsanwälte OG in Linz, wegen Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 33.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 13. Jänner 2009, GZ 2 R 236/08b-11, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 11. November 2008, GZ 18 Cg 147/08v-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen. Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Inhaberin der am 4. 10. 2006 angemeldeten Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 599816-0001 bis 599816-0010, die ein Küchenmesser („Universalmesser") in zehn verschiedenen Ausführungsvarianten schützen. Unter anderem ist das Universalmesser in einer Ausführung mit zwei Schliffen an der Ober- und Unterseite (Abbildung 1 im Anhang) geschützt. Dieses Messer ist Teil eines aus insgesamt elf verschiedenen Messern bestehenden Sets, das die Klägerin unter der Bezeichnung „Das blaue Wunder" in einer einheitlichen Verpackung (Abbildung 3 im Anhang) vertreibt.

Der Beklagte vertreibt im Inland auf Messen und Märkten unter der Bezeichnung „Shimomura Universalmesser-Set 11tlg" ein aus elf Messern bestehendes Set (Abbildung 4 im Anhang). Teil dieses Messersets ist ein Universalmesser (Abbildung 2 im Anhang). Der Geschäftsführer der Klägerin hat den Beklagten auf der Welser Messe am 7. 9. 2008 auf das von ihm vertriebene Universalmesser-Set angesprochen und dabei den Standpunkt vertreten, das Messerset des Beklagten ahme jenes der Klägerin unlauter nach und verletze deren Schutzrechte. Der Beklagte nahm Einsicht in Unterlagen zu den Gemeinschaftsgeschmacksmustern der Klägerin, setzte aber seine Vertriebstätigkeit fort.

Zur Sicherung ihres Anspruchs gegen den Beklagten auf Unterlassung weiterer Eingriffe in sein Gemeinschaftsgeschmacksmuster und weiterer unlauterer Handlungen beantragt die Klägerin, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, Messer, die keinen anderen Gesamteindruck erwecken als die Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin 599816-0001 bis 599816-0010, insbesondere das „Universal Messer-Set 11tlg" mit einem dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster 599816-0001 bis 599816-0010 gleichartigen „Universalmesser" in einer der Verpackung des Messersets „Das blaue Wunder" der Klägerin laut Anlage 1 zu dieser einstweiligen Verfügung verwechselbar ähnlichen Verpackung anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen. Der Gesamteindruck ihres geschützten „Universalmessers" werde von den charakteristischen Schliffen an der Ober- und Unterseite geprägt. Der Beklagte habe dieses prägende Merkmal bei einem der von ihm vertriebenen Messer nahezu unverändert übernommen und auch die übrigen Gestaltungselemente (Größe, Ausgestaltung des Griffs) weitestgehend beibehalten und verletze damit die Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin. Darüber hinaus handle er unlauter, weil er in schmarotzerischer Weise eine Verpackung verwende, die mit jener der Produkte der Klägerin nahezu identisch sei.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Die von den Streitteilen vertriebenen Messer und deren Verpackungen seien so unterschiedlich, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe. Der Beklagte vertreibe das beanstandete Produkt seit über 10 Jahren, also seit einem Zeitpunkt, in dem das Produkt der Klägerin noch gar nicht auf dem Markt gewesen sei. Obwohl die Klägerin diesen wertvollen Besitzstand des vom Beklagten verkauften Produkts gekannt habe oder habe kennen müssen, habe sie ihre Gemeinschaftsgeschmacksmuster bösgläubig angemeldet, um gegen Mitbewerber vorgehen zu können.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Für einen informierten Benutzer stimme das Messerset des Beklagten, insbesondere dessen Universalmesser, mit jenem der Klägerin optisch (charakteristische Schliffe, Größe, Griffgestaltung) nahezu völlig überein. Der Beklagte verletze damit das Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin. Auch biete er sein Produkt ohne Notwendigkeit in einer nahezu identischen Verpackung an, die offensichtlich jene der Klägerin bewusst nachahme. Damit liege Verwechslungsgefahr und ein Verstoß gegen §§ 1, 2 Abs 3 Z 1 UWG vor.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ein Geschmacksmuster werde durch ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt, soweit es neu sei und Eigenart habe. Ein Geschmacksmuster habe Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorrufe, von dem Gesamteindruck unterscheide, den ein anderes Geschmacksmuster bei diesem Benutzer hervorrufe, das der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei, und zwar im Fall eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen werde, vor dem Prioritätstag. Die Eigenart des Gemeinschaftsgeschmacksmusters sei zu bejahen, wenn keines der davor bekannten Geschmacksmuster alle prägenden Merkmale des Gemeinschaftsgeschmacksmusters aufweise oder wenn ein vorbekanntes Geschmacksmuster prägende Merkmale umfasse, die das Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht besitze. Trügen alle Merkmale in gleichem Maße zum Gesamteindruck bei, sei die Eigenart dann zu bejahen, wenn sich das Gemeinschaftsgeschmacksmuster und das vorbekannte Geschmacksmuster in mindestens einem Merkmal voneinander unterschieden. Der Umfang des Schutzes aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster erstrecke sich auf jedes Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erwecke. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein anderes Geschmacksmuster in den Schutzumfang des Gemeinschaftsgeschmacksmusters falle, sei deshalb der jeweilige Gesamteindruck zu ermitteln und zu vergleichen. Es komme nicht auf einen mosaikartig aufgespaltenen Vergleich von Einzelheiten an; maßgeblich sei vielmehr die Würdigung des Gesamteindrucks unter dem Blickwinkel, ob sich bei einer Gegenüberstellung zweier Formgebungen insgesamt der Eindruck einer Übereinstimmung ergebe.

