OGH 9ObA15/07g

OGH9ObA15/07g7.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Zentralbetriebsrat der Bank Austria-Creditanstalt AG, Lasallestraße 1, 1020 Wien, vertreten durch Dr. Georg Grießer und andere, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Bank Austria Creditanstalt AG, Vordere Zollamtstraße 13, 1030 Wien, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte KEG, Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, Unterlassung und Wiederherstellung (Gesamtstreitwert 30.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. September 2006, GZ 7 Ra 92/06k-21, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 15. Dezember 2005, GZ 27 Cga 78/05w-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.503,54 EUR (darin 250,59 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Schreiben vom 27. 10. 1958 ermächtigten der Generaldirektor und der Direktor der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien (= Rechtsvorgängerin der Beklagten) die „Vorstände aller Abteilungen und Zweiganstalten", „die ihnen zugeteilten Angestellten nach Erledigung des Tagesgeschäfts von Montag bis Freitag nach 15.20 Uhr und an Samstagen nach 13.30 Uhr vom Dienst freizustellen". In diesem Schreiben gab die Direktion auch ihrer Erwartung Ausdruck, dass sie nicht genötigt werde, infolge Ansteigens von Überstundenleistungen oder Anhäufung von Rückständen die Ermächtigung zum vorzeitigen Dienstschluss generell oder hinsichtlich einzelner Abteilungen oder Zweiganstalten widerrufen zu müssen. Im August 1959 ermächtigte die Direktion die „Vorstände aller Abteilungen und Zweiganstalten, den ihnen zugeteilten Angestellten an Samstagen ab 13.00 Uhr frei zu geben", wies jedoch darauf hin, dass „die Herren Vorstände dafür verantwortlich sind, dass das Tagesgeschäft erledigt wird; eine Verschiebung notwendiger Arbeiten auf den nachfolgenden Werktag darf nicht erfolgen". Im Dezember 1969 teilte die Direktion der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien den Angestellten mit, dass die wöchentliche Arbeitszeit von 42 ½ Stunden ab 1. 1. 1970 auf 42 Stunden gekürzt werde, wobei folgende Dienstzeiten gelten: Montag bis Donnerstag 7.30 Uhr bis 16.00 Uhr, Freitag 7.30 Uhr bis 18.00 Uhr. In diesem Schreiben führte die Direktion weiters aus, dass „die bestehende Regelung, dass die Vorstände ermächtigt sind, ihre Mitarbeiter bereits eine halbe Stunde vor Dienstschluss vom Dienst frei zu stellen" aufrecht bleibe. Diese Freistellung sei jedoch „nur unter der Voraussetzung zulässig, dass das Tagesgeschäft erledigt ist und sich daraus keine Notwendigkeit von Überstundenleistungen zu einem späteren Zeitpunkt ergibt". Schon damals betrug die unbezahlte Mittagspause eine halbe Stunde. Mit Schreiben vom 29. 4. 1971 teilte die Direktion der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien mit, dass Geschäftsleitung und Betriebsrat übereingekommen seien, ab 10. 5. 1971 die Arbeitszeit auf 42 Stunden wöchentlich zu reduzieren, wobei die täglichen Dienststunden Montag bis Donnerstag 7.30 Uhr bis 15.30 Uhr und Freitag 7.30 Uhr bis 17.30 Uhr betragen. Weiters gab die Direktion bekannt, dass „mit Wirksamwerden der neuen Arbeitszeitregelung jene Festlegung ihre Wirkung verliert, der zufolge die Vorstände der Abteilungen und Zweigstellen ermächtigt sind, ihre Mitarbeiter bereits eine halbe Stunde vor Dienstschluss vom Dienst frei zu stellen". Nach Abzug der halben Stunde Mittagspause täglich bedeutete dies eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 39,5 Stunden. Im Februar 1975 informierte die Zentralsparkasse der Gemeinde Wien über eine Betriebsvereinbarung folgenden Inhalts:

„5.) Diensteinteilung und Arbeitszeit:

Die wöchentliche Arbeitszeit wird um eine halbe Stunde verkürzt.

