Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der bei den ÖBB beschäftigte Kläger ist seit 1980 Vollmitglied der Österreichischen Bergrettung. Zu deren Aufgaben gehört neben der Bergung von Verunfallten auch die Erhebung der Schneelage und der Sicherheit im alpinen Gelände allgemein, um die Lawinengefahr abschätzen zu können. Diese Erhebungen werden von den jeweiligen Ortsstellen der Österreichischen Bergrettung im Rahmen von Streifendiensten durchgeführt. Die Ortsstelle N*****, in der der Kläger tätig ist, organisiert die Streifendienste in der Form, dass es den Mitgliedern überlassen bleibt, wann und in welchem Gebiet sie eine Streifentour vornehmen. Einen diesbezüglichen Dienstplan gibt es nicht. Üblicherweise werden Streifendienste von zwei oder mehr Kameraden durchgeführt; in der Ortsstelle N***** führen Mitglieder diese Touren häufig auch allein durch.
Die Mitglieder der Ortsstelle N***** sind verpflichtet, vor Beginn eines Streifendienstes ihre Tour in das Tourenbuch einzutragen. Dabei muss festgehalten werden, an welchem Tag der Streifendienst stattfindet und welche Strecke der jeweilige Bergretter abgeht. Bei der Rückkehr sind etwaige Vorkommnisse und die Dauer der Tour festzuhalten. Der Ortsstellenleiter hält die Mitglieder der Bergrettung regelmäßig dazu an, die Streifendienste in das Tourenbuch einzutragen. Dennoch kommt es häufig vor, dass dies nicht gemacht wird.
Streifendienste werden stets in voller Mannausrüstung versehen (rotes Bergrettungsgewand, Ausrüstung wie Lawinenverschüttetensuchgerät, Funkgerät, Schaufeln, Biwacksack, Sonden, Luftschienen etc). Führt ein Mitglied der Bergrettung eine private Bergtour durch, ist es schon aus Sicherheitsgründen üblich, dieselbe Ausrüstung zu tragen.
Der Kläger hat am 4. 3., 5. 3., 9. 3. und 13. 3. 2006 Streifendienste in das Tourenbuch eingetragen. Am 12. 3. und am 15. 3. 2006 entnahm der Kläger aus der Materialverwaltung der Ortsstelle N***** ein Funkgerät. Am 15. 3. 2006 bestieg er von N***** aus mit Tourenschiern die S*****. Um 16.20 Uhr fuhr er vom Schutzhaus der S***** in Richtung A***** ab und löste ein Schneebrett aus, von dem er mitgerissen wurde; dabei erlitt er schwere Verletzungen.
Die Bergrettung N***** führt in dem Bereich der S*****, in dem der Kläger verunfallte, generell Streifendienste durch. Die Tour wurde vom Kläger nicht im Tourenbuch der Bergrettung N***** eingetragen. Es ist nicht feststellbar, dass der Kläger am 15. 3. 2006 einen Streifendienst versehen hat. Es ist auch nicht feststellbar, dass der Kläger im Zuge der Tour zwei Hütten von Schneeverwehungen freigeschaufelt und auf einer Hütte den Ofen angeheizt hat.
Das Erstgericht wies das auf Anerkennung des Ereignisses vom 15. 3. 2006 als Arbeitsunfall und Erbringung der gebührenden Leistungen im gesetzlichen Ausmaß gerichtete Klagebegehren ab. Zur Bejahung des Unfallversicherungsschutzes nach § 176 Abs 1 Z 7 lit a ASVG bedürfe es zur Abgrenzung von Freizeitunfällen einer gewissen Mindestorganisation, an der es im Fall des Klägers fehle. Der Umstand, dass er den behaupteten Streifendienst nicht in das Tourenbuch eingetragen habe, wohl aber die Entnahme eines Funkgeräts, deute darauf hin, dass es sich bei den Touren am 12. 3. 2006 und auch am 15. 3. 2006 um private Bergtouren gehandelt habe, ohne dass ihnen der Charakter einer Übung zukomme. Somit sei der Unfall als Freizeitunfall zu qualifizieren und nicht vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts. In Bezug auf den Unfallversicherungsschutz komme es darauf an, ob sich der Unfall bei einer Tätigkeit ereignet habe, die der Betreffende - hier als Mitglied der Bergrettung - anlässlich einer ihm im Rahmen seiner Ausbildung obliegenden Pflicht unternommen habe. Dass nicht jede im Privatinteresse unternommene Bergtour von Mitgliedern der Bergrettung automatisch vom Unfallversicherungsschutz umfasst sein könne, verstehe sich von selbst. Entscheidende Bedeutung komme der Eintragung eines Streifendienstes in das Tourenbuch zu. Mangels einer solchen Eintragung sei von einer privaten Tour auszugehen und der Unfallversicherungsschutz zu verneinen.
