European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0090OB00008.07B.0507.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger, war Rechtsanwalt in Deutschland und wohnt mit seiner Ehefrau in P*****, BRD. Vor etwa 30 Jahren lernte er Margit S***** kennen, mit der er in Österreich während längerer Aufenthalte in einer temporären Lebensgemeinschaft zusammenlebte. Aus dieser Lebensgemeinschaft entstammen die beiden Beklagten. Hier erwarb der Kläger auch die prozessgegenständlichen Liegenschaften mit zwei Wohnhäusern. Margit S***** führte mit ihren beiden Kindern die zum Anwesen gehörende Landwirtschaft (Schafzucht). Mit Übergabsvertrag vom 16. 3. 2000 übergab der Kläger die ihm gehörenden Liegenschaften EZ 56, 262, 622 und 685 je Grundbuch 4***** den Beklagten zu gleichen Teilen in ihr Eigentum. Insbesondere heißt es im schriftlichen Übergabsvertrag:
„... II.
Herr Dr. Otto C***** von A***** übergibt hiemit die in Vertragspunkt I. angeführten Liegenschaften EZ 56, 262, 622 und 685 je Grundbuch 4*****, bestehend aus den in Punkt I angeführten Grundstücken zu gleichen Teilen an seine Kinder Andrea Christina S***** und Franz Florian S***** und diese übernehmen die vorgenannten Liegenschaften samt allen Einrichtungsgegenständen und allem landwirtschaftlichen Inventar, insbesondere mit dem gesamten Viehstand und allen landwirtschaftlichen Geräten, Maschinen und Werkzeugen, zu gleichen Teilen in ihr Eigentum.
III.
Die Übergabe erfolgt zu nachstehenden Bedingungen und gegen Erbringung folgender Übergabsleistungen:
a) Fruchtnießung für den Übergeber:
Der Übergeber trägt sich das Recht der Fruchtnießung im Sinn des § 509 ABGB an sämtlichen Übergabsliegenschaften auf dessen Lebenszeit aus und räumen die Übernehmer dieses Fruchtgenussrecht hiermit vertraglich ein und erklärt der Übergeber hiemit die Vertragsannahme, wobei als vereinbart gilt, dass der Übergeber als Fruchtnießer sämtliche bei den Übergabsliegenschaften anfallenden Erhaltungskosten, Betriebskosten, Strom- und Heizkosten sowie Abgaben und Steuern zu tragen hat.
b) Pflege und Betreuung:
Die Übernehmer verpflichten sich, den Übergeber im Krankheits- und Gebrechlichkeitsfalle unentgeltlich mit kindlicher Liebe zu pflegen und zu betreuen. Der Übergeber nimmt dieses Recht hiermit vertraglich an ... .
c) Belastungs- und Veräußerungsverbot ...
... VII.
Die Übergabe erfolgt mit Vorbehalt des Wiederkaufes. Die Übernehmer räumen daher dem Übergeber hinsichtlich sämtlicher Übergabsliegenschaften das Recht des Wiederkaufes im Sinne des § 1068 ABGB ein, wobei der Wiederkaufspreis darin besteht, dass der Übergeber im Falle des Wiederkaufes eine von den Übernehmern bereits erbrachte Pflege und Betreuung im Sinne des Punktes III. Abs b) dieses Vertrages mit einem Betrag von S 60.000,‑- pro Jahr, wertgesichert nach dem VPI 1996 = 100 mit Ausgangsindexzahl März 1999, abzugelten, jedoch einen darüber hinausgehenden Wiederkaufspreis nicht zu leisten hat. Der Übergeber erklärt, das Wiederkaufsrecht im vorstehenden Umfang vereinbarungsgemäß anzunehmen. ..."