Daraus ergibt sich folgende Dienstzeiteinteilung: Montag, Dienstag, Mittwoch, Freitag 7.30 Uhr bis 15.30 Uhr, Donnerstag 8.00 Uhr bis

17.30 Uhr. Abzüglich der täglichen Mittagspause im Ausmaß einer halben Stunde ergibt sich daher eine wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden. Weiters sind die Vorstände ermächtigt, abweichend von der normalen Dienstzeiteinteilung den Dienstbeginn täglich - außer Donnerstag - mit 7.45 Uhr festzusetzen, wenn dadurch der Kundendienst und der organisatorische Ablauf nicht beeinträchtigt werden (Vorstandspouvoir). Grundsätzlich können die Mitarbeiter davon ausgehen, dass der Vorstand solange von dieser Ermächtigung Gebrauch macht, als er nicht ausdrücklich wegen der angeführten dienstlichen Erfordernisse den Dienstbeginn mit 7.30 Uhr festsetzt. Die Direktion wird trachten, durch geeignete organisatorische Maßnahmen die Ausnützung des Vorstandspouvoirs zu ermöglichen."

Mit 1. 9. 1988 trat § 1 Abs 1 des Kollektivvertrags betreffend die Arbeitszeitverkürzung und Flexibilisierung in den Kreditinstituten vom 3. 3. 1988 in Kraft, wonach die Arbeitszeit ausschließlich der Ruhepausen 38,5 Stunden in der Woche (Normalarbeitszeit) beträgt.

Bereits am 16. 2. 1988 hatten die Zentralsparkasse und Kommerzialbank Wien (Rechtsvorgängerin der Beklagten) und der Betriebsrat der Angestellten eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, mit welcher - unter der Voraussetzung des Inkrafttretens des vorerwähnten Kollektivvertrags betreffend die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit im Sparkassensektor auf 38,5 Stunden - die normale Arbeitszeit mit Wirkung ab 1. 9. 1988 nach folgenden Grundsätzen zu verkürzen war:

„1.) Die normale Arbeitszeit gemäß § 16 Abs 1 Z-BV beträgt 38 Stunden. Die für die Mehrzahl der Angestellten gültige Dienstzeit („Dienstzeitgrundmodell") lautet wie folgt: Montag bis Mittwoch, Freitag 7.45 Uhr bis 15.30 Uhr, Donnerstag 8.00 Uhr bis 17.30 Uhr. Das Vorstandspouvoir wird unter den Bedingungen wie bisher Montag bis Mittwoch, Freitag 15.15 Uhr bis 15.30 Uhr gewährt." Insgesamt betrachtet kam das Vorstandspouvoir den Mitarbeitern in den Abteilungen eher zugute als jenen in den Filialen, die an fixe Öffnungszeiten gebunden waren. Das „Späterkommen" oder „Frühergehen" aufgrund des Vorstandspouvoirs war die Regel, nicht die Ausnahme. Generell wurde in den Filialen am Weltspartag das Vorstandspouvoir vom Filialvorstand (Filialleiter) ausgesetzt, teilweise auch an den Tagen davor und danach sowie an den Tagen um den Monatsletzten herum. Ob Mitarbeiter das Vorstandspouvoir regelmäßig in Anspruch nehmen konnten, hing von der jeweiligen Funktion ab. So konnen etwa Mitarbeiter, die die Tresorschlüssel hatten, das Vorstandspouvoir seltener in Anspruch nehmen als andere Filialbedienstete. Wenn Mitarbeiter vor 7.30 Uhr oder pünktlich um 7.30 Uhr ihren Dienst antraten, konnten sie das Vorstandspouvoir nicht ausnützen. Sie erhielten für diese nicht konsumierten 15 Minuten keine Abgeltung. Ab 1988 verhandelten der Betriebsrat und die Rechtsvorgängerin der Beklagten über die Einführung einer Gleitzeitregelung. Im engen Zusammenhang mit der Frage der Gleitzeitregelung stand auch die Frage des Vorstandspouvoirs. Es war den Beteiligten klar, dass sich eine Gleitzeitregelung mit dem bisherigen Vorstandspouvoir nicht vertrug. Der Betriebsrat wollte aber auch nicht auf die Möglichkeit der Arbeitnehmer verzichten, im günstigsten Fall eine Stunde pro Woche weniger als im Arbeitszeitmodell vorgesehen, somit nur 37 Stunden, zu arbeiten. Der Kläger strebte daher in den Verhandlungen nach einer generellen Arbeitszeitverkürzung, dies entsprach aber nicht den Intentionen der Beklagten, die einerseits die Einführung der Gleitzeit anstrebte, aber keinesfalls unter die 1988 ausverhandelte Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf 38 Stunden gehen wollte. Die Beklagte lehnte daher bei den Verhandlungen eine generelle Verkürzung der Normalarbeitszeit auf 37 Wochenstunden ab. Sie schlug in Anlehnung an das Vorstandspouvoir 1989 vor, für jeden Arbeitstag, an dem mindestens 7 Stunden Arbeitsleistung erbracht wurden, 15 Minuten Zeitgutschrift zu gewähren, was der Kläger ablehnte. Ein weiterer Vorschlag der Beklagten lautete dahin, unter Beibehaltung der 38 Wochenstunden unter Anwendung des Vorstandspouvoirs 4 x wöchentlich 15 Minuten Zeitgutschrift zu gewähren, soferne die Tagesarbeitszeit zumindest 6 Stunden betrug. Im September 1990 einigten sich die Streitteile auf einen Testbetrieb für die Gleitzeitregelung. Sie hielten fest, dass jede tägliche Mehrbelastung ab der 9. Stunde als Überstunde gelten und entlohnt werden sollte, und beschlossen ein Vorstandspouvoir wie folgt: „4 x pro Woche eine Viertelstunde für vollbeschäftigte Mitarbeiter ab 5,5 Stunden, wozu auch bezahlte Abwesenheiten zählen, egal welcher Wochentag. Teilzeitbeschäftigte aliquot: Halbtagsbeschäftigte 2 x pro Woche eine Viertelstunde, ab drei Stunden, Mindestanwesenheit von drei Stunden; für Ultimokräfte wird eine gesonderte Vereinbarung getroffen".

