OGH 5Ob18/08w

OGH5Ob18/08w3.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) mj Michael Felix T*****, geboren am *****, 2.) Dr. Christian T*****, 3.) Dr. Astrid T*****, alle *****, alle vertreten durch Dr. Johann Eder, Dr. Stefan Knaus und Mag. Konrad Winkler, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Land S*****, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen (Erstkläger) 11.014,99 EUR sA, (Zweitkläger) 32.829,83 EUR sA und Feststellung (Streitwert 3.500 EUR), (Drittklägerin) 13.202,58 EUR sA und Feststellung (Streitwert 3.500 EUR), Revisionsinteresse des Zweitklägers 31.907,76 EUR sA, über die außerordentliche Revision des Zweitklägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. November 2007, GZ 1 R 104/07f-54, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision des Zweitklägers wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

1. Der Zweitkläger meint im Zusammenhang mit dem von ihm geltend gemachten, von den Vorinstanzen jedoch verneinten Anspruch auf Schmerzengeld für „Schockschäden" zwei erhebliche Rechtsfragen zu erkennen:

1.1.1. Es fehle an einer einheitlichen Rechtsprechung zur Frage, wie schwerwiegend die Verletzungen des unmittelbar Betroffenen sein müssten, damit ein Ersatz für „Schockschäden" eines Angehörigen gerechtfertigt sei.

1.1.2. Es fehle an einer Rechtsprechung zur Frage, ob ein Ersatzanspruch für „Schockschäden" auch bei (nicht schwersten, aber) schweren Verletzungen des unmittelbar Betroffenen bestehe, wenn der anspruchstellende Angehörige das Schadensereignis (hier: die „akute Phase" einer ärztlichen Fehlbehandlung seines Sohnes „in der Dauer von mehreren Tagen") miterleben habe müssen und die behandelnden Ärzte - von den Vorinstanzen rechtsirrig ungeprüft - grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hätten.

1.2.1. Klarzustellen ist vorerst, dass sich hier das schadensstiftende Verhalten nicht im Rahmen eines, die Beteiligten plötzlich und überraschend treffenden Unfallereignisses manifestierte, sondern in einer ärztlichen Behandlung bestand, die sich in bestimmten Belangen als nicht fachgerecht erwies. Der Erstkläger (= Sohn des Zweitklägers) hatte - schicksalhaft - eine Hodentorsion erlitten; deren (insbesondere zeitlich) nicht lege artis vorgenommene Behandlung hat nach den maßgeblichen erstgerichtlichen Feststellungen (Ersturteil S 9) „den Genesungsverlauf in Summe nur ca 10 bis 14 Tage gegenüber der Norm verlängert" und es sind beim Erstkläger (vom Erstgericht näher beschriebene) psychische Beeinträchtigungen zu erwarten.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang im Ergebnis zutreffend darauf hingewiesen, dass (vermeintliche) Schockschäden naher Angehöriger mit (behauptetem) Krankheitswert nach inzwischen umfangreich vorliegender Judikatur jedenfalls nur dann ersatzfähig sind, wenn die Verletzungshandlung - im Rahmen einer typisierten Betrachtung - in hohem Maße geeignet erschien, einen solchen Schockschaden herbeizuführen (vgl RIS-Justiz RS0031111 [insb T4]; RS0116866), was insbesondere bei schwersten Verletzungen naher Angehöriger in Frage kommen kann (vgl RIS-Justiz RS0116865). Weder das Schadensereignis (fehlerhafte, vornehmlich verzögerte ärztliche Maßnahmen) noch die daraus resultierenden Folgen beim Erstkläger sind in ihrer Gravität auch nur annähernd mit Fällen vergleichbar, in denen bislang Ersatz für „Schockschäden" zuerkannt wurde; dies gilt auch im Vergleich mit der vom Zweitkläger ins Treffen geführten E 2 Ob 111/03t, musste doch die dortige Klägerin in einer psychisch schwierigen Phase mehrere Monate ohne beide unfallverletzten Elternteile auskommen. Dass die Vorinstanzen insoweit von bisheriger einschlägiger Rechtsprechung - zumal unvertretbar - abgewichen wären, ist nicht zu erkennen.

1.2.2. Soweit der Zweitkläger (weitere) besonders schwerwiegende Zurechnungsgründe zu erkennen glaubt, können diese ebenfalls nicht nachvollzogen werden. Dass die Beeinträchtigungen des Erstklägers keine auffallende Gravität erreichen, wurde oben schon dargestellt. Soweit der Zweitkläger immer wieder das drohende Risiko der Infertilität des Erstklägers bemüht, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, dem eine solche Gefahr nicht realistisch und konkret zu entnehmen ist (Ersturteil S 10). Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen einen Ersatzanspruch des Zweitklägers selbst für den Fall verneinte, dass die ärztlichen Behandlungsfehler (rechtlich) als grob fahrlässig anzusehen wären, liegt darin ebenfalls keine aufzugreifende Fehlbeurteilung.

Eine erhebliche Frage des materiellen Rechts macht der Zweitkläger im Zusammenhang mit dem von ihm begehrten Schmerzengeld somit nicht geltend.

2.1. Zum Begehren auf Ersatz von Verdienstentgang (aus seiner eigenen ärztlichen Tätigkeit) liegt nach Ansicht des Zweitklägers ein Mangel des Berufungsverfahrens vor, weil das Gericht zweiter Instanz sein dazu erstattetes Vorbringen als unzureichend erkannt, aber nicht zu dessen Erörterung und Ergänzung angeleitet habe. Gegebenenfalls wäre das Verfahren durch Einholung eines Buchsachverständigengutachtens zu ergänzen gewesen.

2.2. Das Berufungsgericht hat das Vorbringen des Zweitklägers insbesondere deshalb für unzulänglich erachtet, weil der Zweitkläger kein konkretes Vorbringen zur Notwendigkeit seiner persönlichen Interventionen beim Patientenanwalt (betreffend den Erstkläger) und zur möglichen Nachholung der Behandlung von eigenen Patienten erstattet habe (Berufungsurteil S 14). Derartige Behauptungen sind keine Frage, die im Wege eines Buchsachverständigengutachtens zu klären sind; welches zusätzliche Vorbringen zu den angesprochen Tatfragen der Zweitkläger im Falle ihrer Erörterung erstattet hätte, führt er in seiner außerordentlichen Revision nicht aus, womit die Erheblichkeit des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan ist (vgl RIS-Justiz RS0037325 [T4 und 5]; RIS-Justiz RS0120056 [T7]; RS0037300 [T28]). Der behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Zweitkläger macht demnach keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend; seine außerordentliche Revision ist somit unzulässig und zurückzuweisen.

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