OGH 1Ob58/08y

OGH1Ob58/08y16.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian B*****, vertreten durch Gloss Pucher Leitner Schweinzer, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 28.737,16 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Dezember 2007, GZ 14 R 177/07p-13, womit das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 15. Juni 2007, GZ 1 Cg 24/07v-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Anlässlich seiner Ehescheidung im Einvernehmen schloss der Kläger mit seiner Ehegattin einen - vom Richter formulierten - Vergleich über die Scheidungsfolgen. Dieser enthielt unter anderem die Bestimmung, dass die Ehegattin ihren Hälfteanteil an einer Liegenschaft an den Kläger übergibt. Nach Abschluss des Scheidungsvergleichs und bevor der Kläger seinen Eigentumserwerb grundbücherlich durchführen ließ, wurde auf dem Hälfteanteil der Ehegattin ein exekutives Pfandrecht zu Gunsten einer Bank einverleibt. Dem Kläger war die der Hypothek zugrundeliegende Verbindlichkeit seiner (ehemaligen) Gattin nicht bekannt gewesen und diese hatte auch in der Scheidungsverhandlung keine Erwähnung gefunden.

Mit der gegenständlichen Amtshaftungsklage machte der Kläger den aus der angeblich unzureichenden Beratung durch den Richter entstandenen Schaden - den für die Lastenfreistellung der Liegenschaft aufgewendeten Betrag - geltend. Der Richter habe dem Kläger grob fahrlässig nicht mitgeteilt, dass es erforderlich gewesen wäre, die Rangordnung „für die beabsichtigte Veräußerung" der Liegenschaftshälfte seiner Gattin „zu besorgen bzw zu beantragen."

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Gericht sei nicht verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass eine anlässlich einer Scheidung zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung gesichert und letztlich auch durchgeführt und vollzogen werde. Dem Scheidungsrichter könne nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er keine Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung im Hinblick auf einen Kredit empfohlen habe, der ihm nicht einmal zur Kenntnis gebracht worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Dem Gesetz (insbesondere § 95 Abs 1 AußStrG und § 460 Z 6a ZPO) sei nicht zu entnehmen, dass der Scheidungsrichter über die Scheidungsfolgen in materieller Hinsicht hinausgehend gleich einem rechtsfreundlichen Vertreter Vorsorge dahin zu treffen hätte, dass eine - inhaltlich nicht zu beanstandende - Regelung auch mit Gewissheit vollzogen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger erhobene außerordentliche Revision ist wegen des Fehlens erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig.

1. Es hängt im Allgemeinen immer von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, ob bzw welche Aufklärungspflichten bestehen (vgl RIS-Justiz RS0106373; RS0026529). Auch die Grenzen der vom Gericht wahrzunehmenden Anleitungspflicht richten sich stets nach den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0120057).

2. Die Prozessleitungspflicht geht nicht so weit, einen Kläger beispielsweise auf Rechtsgründe, die sich nicht einmal andeutungsweise aus den vorgetragenen Tatsachen ergeben, sondern ein anderes Tatsachenvorbringen erfordern, hinweisen zu müssen (4 Ob 29/08f).

3. Im vorliegenden Fall wurde von den Parteien anlässlich der Scheidungsverhandlung nicht erwähnt, dass die Ehegattin des Klägers für die Kreditforderung einer Bank bürge. Bei dieser Sachlage hieße es, die gemäß § 95 AußStrG bestehenden Aufklärungspflichten des Gerichts zu überspannen, wollte man verlangen, der Richter sollte über allfällige Folgen eines von den Parteien auch nicht andeutungsweise erwähnten Umstands aufklären bzw eine Partei zu denkbaren Vorkehrungen anleiten, die vorerst nur theoretisch mögliche Konstellationen nötig erscheinen ließen (vgl 1 Ob 2245/96w). Die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, dass keine rechtswidrige und schuldhafte Verletzung von Aufklärungspflichten vorliege, ist jedenfalls vertretbar und stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (grobe) Fehlbeurteilung dar. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte