OGH 4Ob134/08x

OGH4Ob134/08x18.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** verstorbenen Elisabeth Maria W*****, geboren am *****, zuletzt wohnhaft in *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Nachlassgläubiger 1. Dr. Brigitte B*****, 2. Dr. Rainer T*****, beide Rechtsanwälte in W*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 13. März 2008, GZ 25 R 54/07d-67, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 27. Juni 2007, GZ 12 A 76/06m-38, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird in seiner Entscheidung über den Separationsantrag (Punkte 3. - 5.) dahin abgeändert, dass insoweit die Entscheidung des Erstgerichts (Punkte 3. - 5.) wiederhergestellt wird.

Die Revisionsrekurswerber haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorbene Erblasserin hinterließ ihre Mutter und zwei Söhne. Ihre Ehe wurde rechtskräftig geschieden; zum Zeitpunkt ihres Todes waren zwischen ihr und ihrem geschiedenen Gatten, dem Vater ihrer Söhne, ein Verfahren wegen Unterhalt sowie ein weiteres wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse anhängig, in denen die Erblasserin von den Rechtsmittelwerbern vertreten wurde.

Die Rechtsmittelwerber meldeten im Verlassenschaftsverfahren eine restliche Honorarforderung in Höhe von 54.455,87 EUR als Forderung gegen den Nachlass an und beantragten Verlassenschaftsseparation gemäß § 812 ABGB, Bestellung eines Verlassenschaftskurators und Inventarisierung des Nachlasses (ON 6). Als Nachlassgläubiger seien sie zur Antragstellung legitimiert. Im Hinblick auf die weitgehende Einkommens- und Vermögenslosigkeit der Söhne der Erblasserin als gesetzliche Erben und den Umstand, dass diese zu ihrem Vater in einem Abhängigkeitsverhältnis stünden, sei zu befürchten, dass die Söhne auf eine Fortführung der anhängigen Verfahren und damit auf berechtigte Forderungen des Nachlasses (allein der Aufteilungsanspruch betrage rund 100.000 EUR) verzichten könnten, wodurch der Haftungsfonds für Nachlassforderungen geschmälert würde.

Beide Söhne (der jüngere, damals noch minderjährige Sohn vertreten durch seinen Vater) sprachen sich gegen eine Nachlassseparation aus.

Das Erstgericht bewilligte - soweit für das Revisionsrekursverfahren von Bedeutung - die Separation des Nachlasses vom Vermögen der Söhne als gesetzliche Erben (Punkt 3.), bestellte einen Separationskurator (Punkt 4.) und ordnete die Anmerkung der Nachlassseparation betreffend eine in die Verlassenschaft fallende Liegenschaft an (Punkt 5.). Die Antragsteller hätten ihre Gläubigerstellung ausreichend bescheinigt und die Gefahr einer Schmälerung des Nachlassvermögens durch einen möglichen Verzicht auf Ansprüche der Erblasserin gegen ihren geschiedenen Gatten aufgezeigt.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss infolge Rekurses der Söhne als erbantrittserklärte Erben in seinen Punkten 3. - 5. dahin ab, dass es die Anträge auf Nachlasseparation und Bestellung eines Separationskurators abwies sowie anordnete, die Anmerkung der Nachlassseparation nach Rechtskraft seines Beschlusses zu löschen; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei. Nach der Aktenlage bestehe das Nachlassvermögen im Hälfteeigentum an einer Liegenschaft und einem Guthaben von 38,94 EUR auf einem Girokonto. Mittels Nachlassseparation solle das im Zeitpunkt des Todes des Erblassers vorhandene Vermögen gesichert und dessen Verringerung verhindert werden. Die Antragsteller verfolgten demgegenüber die erkennbare Absicht, die anhängigen Verfahren zur Vermehrung des Nachlassvermögens fortzuführen, was kein Grund für eine Nachlassseparation sei. Die bloße Einkommenslosigkeit der Erben begründe überdies keine eine Absonderung rechtfertigende ausreichende Besorgnis der Gefährdung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist zulässig, weil das Rekursgericht in korrekturbedürftiger Weise von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen ist; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen geltend, ihr Separationsantrag diene dazu, bestehendes Nachlassvermögen zu erhalten und die Gefahr dessen Verringerung durch Vermengung mit dem Vermögen der gesetzlichen Erben hintan zu halten. Auch die Ansprüche der Erblasserin, die sie mit den im Zeitpunkt ihres Ablebens anhängigen Verfahren verfolgt habe, seien ein Vermögenswert, der durch den Separationsantrag vor nachteiligen Verfügungen geschützt werden solle.

1.1. Die im Gesetz nicht näher geregelten Voraussetzungen der Nachlassabsonderung gemäß § 812 ABGB wurden durch Richterrecht präzisiert. Ihre Bewilligung unterliegt keinen strengen Bedingungen; gemäß dem Gesetzeswortlaut genügt nach ständiger Rechtsprechung die subjektive Besorgnis von Gläubigern in Ansehung der Einbringlichkeit ihrer Forderungen, allerdings müssen die Umstände angegeben werden, auf die sich eine solche gründen soll (Sailer in KBB² § 812 Rz 4 mN).

