Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und es wird die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Landwirtschaftlich genützte Grundstücksteile der Antragsteller in der Größe von 2.110 m2 wurden zur Errichtung eines Kreisverkehrs benötigt und deshalb mit Bescheid der oberösterreichischen Landesregierung vom 16. 1. 2004 enteignet. Im Bescheid setzte das Land Oberösterreich die Entschädigung mit 13,40 EUR pro m2 zuzüglich 0,74 EUR an Wiederbeschaffungskosten fest. Gesamt wurde somit die Entschädigung mit 29.835,40 EUR festgesetzt und in der Folge bezahlt.
Im nunmehrigen Verfahren beantragten die Antragsteller zunächst, die Entschädigung mit 43,60 EUR zuzüglich 5,5 % Wiederbeschaffungskosten pro Quadratmeter, zuletzt mit 48,41 EUR pro m2 zuzüglich 2,66 EUR pro m2 Wiederbeschaffungskosten, insgesamt somit mit 107.763,08 EUR festzusetzen.
Das Erstgericht gab dem Antragsbegehren mit Ausnahme eines geringfügigen Zinsenmehrbegehrens statt. Im Wesentlichen unter Hinweis auf das Sachverständigengutachten stellte das Erstgericht fest, der Wert der enteignungsbetroffenen Grundstücke betrage zumindest 48,41 EUR pro Quadratmeter.
Das Rekursgericht gab dem vom Antragsgegner erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig. Zusammengefasst führte das Rekursgericht aus, aufgrund der Lage der enteigneten Liegenschaftsteile im oberösterreichischen Zentralraum, der in unmittelbarer Nähe in letzter Zeit erfolgten und in Zukunft zu erwartenden Entwicklung, insbesondere des künftigen Baulandbedarfs, bestünden gegen die Ausführungen des Sachverständigen und somit gegen die darauf fußende Festsetzung der Entschädigung durch das Erstgericht keine Bedenken.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dergestalt, das Antragsbegehren auf höhere Festsetzung der Entschädigung als im Bescheid zuerkannt abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragsteller beantragen in der ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist wegen einer vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmenden Fehlbeurteilung der Vorinstanzen zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
Da hier der Entscheidungsgegenstand über 20.000 EUR liegt, ist nach dem anzuwendenden § 62 Abs 3 AußStrG (vgl § 36 Abs 5 oö StraßenG) ein außerordentlicher Revisionsrekurs zulässig (vgl 2 Ob 163/07w; RIS‑Justiz RS0084804; RS0007141).
Grundsätzlich zutreffend wird im Revisionsrekurs - wie auch schon im Rekurs - ausgeführt, dass die Höhe der Enteignungsentschädigung entsprechend dem Wert der betroffenen Grundstücke zum Stichtag der Enteignung festzusetzen ist.
Genauer gesagt kommt es auf den Zeitpunkt der Aufhebung des Rechts, das ist die Rechtskraft des Enteignungsbescheids, an (RIS‑Justiz RS0085888 [T10, T12]). Nach VwSlg 12.063/A ist dafür auf das Datum der Zustellung des letztinstanzlichen Bescheids abzustellen.
Nach dem unbestrittenen Antragsvorbringen wurde der erwähnte Enteignungsbescheid dem Rechtsvertreter der Antragsteller am 21. 1. 2004 zugestellt. Mit dieser Zustellung erlangte der Bescheid Rechtskraft, da er, als im Rahmen der Landesverwaltung von der obersten Landesbehörde (der Landesregierung) erlassen, keinem weiteren Rechtszug im ordentlichen Instanzenzug unterliegt (vgl § 3 Abs 1 Z 2 oö StraßenG). Dass die Antragsteller nach ihrem Vorbringen dagegen eine - nach der Aktenlage noch nicht erledigte - Bescheidbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben haben, hindert die Rechtskraft des Enteignungsbescheids nicht (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 Rz 454; VwSlg 12.063/A).