Dem Kläger wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Bad Ischl vom 8. 4. 2005 Dr. Peter Heigenhauser als Sachwalter für alle Angelegenheiten (§ 273 Abs 3 Z 3 ABGB) bestellt. Dieser teilte den Beklagten mit Schreiben vom 15. 9. 2005 mit, dass der Kläger von seinem Wiederkaufsrecht Gebrauch mache.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der durch den Sachwalter vertretene Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Rückübertragung der genannten Liegenschaften an ihn sowie zur Einwilligung in die Einverleibung seines Eigentumsrechts an dessen Liegenschaften. Die Voraussetzungen für die Ausübung seines mit den Beklagten vereinbarten Wiederkaufsrechts lägen vor. Die Beklagten seien der Aufforderung des Sachwalters, die Liegenschaften an den Kläger zurückzustellen, nicht nachgekommen. Sofern der Übergabsvertrag des Notariatsakts bedurft hätte, sei dieser Formmangel durch tatsächliche Übergabe geheilt. Beim vorliegenden Vertrag handle es sich um einen entgeltlichen Übergabevertrag, auch das Wiederkaufsrecht sei wirksam vereinbart worden, es liege diesbezüglich keine notariatsaktsbedürftige (Rück‑)Schenkung vor. Dem ebenfalls erhobenen Einwand der Verkürzung über die Hälfte stehe die Verjährungseinrede entgegen.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Da gemäß Punkt VII. des Übergabsvertrags mit dem Wiederkaufspreis nur tatsächlich erbrachte Pflege und Betreuungsleistungen mit 60.000 S pro Jahr abgegolten werden sollten und eine Gegenleistung für die Liegenschaft selbst nicht vorgesehen sei, handle es sich beim vereinbarten Wiederkaufsrecht in Wahrheit um ein notariatsaktspflichtiges Schenkungsanbot. Mangels Einhaltung der Form eines Notariatsakts sei Punkt VII. des Übergabsvertrags rechtsunwirksam. Diese Vertragsbestimmung schaffe überdies eine gemäß § 946 ABGB unzulässige, weil grundlose Widerrufsmöglichkeit und sei aus diesem Grund rechtsunwirksam. Eventualiter erhoben die Beklagten die Einrede der Verkürzung über die Hälfte und fochten den Punkt VII. des Übergabsvertrags an. Abgestellt auf den Zeitpunkt der Ausübung des Wiederkaufsrechts würde nicht einmal die Hälfte des Werts der Liegenschaften abgegolten.
Überdies entspreche die Ausübung des Wiederkaufsrechts auch nicht dem nach § 273a Abs 3 ABGB zu berücksichtigenden Willen des Klägers. Auch sei der Sachwalter aufgrund der Höchstpersönlichkeit des Wiederkaufsrechts nicht berechtigt, dieses auszuüben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch folgende Feststellungen: Der Kläger besuchte die Beklagten und deren Mutter vor allem an den Wochenenden bzw während der Jagdsaison auch für längere Zeiträume. Er hatte die Absicht, sein in Österreich befindliches Vermögen, vor allem die prozessgegenständlichen Liegenschaften, für seine österreichischen Kinder zu sichern, wobei er sich vorstellte, den Lebensabend bei seiner „österreichischen Familie" zu verbringen und von dieser im Alter betreut und gepflegt zu werden. Dies trachtete er zunächst (etwa 1998) durch eine entsprechende letztwillige Verfügung und einen Schenkungsvertrag auf den Todesfall zu bewirken. Ende des Jahres 1999 entschloss er sich, die Liegenschaften ins Eigentum der Beklagten zu übertragen. Am 16. 3. 2000 unterfertigten die Vertragsparteien den vom österreichischen Rechtsanwalt Dr. Hans R***** gemeinsam mit dem Kläger formulierten Übergabsvertrag mit notarieller Beglaubigung. Der Vertrag wurde zwar nicht im Einzelnen besprochen, doch waren die Beklagten über dessen Inhalt durch mündliche Mitteilungen des Klägers informiert.