OGH 1Ob81/08f

OGH1Ob81/08f10.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Betroffenen Rosa M*****, vertreten durch DI Mag. Burghard Götschhofer, Rechtsanwalt in Pettenbach, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 12. Februar 2008, GZ 1 R 2/08z-25, mit dem der Rekurs der Betroffenen gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Kirchdorf a. d. Krems vom 26. November 2007, GZ 1 P 41/07i-5, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die Ergänzung des Verfahrens und neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 26. 11. 2007 bestellte das Erstgericht RA Dr. Ferdinand R***** zum Verfahrenssachwalter und zum einstweiligen Sachwalter der Betroffenen.

Gegen die Bestellung des Genannten zum Verfahrenssachwalter richtete sich der Rekurs der durch RA DI Mag. Götschhofer vertretenen Betroffenen.

Das Rekursgericht veranlasste durch das Erstgericht Zwischenerhebungen, unter anderem die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Frage, ob die Betroffene in der Lage sei bzw gewesen sei, RA DI Mag. Götschhofer wirksam Vollmacht zu erteilen. Das Gutachten ergab, dass die Betroffene am 11. 10. 2007 „sicherlich nicht in der Lage" gewesen sei, eine Vollmacht zu erteilen. Es könne ausgeschlossen werden, dass sich die Demenzproblematik erst nach Vollmachtserteilung entwickelt habe. Diese Problematik sei an sich von einer Quantität, dass sie auch von medizinischen Laien hätte wahrgenommen werden müssen. Aufgrund der Demenzproblematik sei die Bestellung eines Sachwalters für alle Angelegenheiten erforderlich. Vom Ergebnis dieser Zwischenerhebungen verständigte der Erstrichter lediglich den einstweiligen Sachwalter RA Dr. R*****.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Betroffenen mit der Begründung zurück, dass sie die Tragweite und den Zweck der von ihr erteilten Vollmacht offenkundig nicht erkennen und erfassen könne und dass daher keine wirksame Bevollmächtigung des Einschreiters durch die Betroffene vorliege. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen - unter Vorlage einer neuerlichen Vollmacht für RA DI Mag. Götschhofer - mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss sowie jenen des Erstgerichts als nichtig aufzuheben und das Verfahren für nichtig zu erklären, in eventu die Bestellung von RA Dr. R***** als Verfahrenssachwalter aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, RA DI Mag. Götschhofer als solchen zu bestellen bzw die genannten Beschlüsse zur Verfahrensergänzung aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann eine Person, die im Übrigen keine gültigen Vollmachten erteilen kann, für Zwecke der Vertretung im Sachwalterschaftsverfahren noch einen Vertreter bevollmächtigen, soweit ihr nicht völlig die Vernunft fehlt und sie den Zweck der Vollmachtserteilung erkennen kann (siehe nur 10 Ob 48/06s mwN). Nur bei offenkundiger Unfähigkeit zu dieser Erkenntnis muss die Bevollmächtigung als unwirksam angesehen werden (RIS-Justiz RS0008539).

2. Das Rekursgericht hat zum Zweck der Feststellung dieser Fähigkeit der Betroffenen Zwischenerhebungen gepflogen, ohne jedoch deren Ergebnisse der Betroffenen oder ihrem Vertreter mitzuteilen. Legt aber das Rekursgericht der Rekursentscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten, wird das rechtliche Gehör verletzt. Daher müssen den Parteien zumindest die Ergebnisse der Erhebungen vor der Beschlussfassung zur Kenntnis gebracht und muss ihnen eine Frist zur Stellungnahme gesetzt werden (RIS-Justiz RS0086612).

Mangels Verfahrensbeteiligung der Betroffenen haftet der Entscheidung und dem Verfahren des Rekursgerichts eine Nichtigkeit gemäß § 66 Abs 1 Z 1 iVm § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG an. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben, weil der Anfechtungsgrund (Verletzung des rechtlichen Gehörs) zum Nachteil der Rechtsmittelwerberin ausschlagen könnte (siehe Feil/Marent, AußStrG2 § 66 Rz 3).

Im fortzusetzenden Verfahren wird das Rekursgericht zunächst der Betroffenen zu Handen ihres Vertreters das eingeholte Sachverständigengutachten zuzustellen und ihr die Möglichkeit zu einer allfälligen Stellungnahme einzuräumen haben. Kommt das Rekursgericht sodann neuerlich zum Schluss, dass es der Betroffenen „völlig an der Vernunft fehle" und sie nicht in der Lage (gewesen) sei, den Zweck der Vollmachtserteilung zu erkennen, wird der vom Einschreiter eingebrachte Rekurs mangels wirksamer Bevollmächtigung letztlich (wieder) zurückzuweisen sein. Andernfalls wird sich das Rekursgericht inhaltlich mit dem Rechtsmittel auseinanderzusetzen haben.

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