OGH 15Os133/08k

OGH15Os133/08k13.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eilenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hans-Peter H***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 2. April 2008, GZ 19 Hv 2/08k-48, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Mag. Loacker zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die verhängte Freiheitsstrafe auf 7 (sieben) Jahre erhöht. Hingegen wird der Berufung des Angeklagten nicht Folge gegeben. Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hans-Peter H***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall und Abs 4 Z 3 SMG als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB (I./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (II./) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Vorarlberg

„I./ im Zeitraum Frühjahr/Sommer 2006 dazu beigetragen, dass der Drogenlieferant Julien B***** in Costa Rica im Zeitraum Mai bis Juli 2006 Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich insgesamt ca 12 Kilogramm Kokain im Zuge von drei grenzüberschreitenden Transporten per Luftpost aus Costa Rica nach Österreich (Flughafen Wien-Schwechat) vorschriftswidrig aus- und einführte, indem er (die mittlerweile bereits rechtskräftig verurteilten) Johannes F***** und Josef O***** dazu anwarb bzw bewog, ihre Wohnanschriften in B***** bzw D***** als Zustelladresse zur Verfügung zu stellen und die im Postweg einlangenden Kokainpakete zu übernehmen;

II./ im Zeitraum 2004 bis Herbst 2006 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich insgesamt ca 8,45 Kilogramm Kokain durch Verkäufe und Übergaben an die Abnehmer/Übernehmer Gottfried K*****, Michaela und Christopher P*****, Ronald M***** und Gerhard G*****, einem anderen überlassen; III./ im Zeitraum Sommer 2005 bis Mai 2007 vorschriftswidrig Suchtgift erworben und besessen und zwar unerhobene Mengen Kokain aus Inlandsbezügen konsumiert, wobei er die Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen hat."

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen Schuldspruch I./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gegründete Nichtigkeitsbeschwerde (ON 55) des Angeklagten. Ihr kommt keine Berechtigung zu.

Eingangs ist festzuhalten, dass der durch die SMG-Novelle 2007 neu eingeführte Tatbestand des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 SMG im Wesentlichen eine selbständige Qualifikation des Grundtatbestands nach § 27 Abs 1 Z 1 SMG darstellt. Diese quantitätsmäßig definierte Delikt ist erfüllt, sobald der Täter mehr als die Grenzmenge Suchtgift erzeugt, ein- oder ausführt oder einem anderen anbietet, überlässt oder verschafft (12 Os 48/08p).

Die Deliktsvarianten der Ein- und Ausfuhr von Suchtgift (§ 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG) entspricht § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall SMG aF, jene des Überlassens (§ 28a Abs 1 fünfter Fall SMG) entspricht § 28 Abs 2 vierter Fall SMG aF. Der Unterschied zwischen nunmehr in Geltung stehender, um den Begriff des „Anbietens" erweiterter Fassung und jener der Bestimmung des § 28 Abs 2 SMG aF liegt allein darin, dass nunmehr das Tatbild erfüllt, wer Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge in Verkehr setzt, während früher tatbildlich handelte, wer ein Suchtgift „in einer großen Menge" in Verkehr setzte. Im Übrigen sind die Bestimmungen des § 28a Abs 1 und Abs 4 Z 3 SMG deckungsgleich mit ihren Vorgängerbestimmungen.

Nach ständiger und gefestigter Judikatur standen die Bestimmungen des § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall SMG aF mit § 28 Abs 2 vierter Fall SMG aF in echter Realkonkurrenz. Der Unrechtsgehalt des Überlassens von Suchtgift betrifft das in der tatsächlichen Einräumung von Gewahrsam an Suchtmitteln liegende Gefahrenpotenzial einer drohenden schädlichen Einwirkung auf die Gesundheit von Menschen, während jener der Aus- und Einfuhr von Suchtgift das besondere Gefahrenmoment eines grenzüberschreitenden Verkehrs mit Suchtmitteln eigenständig und ungeachtet der Weiterleitung des Suchtgifts an potentielle Konsumenten erfasst (RIS-Justiz RS0118871, RS0114037 und RS0111410).

