OGH 9Ob45/07v

OGH9Ob45/07v20.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Nicole Alina K*****, geboren 30. September 1993, vertreten durch die Mutter Karin K*****, diese vertreten durch Dr. Karlheinz de Cillia und Mag. Michael Kalmann, Rechtsanwälte in Klagenfurt, über den Revisionsrekurs des Vaters Manfred K*****, Angestellter, *****, vertreten durch Mag. Michael Hirm, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 4. April 2007, GZ 4 R 109/07g-U54, womit infolge Rekurses der Minderjährigen der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 22. Jänner 2007, GZ 1 P 2032/95i-U49, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern wurde am 25. 8. 2004 einvernehmlich geschieden. Im Scheidungsvergleich verpflichtete sich der Vater, für die im Haushalt der Mutter verbleibenden Töchter Unterhalt zu zahlen, und zwar für die am 29. 11. 1988 geborene Denise 300 EUR und für die am 30. 9. 1993 geborene Nicole 200 EUR monatlich. Schon damals brachte der Vater monatlich ca 2.464 EUR netto ins Verdienen. Wenngleich nicht festgestellt werden konnte, dass die Mutter über das genaue Einkommen des Vaters zum Zeitpunkt des Unterhaltsvergleichs Bescheid wusste, so war sie doch im Wesentlichen über das Einkommen des Vaters soweit informiert, dass sie aufgrund dessen seine Unterhaltspflicht annähernd hätte ermitteln können.

Die zunächst von der Mutter versorgte Denise hält sich seit 2. 5. 2005 im Haushalt des Vaters auf und wird seitdem von diesem betreut, während die mj Nicole weiter bei der Mutter verblieben ist. Mit Beschluss des Erstgerichts vom 10. 2. 2006 (ON 21; rechtskräftig seit 17. 4. 2006) wurde die Mutter verpflichtet, ab 1. 5. 2005 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zum Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit, für die damals minderjährige Tochter Denise zu Handen des Vaters einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 400 EUR zu leisten.

Die Mutter beantragte die Erhöhung des vom Vater für die minderjährige Nicole zu leistenden Unterhalts, wobei im Revisionsrekursverfahren nur mehr eine Erhöhung von 230 EUR monatlich (auf insgesamt 430 EUR) seit 1. 6. 2005 verfahrensgegenständlich ist. Die Mutter begründete diesen Antrag mit geänderten Verhältnissen, insbesondere auch damit, dass sie nun für die beim Vater lebende Tochter Denise geldunterhaltspflichtig sei. Ausdrücklich wies sie darauf hin, dass für sie zur Zeit des Abschlusses des Unterhaltsvergleichs nicht absehbar gewesen sei, dass die ältere Tochter zu ihrem Vater ziehen und sie selbst geldunterhaltspflichtig werde. Insoweit sei im Mai 2005 eine völlig neue Situation entstanden.

Dem hielt der Vater entgegen, dass eine wesentliche Änderung der Umstände nicht eingetreten und daher an der Einkommens- und Unterhaltsrelation des seinerzeitigen Vergleichs festzuhalten sei. Insbesondere habe sich deshalb nichts geändert, weil Naturalunterhalt dem Geldunterhalt gleichzuhalten sei und für die Mutter an die Stelle des seinerzeit geleisteten Naturalunterhalts nunmehr eine Geldunterhaltspflicht getreten sei.

Das Erstgericht erhöhte den vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhalt für die Zeit vom 1. 7. 2005 bis 30. 6. 2006 von bisher 200 EUR auf 210 EUR und für die Zeit ab 1. 7. 2006 um monatlich 20 EUR auf 220 EUR. Das Erstgericht verneinte eine wesentliche Änderung der Umstände. Die Erhöhung um 10 EUR bzw 20 EUR monatlich blieb unangefochten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass es den Vater dazu verpflichtete, zusätzlich zum bisherigen monatlichen Unterhalt von 200 EUR ab 1. 6. 2005 einen weiteren Unterhaltsbetrag von monatlich 230 EUR, zusammen daher ab 1. 6. 2005 430 EUR zu zahlen. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass zwar der Wechsel von Naturalunterhalt zu Geldunterhalt für sich keine wesentliche Änderung der Verhältnisse herbeigeführt habe und daher an der Relation des Unterhaltsvergleichs grundsätzlich festzuhalten sei; doch könne nicht übersehen werden, dass die Eltern anlässlich des Scheidungsfolgenvergleichs nicht bedacht haben, dass ein Pflegewechsel stattfindet und daher nicht gewollt gewesen sei, die unter der gesetzlichen Verpflichtung liegende Unterhaltsleistung des Vaters auch dann beizubehalten, wenn die Mutter ihrerseits zum Geldunterhalt für das beim Vater aufhältige Kind herangezogen werden solle. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil es oft vorkomme, dass in Scheidungsfolgenvergleichen Kindesunterhalt vereinbart werde, ohne dass die Eltern einen später eintretenden Pflegewechsel bedenken.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters aus dem Grunde der Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig.