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass eine über den Vertragstext hinausgehende Parteiabsicht bestanden habe und daher vereinbart worden sei, dass der Kläger sein Wiederkaufsrecht nur dann ausüben könne, wenn die Beklagten ihm die Pflege und Betreuung zu Hause auf den prozessgegenständlichen Liegenschaften verweigerten oder sich nicht mehr um die Landwirtschaft kümmerten. Davon könne er aber angesichts der Wirtschaftsführung durch die Beklagten und deren erklärten Pflegewillens keine Rede sein. Nach dem richtig verstandenen Inhalt des Übergabsvertrags stehe daher das vom Sachwalter des Klägers ausgeübte Wiederkaufsrecht zumindest derzeit nicht zu.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil wegen Verfahrensmängeln auf. Bei der über den Vertragstext hinausgehenden Einschränkung des Wiederkaufsrechts handle es sich um eine „überschießende" Feststellung, die im Beklagtenvorbringen keine Deckung finde. Gemäß § 182a ZPO wäre daher das Erstgericht verhalten gewesen, diesen Aspekt mit den Parteien zu erörtern, was es aber unterlassen habe. Darüber hinaus sei aber auch die Feststellung über die Einschränkung des Wiederkaufsrechts mangels Begründung nicht nachvollziehbar, insbesondere lasse sich ein derartiger Wille aus der Aussage des Zeugen Dr. R*****, worauf sich das Erstgericht stütze, nicht ohne weiteres ableiten. Das Berufungsgericht vertrat überdies die Rechtsauffassung, dass der Übergabsvertrag, selbst wenn er notariatspflichtig gewesen sei, durch tatsächliche Übergabe auch hinsichtlich eines allfälligen Formmangels jedenfalls geheilt sei. Nicht zu folgen sei der Ansicht der Beklagten, dass in der Vereinbarung des Wiederkaufsrechts ein Schenkungsvertrag zu ersehen sei, welcher notariatsaktspflichtig sei. Vielmehr würden durch den Wiederkaufspreis allenfalls bereits erbrachte entgeltliche Leistungen der Beklagten abgegolten. Keine der Parteien habe behauptet, dass der Übergabevertrag selbst an einer Äquivalenzstörung von Sachwert und Gegenleistung leide. Trotz des aleatorischen Moments könne daher auch die Rückabwicklung mittels des vereinbarten Wiederkaufsrechts nicht wegen Verkürzung über die Hälfte angefochten werden. Der Sachwalter sei zur Ausübung des Gestaltungsrechts befugt, § 273a Abs 3 ABGB zeitige nur Innen- und keine relevanten Außenwirkungen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zur Frage, ob bei Einräumung eines Wiederkaufsrechts in einem Übergabsvertrag dann, wenn das Zustandekommen des Übergabsvertrags selbst unangefochten bleibe, der durch die Ausübung des Wiederkaufsrechts bewirkte (zweite) Kaufvertrag gemäß §§ 934 f ABGB angefochten werden könne, keine gefestigte Judikatur bestehe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
Sowohl nach den Materialien (RV 742 BlgNR 15. GP, 19) als auch nahezu übereinstimmender Lehre (Hopf in KBB § 273a ABGB Rz 3; Stabentheiner in Rummel I3 § 273a Rz 4, Weitzenböck in Schwimann I3 § 273a Rz 7 und Maurer/Tschugguel Sachwalterrecht2 72) kommt dem Informations‑ und Äußerungsrecht (§ 273a ABGB alt) nur im Verhältnis zwischen behinderter Person und Sachwalter Bedeutung zu; seine Verletzung berührt die Gültigkeit von Rechtshandlungen des Sachwalters nicht. Die Gegenmeinung V. Steiningers („Zum Mitspracherecht Pflegebefohlener" in FS Kralik 550 f) ist vereinzelt geblieben und überzeugt nicht.
Entgegen der Auffassung der Beklagten muss auch die Ausübung des „Wiederkaufsrechts" dem Sachwalter des Berechtigten zugestanden werden. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass auch der Widerruf einer Privatstiftung trotz der dort einfließenden subjektiven, gefühlsbedingten Überlegungen die Vertretungsbefugnis des Sachwalters nicht ausschließt, zumal die Ausübung von Gestaltungsrechten nicht a priori "vertretungsfeindlich" ist (6 Ob 106/03m = SZ 2003/105). Diese Erwägungen müssen auch im vorliegenden Fall gelten, wo nicht ein Dritter, sondern der gesetzliche Vertreter des Berechtigten tätig wird.