Die maßgebliche erstgerichtliche Tatsachenfeststellung (vgl RIS‑Justiz RS0043122) zum Wert der enteigneten Liegenschaftsteile nennt keinen Zeitpunkt, in dem die Grundstücke diesen Wert gehabt haben. Auch unter Berücksichtigung der übrigen Ausführungen des Erstgerichts, insbesondere seiner Beweiswürdigung, lässt sich aber die Feststellung zum Wert nicht eindeutig dahingehend präzisieren, dass sie sich auf den Zeitpunkt der Zustellung des Enteignungsbescheids (21. 1. 2004) bezieht. Aus dem erstinstanzlichen Verfahrensgang ist nämlich auf Folgendes hinzuweisen:
Im ersten mit 9. 10. 2004 datierten schriftlichen Gutachten führte der Sachverständige zunächst aus, als Bewertungsstichtag sei der Zeitpunkt der Rechtskraft des Enteignungsbescheids anzusehen, der mit 16. 1. 2004 datiert sei. Im gesamten Gutachten gibt es keine Hinweise darauf, dass der Sachverständige Tatumstände aus der Zeit nach dem Enteignungsbescheid als wertbildend berücksichtigt hätte. Der Sachverständige kam schließlich bei einer „Wartefrist" von 10,5 Jahren zu einem gerundeten Verkehrswert von 40 EUR pro m2.
In der Folge kam es im erstinstanzlichen Verfahren aufgrund von Gutachtenserörterungsanträgen zu diversen schriftlichen und mündlichen Ergänzungsgutachten. Die letzte gutächtliche Äußerung des Sachverständigen erfolgte im Rahmen der letzten mündlichen Verhandlung am 20. 6. 2007, also fast drei Jahre nach dem ersten Gutachten und fast dreieinhalb Jahre nach Eintritt der Rechtskraft des Enteignungsbescheids.
Verschiedene Umstände legen den Verdacht nahe, dass im Zuge der Gutachtensergänzungen im Lauf der Zeit in zunehmendem Maß in die Betrachtungen des Sachverständigen auch (wertbestimmende) Umstände eingeflossen sind, die erst aus einer Zeit nach dem Enteignungsbescheid herrühren:
In der mündlichen Verhandlung vom 1. 6. 2005 führte der Sachverständige aus, „in letzter Zeit" sei eine Reihe von Ausnahmen aus dem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan erfolgt.
Zuletzt bezog sich der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 20. 6. 2007 auf ein Bauprojekt (Beilage ./V: Datum der Umwidmung: 3. 6. 2006) mit folgenden Ausführungen: „Auf dieser Fläche ... sollen ... 26 Reihenhäuser und zwei Wohnblocks mit ca 80 Wohnungen errichtet werden bzw sind diese Gebäude bereits im Rohbau errichtet. Die Fläche liegt in unmittelbarer Nähe zu den Enteignungsobjekten. Die vorgenannte Fläche grenzt direkt an das Grundstück 1364 (Enteignungsgegenstand) an und liegt rund 150 Meter vom Kreisverkehr, also jener Stelle, für die Grundflächen dauernd beansprucht wurden, entfernt. Aufgrund dieses Umstandes wird für die Wertableitung des Grünlandes mit Entwicklungspotential nun eine ausstehende Wartefrist von acht Jahren bei 8 % Zinsen zugrunde gelegt, sodass sich für die Enteignungsobjekte ein Verkehrswert von 48,41 EUR je m2 ergibt."
Gerade auf dieses Bauprojekt, das erst aus der Zeit nach Rechtskraft des Enteignungsbescheids stammt, stützte sich auch das Erstgericht maßgeblich im Rahmen seiner Beweiswürdigung zur Begründung des Werts der enteigneten Liegenschaftsteile.
Die erstgerichtliche Feststellung zum Wert der enteigneten Liegenschaftsteile kann daher nicht mit ausreichender Sicherheit auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Enteignungsbescheids bezogen werden. Im Ergebnis zeigt der Revisionsrekurs somit einen sekundären Feststellungsmangel auf, weil dem erstinstanzlichen Beschluss die entscheidungswesentliche Feststellung über den Wert der enteigneten Liegenschaftsteile im Zeitpunkt der Rechtskraft des Enteignungsbescheids (21. 1. 2004) fehlt.
Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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