OGH 9ObA97/07s

OGH9ObA97/07s17.12.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Erwin Blazek und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Walter L*****, vertreten durch Mag. Hans Teuchtmann, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. ÖBB-Infrastruktur Bau AG, 1010 Wien, Elisabethstraße 9, 2. ÖBB-Postbus GmbH, Prinz-Eugen-Straße 8-10, 1040 Wien, beide vertreten durch Kunz, Schima, Wallentin Rechtsanwälte KEG, Wien, wegen Feststellung (22.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. März 2007, GZ 10 Ra 131/06t-18, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 13. Jänner 2006, GZ 6 Cga 19/05i-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.308,38 EUR (darin 218,06 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist seit 1. 2. 1984 bei den österreichischen Bundesbahnen (kurz: ÖBB), zuletzt als Bahnbusfahrer beschäftigt. Am 30. 12. 2003 trat das Bundesbahnstrukturgesetz 2003 (BGBl I Nr 138/2003 - BBSG) in Kraft, das ua eine umfassende Änderung des Bundesbahngesetzes (BBG) aufgrund der Umstrukturierung der ÖBB vorsah. Eckpunkte dieser Umstrukturierung waren die Gründung einer im Eigentum des Bundes stehenden ÖBB Holding Aktiengesellschaft mit verschiedenen Tochter- und Enkelgesellschaften. Es erfolgte die Errichtung einer Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 1,9 Mrd EUR, die unter der Firma „Österreichische Bundesbahn-Holding Aktiengesellschaft" am 27. 4. 2004 zu FN 247642f ins Firmenbuch eingetragen wurde. Die Aufbringung des Grundkapitals erfolgte durch Einlage des Gesellschaftsanteils des Bundes an der ÖBB, der gemäß § 2 Abs 2 BBG mit dem buchmäßigen Eigenkapital der ÖBB gemäß der Bilanz zum 31. 12. 2003 in der Eröffnungsbilanz der „ÖBB-Holding-AG" anzusetzen ist. Die Holding hatte die Aufgabe, die ÖBB umzustrukturieren und die Anteilsrechte an den ÖBB auszuüben. Nach Durchführung diverser Abspaltungen wurde die mit dem Restvermögen ausgestattete Gesellschaft „ÖBB" mit Wirkung vom 31. 12. 2004 in eine Aktiengesellschaft unter der Firma „ÖBB-Infrastruktur Bau Aktiengesellschaft"/Erstbeklagte umgewandelt (§ 29 BBG). Die Zweitbeklagte wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 30. 6. 2004 gegründet und am 7. 7. 2004 ins Firmenbuch eingetragen. Aufgrund eines zwischen den Beklagten abgeschlossenen Betriebsführungsvertrags wird der Teilbetrieb „Bahnbus" seit 1. 1. 2005 von und im Namen und auf Rechnung der Zweitbeklagten geführt. Diese übt seit 1. 1. 2005 auch sämtliche Dienstgeberfunktionen gegenüber den beim „Bahnbus" Beschäftigten aus. Aufgaben der Zweitbeklagten sind Leistungen auf den Gebieten des Omnibusdienstes, des Taxigewerbes, der Kfz-Reparatur, der Erstellung von Fahrplänen für Dritte, der Betrieb von Werkstätten, der Handel mit und der Vertrieb von Waren und Dienstleistungen aller Art sowie die Vermarktung von Werbeflächen. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 3. 1. 2005 vom Dienstgeberwechsel von der Erst- auf die Zweitbeklagte verständigt; gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass mit 1. 1. 2005 die auf der Grundlage der mit 1. 5. 2004 in Kraft getretenen Vereinbarung vom 30. 4. 2004 geänderten Vertragsschablonen in Kraft treten. Damit kam es zu einer Änderung der Vertragsbedingungen für sämtliche bei der „ÖBB alt" und bei den abgespaltenen bzw ausgegliederten Teilbetrieben, beispielsweise bei der Zweitbeklagten beschäftigten Dienstnehmer. Es kann nicht festgestellt werden, welche konkreten Verschlechterungen der Kläger durch die Modifizierung der Vertragsschablonen erleidet.

Der Kläger begehrt mit der am 27. 1. 2005 eingebrachten Klage gegenüber der Erstbeklagten als Rechtsnachfolgerin der ÖBB die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis entgegen dem erklärten Betriebsübergang über den 1. 1. 2005 hinaus weiterhin aufrecht und die „Betriebsvereinbarung" vom 10. 12. 2004 ihm gegenüber unwirksam sei. Gegenüber der Zweitbeklagten begehrt er die Feststellung, dass mit ihr kein Dienstverhältnis bestehe; hilfsweise die Feststellung, dass durch den Betriebsübergang von der Erst- auf die Zweitbeklagte eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen im Sinn des § 3 Abs 6 AVRAG vorliege.

Im Wesentlichen stützt der Kläger seine Begehren darauf, dass die Erstbeklagte kraft Gesetzes aus den ehemaligen ÖBB hervorgegangen sei. Es sei nicht zu einem wirksamen Betriebsübergang auf die Zweitbeklagte gekommen. Durch den Betriebsübergang komme es zu wesentlichen Verschlechterungen der individuellen Arbeitsbedingungen. Durch das BBSG werde in einer verfassungswidrigen und EU-Recht-widrigen Weise in Dienstverträge eingegriffen. Für den Fall, dass ein wirksamer Betriebsübergang vorliege, erkläre der Kläger seinen Widerspruch gemäß § 3 Abs 4 AVRAG sowie nach der Betriebsübergangsrichtlinie und begehre die Feststellung einer Verschlechterung im Sinn des § 3 Abs 6 AVRAG.

