Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die ehelichen Eltern bekämpften erfolglos die Entziehung ihrer Obsorge über die beiden zur Zeit der erstinstanzlichen Entscheidung im 14. und (gerade noch) im 15. Lebensjahr stehenden Minderjährigen und deren Übertragung auf den Jugendwohlfahrtsträger.
Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zugelassen werde.
Nach Auffassung der Eltern fehle Rechtsprechung dazu, ob eine unterlassene oder grob mangelhafte Anleitung eine Verletzung des rechtlichen Gehörs begründe.
Rechtliche Beurteilung
Das bis 31. Dezember 2004 geltende AußStrG 1854 enthielt weder ursprünglich (§ 16 leg cit: „Nullität") noch in der letzten Fassung (§ 16 leg cit idF WGN 1989) eine Definition der Nichtigkeitsgründe. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs wurde vom Obersten Gerichtshof aber, soweit überblickbar, als solcher stets anerkannt (stRsp, RIS-Justiz RS0005982; Edelbacher, MGA VerfaußStr² § 16 E 132 mwN ab 1937). Dagegen wird im Rechtsmittelsystem des neuen AußStrG, das den Begriff der Nichtigkeit vermeidet, die Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs ausdrücklich als Revisionsrekursgrund normiert (§ 66 Abs 1 Z 1 iVm § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG). Ebensowenig wie im Verfahren erster Instanz zwingt das Vorliegen eines solchen schweren Verfahrensmangels im Rekursverfahren nach § 58 Abs 1 und 3 leg cit in jedem Fall zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (3 Ob 192/07t = bbl 2008, 127 = Zak 2008, 133; 3 Ob 76/08k). Anders als im formstrengeren Zivilprozess soll nach dem Willen des Gesetzgebers im Verfahren außer Streitsachen ein formfreieres Regime herrschen. „Durch die Neuerungserlaubnis kann derjenige, dem in erster Instanz das rechtliche Gehör nicht ausreichend gewährt wurde, sein Vorbringen im Rekurs nachtragen. Da ... muss der Rekurswerber in Wahrung seiner Prozessförderungspflicht das ihm nicht vorher mögliche Vorbringen im Rekurs erstatten." So könne - auch durch eine mündliche Rekursverhandlung - das rechtliche Gehör im Rekursverfahren gewahrt werden (ErläutRV, 224 BlgNR 22. GP, 52 f zum AußStrG; abgedruckt bei Fucik/Kloiber aaO 212 f; dieselben aaO Anm 1 und 3 zu § 58). Selbst wenn man nun - was ja die Revisionsrekurswerber gar nicht behaupten können - ihren völligen Ausschluss vom rechtlichen Gehör in erster Instanz unterstellte, wäre es - nunmehr ohnehin im Rahmen der Verfahrenshilfe anwaltlich vertreten - an ihnen gelegen gewesen, konkrete Einwendungen gegen das Vorbringen des Jugendwohlfahrtsträgers einerseits und die Beweisergebnisse andererseits, verbunden mit entsprechenden Beweisanboten geltend zu machen. Das ist hier nicht geschehen, vielmehr blieb es bei rein formalen Einwänden. Damit wirft aber die Bestätigung des erstinstanzlichen Beschlusses auf Grundlage der besonderen Umstände des Einzelfalls unter Verneinung einer Gehörverletzung im Hinblick auf § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Da nur Verfahrensmängel des Rekursverfahrens den Revisionsrekursgrund des § 66 Abs 1 Z 2 AußStrG bilden, gilt dasselbe für behauptete Mängel des Verfahrens erster Instanz, die sie in ihrem Rekurs erfolglos rügten (2 Ob 58/08f mwN ua, RIS-Justiz RS0050037). Auf eine Verletzung des Kindeswohls (die eine Einschränkung dieses Grundsatzes erforderlich machen könnte: stRsp, 6 Ob 178/06d, 10 Ob 39/08w, je mwN ua, RIS-Justiz RS0050037 [T4 und 7]) berufen sie sich nicht.
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