Der Gesamteindruck der geschützten Messer werde von den charakteristischen Schliffen an der Ober- und Unterseite geprägt. Das vom Beklagten verkaufte Universalmesser weise gleichartige Schliffe an der Ober- und Unterseite auf, während die Unterschiede in Farbe und Form des Griffs, in Größe, Gewicht, Prägungen auf der Oberseite und Schliffdetails mit freiem Auge kaum erkennbar seien, weshalb dieses Messer den gleichen Gesamteindruck erwecke wie die durch die Gemeinschaftsgeschmacksmuster 599816-0002 und 599816-002 geschützten Messer der Klägerin.

Die Einrede fehlender Neuheit und/oder fehlender Eigenart eines Gemeinschaftsgeschmacksmuster sei zwar im Sicherungsverfahren grundsätzlich zulässig, doch ließen die Einwendungen des Beklagten zur behaupteten Vorbenutzung des von ihm vertriebenen Produkts nicht erkennen, zu welchem konkreten Zeitpunkt, von welchem konkreten Unternehmen und in welcher konkreten Weise die vom Kläger beanstandete Gestaltung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und damit den in der Europäischen Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des einschlägigen Wirtschaftszweigs iSd Art 11 Abs 2 GGV bekannt geworden sei. Für den Standpunkt des Beklagten sei aber auch dann nichts zu gewinnen, wolle man seine Einwendungen als schlüssig beurteilen: Diesfalls habe er seine Ausführungen nämlich nicht durch ein taugliches Bescheinigungsangebot glaubhaft gemacht, weil die angeführten Bescheinigungsmittel keinen konkreten Punkten des vorangestellten Vorbringens zuzuordnen seien. Der Sicherungsantrag sei daher, soweit er sich auf die Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin stütze, zutreffend bewilligt worden. Er sei aber auch berechtigt, soweit er sich - auf Grundlage des Lauterkeitsrechts - auf die vom Beklagten verwendete Verpackung beziehe. Gemäß § 2 Abs 3 Z 1 UWG gelte jegliche Vermarktung eines Produkts, die eine Verwechslungsgefahr mit einem Produkt eines Mitbewerbers begründe, als irreführend, wenn sie geeignet sei, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte; solche Geschäftspraktiken seien gemäß § 1 Abs 3 Z 2 UWG unlauter. Nach dem Erscheinungsbild der Verpackungen der Produkte der Streitteile in geöffnetem Zustand seien die Messer völlig gleich angeordnet. Messersets würden insbesondere auf Märkten oft nicht in verschlossenen Kartons präsentiert. Die vom Beklagten verwendete Verpackung sei jener der Klägerin verwechselbar ähnlich und damit geeignet, eine nicht unerhebliche Zahl von Konsumenten über die Herkunft der Messer zu täuschen. Einer näheren Auseinandersetzung mit der Gestaltung der Außenseite der Verpackung bedürfe es nicht. Soweit der Beklagte auch für die Verpackung die Priorität in Anspruch nehme, gelte sinngemäß das zum Produkt Gesagte, wonach er seiner diesbezüglichen Behauptungs- und Bescheinigungslast nicht hinreichend nachgekommen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 2 Abs 3 Z 1 UWG fehlt; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

1.1. Der Beklagte macht als Verfahrensmangel geltend, er habe den Einwand der Nichtigkeit des Gebrauchsmusters infolge mangelnder Neuheit ausreichend erhoben und dazu auch entsprechende Bescheinigungsmittel angeboten; eine Erörterung allenfalls unschlüssiger Einwendungen sei auch im Rekursverfahren unterblieben.

