OGH 2Ob156/08t

OGH2Ob156/08t13.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang T*****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei S*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Johannes Liebmann, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wegen 97.440,54 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 11. April 2008, GZ 3 R 41/08m-24, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 21. Jänner 2008, GZ 21 Cg 30/07i-19, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.132,64 EUR (darin 355,44 EUR USt enthalten) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Kläger wurde am 16. 2. 1999 im L*****krankenhaus-***** operiert. Er begehrte mit der wesentlichen Begründung, bei der Operation sei ein Behandlungsfehler bzw davor ein Aufklärungsfehler unterlaufen, wodurch er in der Folge erhebliche Beschwerden gehabt habe, Zahlung von 97.440,54 EUR sA und die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftigen Schäden aus der Fehlbehandlung. Dem Kläger stehe ein Schmerzengeld und ein Ersatz für die psychische Alteration von insgesamt 50.000 EUR zu, er habe einen Verdienstentgang von 43.167,29 EUR erlitten, der Rest des Zahlungsbegehrens entfällt auf weitere durch die behauptete Fehlbehandlung verursachte Aufwendungen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen der von der Beklagten eingewendeten Verjährung ab.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache ua wegen fehlender Feststellungen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es verneinte die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche.

Das Berufungsgericht sprach aus, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, und begründete dies wie folgt: Es komme zwar bei der Frage des Ausmaßes der Erkundigungspflicht des Geschädigten über den die Verjährungsfrist auslösenden Sachverhalt immer auf die Umstände des Einzelfalls an; allerdings liege unterschiedliche höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Bestehen und zu den Voraussetzungen einer Verpflichtung zur Einholung eines Privatgutachtens vor, die noch nicht vereinheitlicht sei. Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, das abweisende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Der Kläger beantragt in der Rekursbeantwortung, den Rekurs mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist wegen des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Die Zurückweisung eines Rekurses wegen des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO). Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte mache die Unterlassung der Einholung eines Privatgutachtens dem Kläger gar nicht zum Vorwurf. Eine Verpflichtung dazu setze nämlich nach der Rechtsprechung zum einen die Evidenz der Beweisbarkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen ausschließlich durch ein Sachverständigengutachten voraus und zum anderen die Zumutbarkeit des damit verbundenen Kostenrisikos für den Geschädigten. Die in diesem Zusammenhang beweispflichtige Beklagte (RIS-Justiz RS0034456) habe dazu aber keine Behauptungen aufgestellt. Angesichts dessen, dass der Kläger im relevanten Zeitraum Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe bezogen habe, wäre wohl die Zumutbarkeit der Tragung des Kostenrisikos eines Privatgutachtens zu verneinen.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts bewegen sich durchaus im Rahmen der bestehenden oberstgerichtlichen Rechtsprechung:

Das Berufungsgericht hat sich selbst maßgeblich auf die Entscheidung 7 Ob 322/04k gestützt, in der unter Zitierung zahlreicher Vorjudikatur des Obersten Gerichtshofs ausgeführt wird: Die Erkundigungspflicht des Geschädigten dürfe nicht überspannt werden. Als eine solche Überspannung der Nachforschungspflicht werde in ständiger Judikatur regelmäßig die Verpflichtung des Geschädigten angesehen, bei sonstigem Beginn der Verjährungsfrist ein privates Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben, um fehlende anspruchsbegründende Umstände aufzuklären. Abweichend von dieser Regel sei in einigen Entscheidungen allerdings in besonderen Ausnahmesituationen die Einholung von Sachverständigenrat bis hin zur Einholung von Privatgutachten gefordert worden, allerdings nur bei Evidenz der Beweisbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen ausschließlich durch eine solche Maßnahme und der Zumutbarkeit des betreffenden Kostenrisikos. Es sei betont worden, dass es bei dieser Frage bzw grundsätzlich bei der Frage des Ausmaßes die Erkundigungspflicht des Geschädigten über den die Verjährungsfrist auslösenden Sachverhalt immer auf die Umstände des Einzelfalls ankomme (RIS-Justiz RS0113916, RS0034327) und keine über diesen hinausgehende Bedeutung gegeben sei.

Die Entscheidung 6 Ob 116/07p (in der Begründung des berufungsgerichtlichen Zulassungsausspruchs offenbar irrtümlich mit „6 Ob 117/07t" bezeichnet) bekräftigt die Grundsätze der Entscheidung 7 Ob 322/04k.

Es liegt somit zu der vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage bereits hinreichend oberstgerichtliche Rechtsprechung vor, von der das Berufungsgericht nicht abgewichen ist. Die vom Berufungsgericht aufgezeigte Rechtsfrage ist daher nicht erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.

Auch die weitwendigen Rekursausführungen der Beklagten, die teilweise nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehen, zeigen keine erhebliche Rechtsfrage auf: Die Rekurswerberin bringt vor, zu den Voraussetzungen einer Verpflichtung zur Kontaktierung der Schlichtungsstelle der Ärztekammer, um dadurch kostenfrei zur Einholung eines medizinischen Gutachtens für die positive Kenntnis vom medizinischen Sachverhalt zu gelangen, gebe es keine oberstgerichtliche Judikatur.

Dazu ist der Rekurswerberin schon die Ausführung des Berufungsgerichts entgegenzuhalten, dass sie gar nicht behauptet hat, dem Kläger sei die Möglichkeit, sich an die Schlichtungsstelle zu wenden, bekannt gewesen. Nur diesfalls könnte dem Kläger nach Ansicht des Berufungsgerichts der Vorwurf gemacht werden, derartige Einrichtungen nicht in Anspruch genommen zu haben. Die Kenntnis jedermanns von diesen Einrichtungen könne keinesfalls als offenkundig angesehen werden, sodass es dazu einer entsprechenden Behauptung und eines Beweises durch die Beklagte bedurft hätte.

Da vor der festgestellten Anrufung der Schlichtungsstelle der Ärztekammer im Jahr 2006 durch den Kläger seine Kenntnis von dieser Einrichtung weder von der Beklagten behauptet noch von den Vorinstanzen festgestellt wurde, stellt sich die von der Rekurswerberin relevierte Rechtsfrage nicht.

Mangels aufgezeigter erheblicher Rechtsfragen gemäß § 502 Abs 1 ZPO war der Rekurs zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage Zulässigkeit eines verneinten Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS-Justiz RS0123222).

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