Die Beklagten vermeinen weiters, dass das Klagebegehren schon nach dem Text des Übergabsvertrags abzuweisen gewesen wäre und die Aufhebung zur Ermittlung einer über den Text hinausgehenden Parteiabsicht entbehrlich ist. Dem kann nicht gefolgt werden. Bestand nämlich keine über den Wortsinn der Vertragsurkunde hinausgehende übereinstimmende Parteiabsicht, kommt es nur auf den objektiven Erklärungswert der Urkunde, nicht aber darauf an, wie eine Partei diese subjektiv verstanden hat (RIS‑Justiz RS0017783). Eine reine Urkundenauslegung könnte aber, wie noch darzulegen ist, im vorliegenden Fall nicht zugunsten der Beklagten ausgehen. Die Rechtsgrundlage eines Wiederkaufsrechts ist der ursprüngliche Kaufvertrag (RIS‑Justiz RS0020175). Von der Rechtsprechung wurde die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts auch in einem Übergabevertrag für zulässig anerkannt (2 Ob 278/97i). Wesentliches Merkmal eines Wiederkaufsrechts ist es, dass die verkaufte Sache zu einem bestimmten oder bestimmbaren Preis wieder zurückgekauft werden kann (SZ 2002/159 ua). Unterzieht man nun Punkt VII. des Übergabsvertrags einer näheren Überprüfung, erkennt man, dass ein bestimmter bzw bestimmbarer Wiederkaufspreis nur in dem Umfang besteht, als von den Übernehmern tatsächlich Pflegeleistungen erbracht wurden, nämlich wertgesicherte 60.000 S pro Jahr, während ein darüber hinausgehender Wiederkaufspreis ausdrücklich ausgeschlossen ist. Solange daher abzugeltende Pflegeleistungen nicht erbracht wurden, wie es hier unstrittig ist, handelt es sich bei dem Vorbehalt des „Wiederkaufs" trotz dieser Bezeichnung in Wahrheit um die Vereinbarung eines dem Übergeber eingeräumten, besonderen Widerrufsrechts. Dieses kann aber nicht losgelöst vom Übergabsvertrag als formbedürftige „Schenkung" angesehen werden, sondern als ein besonderes, dem Übergeber von Anfang an eingeräumtes Gestaltungsrecht, dem zwingende gesetzliche Bestimmungen nicht entgegenstehen. Der Rücktritt von bereits in Vollzug gesetzten Übergabsverträgen wurde im Übrigen von der Rechtsprechung auch nur für den Fall verneint, dass nichts anderes vereinbart wurde (RIS‑Justiz RS0017117). Liegt aber - vor Erbringung von Gegenleistungen - nicht die Ausübung eines Wiederkaufsrechts, sondern eines besonderen Widerrufsrechts vor, stellt sich die von den Beklagten relevierte Frage einer Verkürzung über die Hälfte nach § 934 ABGB gar nicht.
Die Beklagten meinen ferner, dass, soferne der Übergabsvertrag als Schenkung zu beurteilen sei, dessen Widerruf § 946 ABGB entgegenstünde, zumal die Voraussetzungen der §§ 947, 948 ABGB nicht gegeben seien. Dabei übersehen die Beklagten jedoch, dass die §§ 947, 948 ABGB zwar gesetzliche Widerrufsrechte regeln, diese Regelung jedoch nicht abschließender Natur ist, zumal § 946 ABGB dispositiver Natur ist. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit können daher einem Schenkungsvertrag auch Wiederkaufsrechte, Vorkaufsrechte, Resolutivbedingungen (Binder in Schwimann IV3 § 946 Rz 7) oder aber ein Widerrufsvorbehalt (Schubert in Rummel ABGB I3 § 946 Rz 1) zulässigerweise beigesetzt werden. Auch der Aspekt einer Schenkung würde daher die entgeltfreie Rückübertragung der Liegenschaften (vor Erbringung der abzugeltenden Leistungen) nicht hindern.
Im Ergebnis ist daher dem Berufungsgericht dahin beizupflichten, dass aus dem Vertragstext allein eine Klageabweisung nicht begründbar ist.
Zweck des Rekurses nach § 519 Z 2 ZPO ist die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof. Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrundeliegende Rechtsansicht (hier: die Notwendigkeit ergänzender Feststellungen zur Frage einer über den Vertragstext hinausgehenden Parteiabsicht nach Ergänzung des Verfahrens) richtig, kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob die Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist.
Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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