OGH 1Ob153/08v

OGH1Ob153/08v11.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosa F*****, vertreten durch den Sachwalter Dr. Michael Kruletz, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Erna F*****, vertreten durch Dr. Josef Faulend-Klauser und Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wegen Vertragsaufhebung (Streitwert 11.845,67 EUR) sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 8. Mai 2008, GZ 4 R 33/08t-42, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beurteilung, ob eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt die Tragweite bestimmter Willenserklärungen verstandesmäßig erfassen konnte oder ob ihr diese Fähigkeit durch eine die Geschäftsfähigkeit ausschließende geistige Störung fehlte, ist eine typische Beurteilung des Einzelfalls, sodass sich insoweit eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO regelmäßig nicht stellt (RIS-Justiz RS0117658). Eine erhebliche Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste, ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen.

2. Behauptet eine zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (noch) nicht unter Sachwalterschaft gestandene Person die Ungültigkeit eines von ihr abgeschlossenen Vertrags wegen Geschäftsunfähigkeit, muss sie beweisen, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses außer Stande gewesen zu sein, die Tragweite des konkreten Vertrags zu beurteilen. Wurde sie von einem Notar ihres Vertrauens, der den Vertrag verfasste, beraten, kommt es auch darauf an, ob sie in der Lage war, einen konkreten Rechtsgeschäftswillen zu fassen und mitzuteilen und im Übrigen bewusst dem Notar das Vertrauen zu schenken, dass er in diesem Rahmen für die Wahrung ihrer Rechte sorgen werde (RIS-Justiz RS0014620). Nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen war die Klägerin fähig, frei zu entscheiden, ob sie jemandem etwas vererben oder schenken bzw übergeben wollte; sie war nicht verwirrt und sehr wohl in der Lage, ihren Willen zu bilden und diesen zu erklären. Wenn sie vermutlich auch nicht mehr im Stande war, komplexe Zusammenhänge - wie zB einen ausformulierten Übergabsvertrag - bis ins letzte Detail zu erfassen, genügt es somit insoweit, wenn sie diesbezüglich auf die Seriosität und Kompetenz des vertragserrichtenden Notars vertraut hat.

3. Soweit sich die Revisionswerberin darüber beschwert, dass sich (auch) das Berufungsgericht nicht mit der Frage des Wertes der Liegenschaft „im Verhältnis zur Gegenleistung" befasst hat, was ihrer Auffassung nach einen Schluss auf ihre (fehlende) Geschäftsfähigkeit ermöglicht hätte, sind ihre Ausführungen nicht recht verständlich. Ein Übergabsvertrag hat grundsätzlich überwiegend unentgeltlichen Charakter, sodass es gerade dem Regelfall entspricht, dass die Leistung des Übergebers einen höheren Wert hat als jene des Übernehmers. Inwieweit konkrete Vertragsbestimmungen geeignet sein könnten, Bedenken gegen ihre Geschäftsfähigkeit zu erwecken, zeigt die Revisionswerberin nicht auf.

Letztlich übersieht sie auch, dass sie ihre schon in erster Instanz erhobene (kursorische) Behauptung über ein auffallendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in ihrer Berufung gar nicht mehr aufrecht erhalten hat.

4. Unverständlich sind die Revisionsausführungen insoweit, als sie monieren, (auch) das Berufungsgericht hätte „sämtliche Beweise über Hintergrund, Geschichte und Zustandekommen dieser Rechtsgeschäfte zulassen und würdigen müssen". Welche Tatsachenbehauptungen und welche Beweismittel die Revisionswerberin hier im Auge hat, wird nicht dargelegt. Nur der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass das Berufungsgericht zum „Hintergrund" der Vermögensübergabe etwa darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin die Beklagte schon in einem Testament aus dem Jahr 1996 zur Alleinerbin eingesetzt hatte und wollte, dass diese den landwirtschaftlichen Besitz übernimmt.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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