1.2. Die Vermengung des Nachlasses mit dem Vermögen des Erben ist nicht der einzige Fall einer Gefährdung, dem durch Nachlassseparation begegnet werden kann (RIS-Justiz RS0013076); eine solche Maßnahme ist ferner auch bei einem bloß aus Liegenschaften bestehenden Nachlass möglich (RIS-Justiz RS0013093). Zur Rechtfertigung des Anspruchs auf Nachlassabsonderung genügt jede vernünftigerweise verständliche Besorgnis, der Erbe könnte den Nachlass als Deckungsfonds für Nachlassforderungen schmälern (RIS-Justiz RS0013049 [T4]). Eine solche Besorgnis muss aber, wenn auch nicht bescheinigt (RIS-Justiz RS0013068), so doch schlüssig behauptet werden (4 Ob 374/97x). Die abstrakte Möglichkeit von Verfügungen des Erben ist in jedem Fall gegeben und rechtfertigt für sich allein noch nicht die Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen der Erben (RIS-Justiz RS0013072).

1.3. Nach § 531 ABGB gehören auch Forderungen des Erblassers zum Nachlassvermögen. Darunter fallen auch dessen Unterhaltsforderungen, die noch zu seinen Lebzeiten fällig wurden (Welser in Rummel, ABGB³ § 531 Rz 8; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, EheG § 77 Rz 1 je mwN).

1.4. Die Inventarisierung des Nachlassvermögens dient nur Zwecken des Verlassenschaftsverfahrens (RIS-Justiz RS0006465) und hat das Ziel, dieses Verfahren nicht durch weitläufige Verhandlungen über die Frage nach der Richtigkeit in Betracht kommender Forderungen der Verlassenschaft zu belasten (vgl zum umgekehrten Fall von Forderungen gegen die Verlassenschaft RIS-Justiz RS0006465 [T2]). Deshalb sind bestrittene Forderungen des Nachlasses in das Inventar nur aufzunehmen, wenn deren Bestand bescheinigt ist (RIS-Justiz RS0007867, RS0007841 [T2]).

2. Aus dem Akteninhalt ergibt sich ein naheliegender Grund, warum allfällige Unterhaltsforderungen der Erblasserin sowie deren allfälliger nachehelicher Aufteilungsanspruch gemäß §§ 81 ff EheG, die sie jeweils gerichtlich geltend gemacht hatte, nicht in das Inventar (ON 54) aufgenommen worden sind. Beide Söhne der Erblasserin, die seinerzeit als Erben in Betracht gekommen waren und später je zur Hälfte in den Nachlass ihrer Mutter „unter Aufrechterhaltung der Absonderung des Nachlasses vom Vermögen der Erben" eingeantwortet wurden (ON 68), hatten erklärt, die anhängigen Verfahren aus Gründen der Aufrechterhaltung des „Familienfriedens" nicht fortführen zu wollen (ON 9, 10, 35).

3.1. Die Rechtsmittelwerber haben ihren Antrag auf Nachlassabsonderung mit der weitgehenden Einkommens- und Vermögenslosigkeit der gesetzlichen Erben begründet; es sei insbesondere zu befürchten, dass die Verlassenschaft im Fall einer Vermögensvermengung wesentliche Vermögenswerte durch einen Verzicht der Erben auf Fortführung der zwei von der Erblasserin eingeleiteten Verfahren gegen ihren vormaligen Ehemann, den Vater der beiden Erben, verlieren könnte. Das Rekursgericht hat dies unzutreffend als Absicht gedeutet, eine „Vermehrung" des Nachlassvermögens bewirken zu wollen.

3.2. Richtigerweise ist aus dem Separationsantrag das Bestreben der Rechtsmittelwerber erkennbar, eine Verringerung des Nachlassvermögens und damit des Haftungsfonds der Erbschaftsgläubiger hintanzuhalten (was nach zutreffender Auffassung des Rekursgerichts als Grund einer zulässigen Separation ausreicht). Weshalb (behauptete) Forderungen der Erblasserin, die im Zeitpunkt ihres Ablebens streitverfangen waren, keinen Teil ihres (absonderungsfähigen) Nachlassvermögens bilden könnten, ist nach der zuvor erörterten Rechtslage nicht ersichtlich.

3.3. Ob und bejahendenfalls auf welche Weise die angeführten Verfahren über behauptete Forderungen der Erblasserin allenfalls schon beendet worden sind, ist dem Verlassenschaftsakt nicht zu entnehmen. Ließen sich jene Verfahren aus prozessualen Gründen nicht mehr fortführen, so bestünde nicht mehr bloß die Besorgnis einer Verringerung des Befriedigungsfonds für die von den Separationswerbern behauptete Forderung, sondern eine solche Verringerung wäre nach der für eine Nachlassabsonderung maßgebenden Beurteilungsgrundlage bereits eingetreten, kann doch nach dem Akteninhalt nicht unterstellt werden, dass die noch zu Lebzeiten der Erblasserin gerichtlich geltend gemachten Ansprüche jedenfalls insgesamt unberechtigt waren.

Solche Ansprüche bloß wegen der Aufrechterhaltung des „Familienfriedens" nicht weiter verfolgen zu wollen, sagt nichts über die Anspruchsberechtigung an sich aus. Wäre eine Verringerung des Nachlassvermögens insofern bereits eingetreten, so muss den Separationswerbern hier wenigstens die Möglichkeit eines Zugriffs auf das in den Nachlass gefallene Liegenschaftsvermögen der Erblasserin gesichert werden, sobald sie über einen rechtskräftigen Titel für die behauptete und im Nachlassverfahren - jedenfalls dem Grunde nach - bescheinigte Honorarforderung verfügen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 185 AußStrG.

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