Zur Mängelrüge: Die Auslegung des Scheidungsvergleichs durch das Rekursgericht kam nicht überraschend, zumal die Mutter ausdrücklich auf im Scheidungsvergleich nicht bedachte Umstände hingewiesen hat (AS 217). Es lag daher im Ermessensspielraum des Rekursgerichts, wenn es keine mündliche Rekursverhandlung abgeführt hat (RIS-Justiz RS0120357).

Zur Rechtsrüge: Dem Revisionsrekurswerber ist grundsätzlich dahin beizupflichten, dass bei geänderten Verhältnissen Unterhaltsbeträge in der Regel so zu bemessen sind, dass die einmal festgelegte Relation zwischen Einkommenshöhe und Unterhaltshöhe erhalten bleibt (RIS-Justiz RS0019018 uva). Bei der Auslegung von Unterhaltsvergleichen kommt es aber auf die allgemeinen Vertragsauslegungsgrundsätze des § 914 ABGB an (RIS-Justiz RS0017915 [T20; T23]). Maßgeblich ist daher der übereinstimmend erklärte Parteiwille, worunter der dem Erklärungsgegner erkennbare, redlicherweise zu unterstellende objektive Geschäftszweck zu verstehen ist (RIS-Justiz RS0113932; RS0014160; RS0017915 ua). Ob nach Abschluss eines Unterhaltsvergleichs bei Änderung der Verhältnisse die im Vergleich festgelegte Relation zwischen Einkommenshöhe und Unterhaltshöhe beibehalten werden soll, oder die Neubemessung völlig losgelöst von der vergleichsweisen Regelung erfolgen soll, hängt somit primär von der nach den Auslegungskriterien des § 914 ABGB zu ermittelnden Absicht der Parteien ab (2 Ob 237/06a = RIS-Justiz RS0019018 [T23]). Die Auslegung von Willenserklärungen im Einzelfall stellt nur bei einer krassen, zu einem unvertretbaren Auslegungsergebnis führenden Fehlbeurteilung eine erhebliche Rechtsfrage dar (2 Ob 237/06a mwN). Eine solche Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht lässt sich hier aber nicht erkennen: Selbst wenn man unterstellt, dass die Einkommensverhältnisse des Vaters - allenfalls schlüssig - Bestandteil der Vergleichsgrundlage geworden sind, ist die - ergänzende - Vertragsauslegung des Rekursgerichts jedenfalls vertretbar, wonach die Relationen nur so lange gelten sollten, als der Vater alleine geldunterhaltspflichtig war, von den Vergleichsparteien aber nicht beabsichtigt war, diese Relation auch für den Fall aufrecht zu erhalten, dass die Mutter den vollen gesetzlichen Unterhalt für eines der Kinder in Geld erbringen müsste.

Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers sieht auch das Rekursgericht Prozentsätze nicht als starre Quotierung, sondern als von der Rechtsprechung anerkannte Orientierungshilfe (RIS-Justiz RS0057284; RS0047474 uva). Gerade bei gehobenen Einkommensverhältnissen besteht bei der Unterhaltsfestsetzung ein größerer Ermessensspielraum des Gerichts (RIS-Justiz RS0057284 [T7]). Ob nun ein „Unterhaltsstopp" im Einzelfall niedriger anzusetzen wäre, begründet aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG (RIS-Justiz RS0007138 [T21]).

Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage erweist sich der Revisionsrekurs als unzulässig.

Da beim Verfahren über Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes ein Kostenersatz nicht stattfindet (§ 101 Abs 2 AußStrG), hat die Mutter die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung jedenfalls selbst zu tragen.

Stichworte