1.2. Ein Sachvorbringen ist schlüssig, wenn das Sachbegehren materiellrechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (4 Ob 274/01z mwN; 4 Ob 114/07d; RIS-Justiz RS0037516). Ein nicht ausdrücklich erstattetes Vorbringen kann nicht durch den bloßen Hinweis auf eine Beweisaufnahme ersetzt werden, daher auch nicht durch den Verweis auf Parteien-, Zeugen- oder Sachverständigenaussagen (RIS-Justiz RS0001252 [T13]).

1.3. Zum - im Sicherungsverfahren zulässigen (17 Ob 16/08i = RIS-Justiz RS0124157) - Einwand der Nichtigkeit des Gemeinschaftsgeschmacksmusters der Klägerin (hier: infolge fehlender Neuheit; vgl Art 4 Abs 1 GGV) hat der Beklagte nur vorgetragen, das als Eingriffsgegenstand beanstandete Produkt werde „seit über 10 Jahren in unveränderter Ausgestaltung am Markt vertrieben".

Mit diesem Sachvortrag hat der Beklagte die ihn im Sicherungsverfahren treffende Bescheinigungslast für rechtsvernichtende Einwendungen nicht erfüllt. Zutreffend hat das Rekursgericht ein Vorbringen dazu vermisst, wann welches Unternehmen wo und auf welche Weise die Messer erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Das solcherart unschlüssig gebliebene Vorbringen konnte nicht Gegenstand eines Bescheinigungsverfahrens sein; es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Beklagte dazu ausreichende Bescheinigungsmittel angeboten hat.

1.4. Eine Anleitung iSd § 182 ZPO (materielle Prozessleitung) zur Behebung von Inhaltsmängeln (wozu auch unschlüssiges Vorbringen zählt) ist im Sicherungsverfahren nicht erforderlich (E. Kodek in Angst, EO² § 389 Rz 5; Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung, § 378 Rz 1 je mwN). Eine Erörterung des Parteienvorbringens, um dem Antragsteller die Möglichkeit zu geben, sein Vorbringen zu ergänzen, kommt im Verfahren zur Erlassung von einstweiligen Verfügungen nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0005452 [T11]). Für die Einwendungen des Antragsgegners kann nichts anderes gelten. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

2. Den Eingriff in Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin stellt das Rechtsmittel nicht in Frage; auf die - zutreffende - Beurteilung des Rekursgerichts in diesem Punkt ist zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO; zum Prüfungsmaßstab vgl RIS-Justiz RS0120720, zuletzt 17 Ob 16/08i).

3.1. Der Beklagte bestreitet die Unterscheidungskraft und damit die Schutzfähigkeit der Verpackung des Produkts der Klägerin; auch stehe nicht fest, dass der Beklagte die eigene Verpackung in der verwerflichen Absicht gestaltet habe, damit Verwechslungen mit dem Produkt der Klägerin herbeizuführen. Eine Verpackung könne kein „Produkt" iSd § 2 Abs 3 Z 1 UWG sein.

3.2. Das Unterlassungsbegehren umfasst das Verbot, näher bezeichnete Messer in einer der Verpackung des näher bezeichneten Messersets der Klägerin verwechselbar ähnlichen Verpackung anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen. Dass die Verpackung ihres Messersets sondergesetzlich geschützt sei, hat die Klägerin nicht behauptet; ihr Anspruch ist daher insoweit nach lauterkeitsrechtlichen Maßstäben zu beurteilen.

3.3. Auf die am 6. 10. 2008 eingebrachte Klage ist das UWG idF nach der Nov 2007 anzuwenden. Soweit sich das Unterlassungsgebot auf die unbefugte Verwendung einer verwechselbar ähnlichen Verpackung bezieht, ist das beanstandete Verhalten am Tatbestand nach § 2 Abs 3 Z 1 UWG (Imitationsmarketing) zu messen.

3.4. Der Tatbestand der irreführenden Geschäftspraktik nach Punkt 13 des Anhangs zum UWG (Werbung für ein Produkt, das einem Produkt eines bestimmten Herstellers ähnlich ist, in einer Weise, die den Umworbenen absichtlich dazu verleitet, zu glauben, das Produkt sei von jenem Hersteller hergestellt worden, obwohl dies nicht der Fall ist) kommt hier nicht in Betracht, weil das Unterlassungsbegehren ganz allgemein auf ein Anbieten und In-Verkehr-Bringen, nicht hingegen auf den engeren Begriff eines als Werbung zu beurteilenden Verhaltens abstellt (vgl die Definition von Werbung in Art 2 lit a der RL 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung).