Der unter Berufung auf eine im wissenschaftlichen Schrifttum vertretene Meinung (Hinterhofer in Hinterhofer/Rosbaud, SMG § 27 Rz 83 f) argumentierenden Subsumtionsrüge, die Tathandlung des (vorschriftswidrigen) Überlassens des Suchtgifts an andere (§ 28a Abs 1 fünfter Fall SMG) verdränge - infolge Konsumtion - „die übrigen Alternativen" des § 28a Abs 1 SMG (der Sache nach Z 9 lit a) ist zu erwidern, dass der Oberste Gerichtshof infolge der dargestellten Gleichheit im relevanten Umfang der in Geltung stehenden Bestimmungen mit jenen der früheren Fassung des Suchtmittelgesetzes der Oberste Gerichtshof keine Veranlassung sieht, von der erwähnten einhelligen jüngeren Rechtsprechung abzugehen.

Überdies beruft sich Hinterhofer (in Hinterhofer/Rosbaud, SMG § 28 Rz 99, inhaltlich entsprechend § 27 Rz 83 f) in Betreff der von ihm favorisierten Scheinkonkurrenzlösung zu Unrecht auf 12 Os 111/81, welche Entscheidung vielmehr im Herstellen, Verarbeiten, Erwerben, Besitzen und Überlassen von Suchtgift bloß gleichwertige Alternativen ein- und derselben strafbaren Handlung erblickt hatte, womit die Frage einer Scheinkonkurrenz gar nicht in Betracht kommen konnte (Ratz in WK² Vorbem §§ 28 bis 31 Rz 81 f; Kienapfel/Höpfel AT I² E 8 Rz 77; 13 Os 112/07f).

Das weitere Vorbringen des Angeklagten, ihm könne der Beitrag zur Aus- und Einfuhr von 12 Kilogramm Kokain (auch) deshalb nicht angelastet werden, weil sein Vorsatz von Anfang an darauf gerichtet gewesen sei, das Kokain an Gottfried K***** bzw in weiterer Folge an Eugen L***** und andere Drogenkuriere zu übergeben, geht prozessordnungswidrig (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584, 593) über die zur subjektiven Tatseite betreffend seine Beitragshandlungen zur Ein- und Ausfuhr des in Rede stehenden Kokains getroffenen eindeutigen Konstatierungen hinweg (US 7 bis 9).

Soweit die Beschwerde schließlich moniert, die Zurverfügungstellung von Empfängeradressen für die Drogenpakete und die damit verbundene Aus- und Einfuhr des Suchtgifts sei „lediglich ein Durchläufer" für das Überlassen des Suchtgifts an Gottfried K***** gewesen, weshalb das Organisieren der Empfangsadresse von Josef O***** durch den Angeklagten lediglich ein Tatbeitrag zur Überlassung des Suchtgifts an Gottfried K***** durch O***** gewesen sei, ist sie nicht zum Vorteil des Nichtigkeitswerbers ausgeführt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 28a Abs 4 SMG eine Freiheitsstrafe in Dauer von fünf Jahren, wobei es als mildernd das teilweise Geständnis, die durch Suchtgiftergebenheit bedingte Einschränkung der Zurechnungsfähigkeit und die Sicherstellung von 11,5 Gramm Kokain wertete, als erschwerend demgegenüber das Zusammentreffen der Verbrechen des Suchtgifthandels auch mit einer Mehrzahl von Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften, die vielfache Überschreitung der vom Schmuggel bzw der Weitergabe betroffenen Kokainquanten, die gewinnsüchtigen Tatmotive und die schwere einschlägige Vorstrafenbelastung.

Gegen den Strafausspruch richten sich Berufungen sowohl des Angeklagten der eine Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe und deren bedingte bzw teilbedingte Strafnachsicht anstrebt als auch der Staatsanwaltschaft, die eine angemessene Erhöhung der Freiheitsstrafe begehrt.

Während der vom Angeklagten ins Treffen geführte Umstand der behaupteten untergeordneten Beteiligung der Aktenlage nicht entspricht und der Dauer der Aufbewahrung des Suchtgifts keine mildernde Wirkung zukommt, ist die Staatsanwaltschaft im Recht, soweit sie insbesondere auf die erheblichen Suchtgiftmengen verweist. Unter Beachtung des zur Verfügung stehenden Strafrahmens, der für und wider den Angeklagten sprechenden Umstände sowie der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung, erweist sich angesichts des hohen Tatunrechts und der beträchtlichen Schuld des Täters eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Jahren als angemessene Sanktion. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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