Seiner außerordentlichen Revision legt der Kläger im Wesentlichen zugrunde, dass sich sein Unfall in Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Bergrettung (Streifendienst sowie Verbesserung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten zur Vorbereitung auf den Einsatzfall) ereignet habe.
Rechtliche Beurteilung
Dazu wurde erwogen:
Nach § 176 Abs 1 Z 7 lit a ASVG sind den Arbeitsunfällen Unfälle gleichgestellt, die sich bei nachstehender Tätigkeit ereignen: „in Ausübung der den Mitgliedern ... des Österreichischen Bergrettungsdienstes ... im Rahmen der Ausbildung, der Übungen und des Einsatzfalles obliegenden Pflichten ...". Im Vergleich mit dem Aufgabenbereich der Rettungsdienste gemäß § 2 Abs 1 und 1a des Stmk Rettungsdienstgesetzes ist der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf Tätigkeiten in Ausübung der im Rahmen der Ausbildung, der Übungen und des Einsatzfalles obliegenden Pflichten eingeschränkt. Dabei ist die Abgrenzung zum Freizeitunfall nicht immer einfach.
Der Entscheidung 10 ObS 308/00t (= SSV-NF 14/144) lag ein Unfall auf einer im Kaukasus unternommenen Bergtour zugrunde, bei der es sich nicht um eine Schulung im Rahmen der Ausbildung handelte, an der der Versicherte in Wahrnehmung seiner Verpflichtungen als Mitglied des Bergrettungsdienstes teilzunehmen hatte. Der Umstand, dass die Tour der Intensivierung des Höhentrainings und der Ausbildung der bergsteigerischen Fähigkeiten des Versicherten dienen sollte und somit mittelbar im Interesse des Bergrettungsdienstes gelegen war, wurde nicht als ausreichend für die Begründung des Versicherungsschutzes nach § 176 Abs 1 Z 7 lit a ASVG angesehen.
In der Entscheidung 10 ObS 208/03s (= SSV-NF 17/122) hat es der Oberste Gerichtshof abgelehnt, dass durch die Bezeichnung einer Aktivität der Bergrettung als Übung ein Versicherungsschutz kreiert werden könne, wenn es sich tatsächlich nicht um eine Übung im Sinne eines Verfahrens zur Aneignung und zur Verbesserung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch (wiederholtes) Vollziehen bestimmter Tätigkeiten handelt, die für einen möglichen Einsatz von Bedeutung sein können und die nicht mit den allgemeinen ohne besondere Ausbildung jedermann eigenen Fähigkeiten durchgeführt werden können (siehe auch 10 ObS 312/97y = RIS-Justiz RS0109061 [Unfall beim Zurückschneiden der Äste in einem privaten Anwesen durch ein Mitglied der freiwilligen Feuerwehr]; vgl auch 10 ObS 175, 176/90 = SSV-NF 4/112).
Im konkreten Fall haben die Tatsacheninstanzen eine Schitour im Rahmen des Streifendienstes verneint, sodass sie als „Privattour" anzusehen ist.
Mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.
Kostenentscheidungen des Berufungsgerichts sind nicht weiter anfechtbar (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO). Da der Kläger auch in der Revision keine Umstände darlegt, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen können, und sich solche Umstände auch nicht aus dem Akteninhalt ergeben, besteht kein Anlass für einen Zuspruch von Kosten für die außerordentliche Revision (§ 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG).
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