3.5.1. Als irreführende Geschäftspraktik gilt - wenn das Verhalten geeignet ist, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte - jegliche Vermarktung eines Produkts einschließlich vergleichender Werbung, die eine Verwechslungsgefahr mit einem Produkt oder Unternehmenskennzeichen eines Mitbewerbers begründet (§ 2 Abs 3 Z 1 UWG, Imitationsmarketing).

3.5.2. Unter Vermarktung (Marketing) ist jede Handlung zu verstehen, die der Absatzförderung eines Produkts dient (Gamerith, Wettbewerbsrechtlicher Kennzeichenschutz durch die RL-UGP, ÖBl 2008, 174, 177). Dem Absatz ist dienlich, was dem verständigen Verbraucher bei der Identifizierung eines Unternehmens oder von Produkten eines Unternehmens hilft. Auch Merkmale der Produktverpackung können daher rechtserhebliche Unterscheidungszeichen im Sinne einer Vermarktungspraktik sein und - im Fall herkunftstäuschender Nachahmung - unter den Tatbestand des Imitationsmarketings fallen (ebenso Fezer, Imitationsmarketing - die irreführende Produktvermarktung im Sinne der europäischen Lauterkeitsrichtlinie [Art 6 Abs 2 lit a RL], MarkenR 2006, 511, 514; Gamerith aaO; W. Schuhmacher, Die UWG-Novelle 2007, wbl 2007, 557, 563).

3.5.3. Die Unlauterkeit irreführender Vermarktungshandlungen iSd § 2 Abs 3 Z 1 UWG liegt in ihrer Eignung, beim Marktteilnehmer eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und ihn dadurch zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine Verpackung kann deshalb nur unter der Voraussetzung herkunftstäuschend nachgeahmt werden, dass ihr Vorbild beim Verbraucher eine Herkunftsvorstellung auslösen kann, also (wie bei der Fallgruppe der „vermeidbaren Herkunftstäuschung" nach dem UWG idF vor der Nov 2007; vgl RIS-Justiz RS0078169) wettbewerbliche Eigenart besitzt. Das ist dann der Fall, wenn dem Abnehmer aufgrund bestimmter Gestaltungen und Merkmale der Verpackung eine Unterscheidung von Verpackungen und damit von verpackt auf den Markt gebrachten gleichartigen Produkten anderer Hersteller möglich ist.

3.6. Im Anlassfall ist die von der Klägerin für ihr Messerset verwendete Verpackung unterscheidungskräftig im aufgezeigten Sinn, weil die 11 Messer in Gruppen zu fünf und sechs Stück auf ganz charakteristische Weise in zwei Lagen so übereinander angeordnet sind, dass bei geöffneter Verpackung sämtliche Griffstücke sichtbar sind. Die Verpackung ist damit geeignet, der Identifizierung des Unternehmens der Klägerin und von Produkten ihres Unternehmens zu dienen. Die Formgebung und das einprägsame System dieser Verpackung hat der Beklagte identisch übernommen.

Berücksichtigt man, dass Messersets wie jene der Streitteile auf Märkten und Messen üblicherweise in geöffneten Kartons angeboten werden (vgl auch Lichtbild Beil ./E), liegt die Irreführungseignung der vom Beklagten angewendeten Vermarktungspraktik auf der Hand. Auf allfällige Unterschiede in der grafischen Gestaltung der Verpackungsaußenseite kommt es damit hier nicht weiter an. Verkehrsgeltung ist - anders als nach § 9 Abs 3 UWG - kein Tatbestandselement des § 2 Abs 3 Z 1 UWG. Das Unterlassungsgebot ist damit auch in seinem auf die Verpackung des Messersets abstellenden Umfang berechtigt.

4. Zusammenfassend gilt:

Der Tatbestand nach § 2 Abs 3 Z 1 UWG (Imitationsmarketing) ist erfüllt, wenn eine Produktverpackung, die geeignet ist, beim Verbraucher eine Herkunftsvorstellung auszulösen (also wettbewerbliche Eigenart besitzt), herkunftstäuschend nachgeahmt wird.

5. Dem Revisionsrekus kann kein Erfolg beschieden sein.

6. Der Ausspruch über die Kosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten des Beklagten auf §§ 393 Abs 1 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1, § 52 ZPO.

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