Die Beklagten beantragten jeweils die Abweisung der ihrer Auffassung nach in vielen Bereichen unschlüssigen Klage. Am wirksamen Betriebsübergang auf die Zweitbeklagte könne kein Zweifel bestehen. Es seien auch weder die Voraussetzungen für einen Widerspruch gemäß § 3 Abs 4 AVRAG gegeben, noch sei es überhaupt durch den Betriebsübergang zu einer Verschlechterung des Dienstrechts gekommen. Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren ab. Rechtlich folgerte es, dass von einem Betriebsteilübergang und nicht nur einem bloßen Funktionsübergang von der Erstbeklagten auf die Zweitbeklagte auszugehen sei. Sowohl Personal als auch Betriebsmittel seien übernommen und der Betrieb fortgeführt worden. Der Kläger stehe daher ab 1. 1. 2005 in einem aufrechten Arbeitsverhältnis zur Zweitbeklagten. Alle behaupteten Änderungen des Dienstrechts des Klägers seien bereits vor dem Betriebsübergang erfolgt und daher nicht durch diesen bedingt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und erklärte die Revision für zulässig, weil zur Frage, unter welchen Bedingungen ein allgemeines Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nach § 3 AVRAG zu bejahen sei und welche Rechtsfolgen sich daran knüpfen, bisher nur vereinzelt Stellung genommen worden sei. Das Berufungsgericht verneinte auch die vom Kläger relevierten und in einen eigenen Anhang („Bescheidbeschwerde") zum Rechtsmittel mündenden verfassungsrechtlichen Bedenken samt Anregung einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs gemäß Art 89 Abs 2 B-VG.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit (einschließlich Bezugnahme auf die in der Berufung relevierte Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO) und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung „in den Hauptpunkten", in eventu im Eventualbegehren abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Schließlich wiederholt der Revisionswerber auch die bereits in zweiter Instanz gestellte Anregung gemäß Art 89 Abs 2 B-VG samt angeschlossener „Bescheidbeschwerde".

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO an einen Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht gebunden. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann er sich bei Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens der Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Der Oberste Gerichtshof hat zu allen auch in dieser Rechtssache maßgeblichen Rechtsfragen bereits in drei, ebenfalls die Neustrukturierung der Österreichischen Bundesbahnen betreffenden Vorentscheidungen (9 ObA 73/07m, 8 ObA 31/07b und 8 ObA 32/07z) ausführlich Stellung bezogen und in der Folge bereits eine gleichgelagerte Revision mangels erheblicher Rechtsfragen zurückgewiesen (8 ObA 33/07x). Wenngleich es sich in diesen Verfahren um gesetzlich geregelte Abspaltungsvorgänge handelte, sind die dort aufgezeigten Erwägungen auch auf den vorliegenden Fall eines vertraglichen Betriebsübergangs, an dem nicht zu zweifeln ist, anwendbar. Da in diesen Rechtssachen die jeweiligen Kläger überdies denselben, auch den jetzigen Kläger vertretenden Rechtsanwalt als Rechtsmittelverfasser bevollmächtigt haben, ist es entbehrlich, diese - auch im RIS im Volltext abrufbaren - Vorentscheidungen hier nochmals in extenso wiederzugeben und sich mit den im Rechtsmittel aufgeworfenen Argumenten erneut auseinanderzusetzen. Dies gilt auch für die bereits in den Vorverfahren erfolgten (und dort gleichfalls schon vom Obersten Gerichtshof verworfenen) Anregungen einer Befassung des Verfassungsgerichtshofs nach Art 89 Abs 2 B-VG. Dass diese Entscheidungen im Zeitpunkt der Revisionserhebung noch nicht vorlagen (und daher zum damaligen Zeitpunkt die Erheblichkeit einer Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO vorlag), hindert die nunmehrige Zurückweisung der Revision nicht, weil nach ständiger Rechtsprechung die Zulässigkeitsvoraussetzungen auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gegeben sein müssen (RIS-Justiz RS0112921, RS0112769; 5 Ob 90/07g), es also auf den Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof als maßgeblich ankommt (8 ObA 33/07x; 3 Ob 7/00a). Als Begründung für eine, wie er meint, zum Widerspruch berechtigende Verschlechterung beruft sich der Kläger auch hier einerseits auf nicht durch den Betriebsübergang bedingte Änderungen des Dienstvertrags, andererseits auf auch nicht annähernd konkretisierte Nachteile im neuen Betrieb. Ist aber der Betriebsübergang zur Zweitbeklagten wirksam geworden, fehlt es auch dem nur gegenüber der Erstbeklagten erhobenen Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit der „Betriebsvereinbarung" vom 10. 12. 2004 an einem aktuellen rechtlichen Interesse. Auch die übrigen relevierten Revisionsgründe (Mangelhaftigkeit, Aktenwidrigkeit) implizieren keine erhebliche Rechtsfrage, was gemäß § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO (ebenfalls) keiner weitergehenden Begründung bedarf.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG, §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, weshalb die Kosten der Revisionsbeantwortung als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich anzusehen sind.

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