Diese Regelung wurde den Mitarbeitern im Mitarbeitermagazin („Insider") im Oktober 1990 vorgestellt. Dabei wurde hervorgehoben, dass anstatt des „Vorstandspouvoirs, das bei Nichtkonsumieren verloren gegangen sei, nunmehr eine 'echte Arbeitszeit-Gutschrift' erfolge". Als weitere Vorteile wurden die Flexibilität der Zeitgestaltung, die Selbstbestimmung bezüglich Dauer und Lage der täglichen Arbeitszeit, kein Pünktlichkeitszwang, keine Kernzeit, Anführen jeder Minute als Arbeitszeit, Zurverfügungstellen eines Zeitkredits von 10 Stunden bzw 5 Stunden für Teilzeitbeschäftigte am Beginn der Teilnahme an der VAZ (variablen Arbeitszeit) sowie die automatisationsunterstützte Zeiterfassung unter Wahrung größtmöglicher Datensicherheit und ohne Schaffung eines zusätzlichen technischen Kontrollinstruments, bessere Abstimmung von Privatleben und Beruf, Nutzung günstigerer Verkehrszeiten und Verkehrsverbindungen und eine besser nutzbare Freizeit ins Treffen geführt. In der Folge wurde das „Vorstandspouvoir" immer als „Leiterpouvoir" bezeichnet. Der Kläger war der Auffassung, dass es sich beim Vorstandspouvoir nur um eine widerrufliche betriebliche Übung gehandelt habe, während das Leiterpouvoir nunmehr einen Anspruch auf Zeitgutschrift gebe. Die Umbenennung erfolgte nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass durch die Umbildung der Beklagten in eine Aktiengesellschaft der Ausdruck „Vorstand" irreführend sein könnte, zumal ja damit bisher nicht gesetzliche Vertreter, sondern die Filialleiter gemeint waren. Der Kläger hätte einer Gleitzeitvereinbarung nur mit einem anderen Inhalt oder auch gar nicht zugestimmt, wäre ihm nicht von der Beklagten beim Thema Vorstands-Leiterpouvoir entgegengekommen worden. Die 1990 verhandelte Gleitzeitregelung wurde mehrere Jahre lang im Testbetrieb erprobt. Am 27. 6. 1994 schlossen die Streitteile eine Betriebsvereinbarung „variable Arbeitszeit" (gleitende Arbeitszeit gemäß § 4b AZG) ab, die auszugsweise wie folgt lautete:

㤠1 Allgemeines

Abs 1: Im Einvernehmen zwischen der Bank Austria Aktiengesellschaft und dem Zentralbetriebsrat wird den Angestellten der Bank Austria AG die Möglichkeit eingeräumt, Beginn und Ende ihrer täglichen Normalarbeitszeit innerhalb eines vereinbarten zeitlichen Rahmens selbst zu bestimmen.

Abs 2: Die Angestellten sind verpflichtet, ihre Anwesenheiten unter Rücksichtnahme auf die betrieblichen Erfordernisse mit ihrem unmittelbaren Vorgesetzten und ihren Kollegen abzustimmen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so gilt die für diese Stelle vereinbarte Arbeitszeitregelung gemäß § 16 Abs 1 BV 99.

Abs 3: Das Recht des Angestellten, gemäß § 1 Abs 1 Beginn und Ende der täglichen Normalarbeitszeit selbst zu bestimmen, kann - wenn es dienstlich oder organisatorisch erforderlich ist - im Einvernehmen mit dem Zentralbetriebsrat für einzelne Angestellte, Gruppen oder eine gesamte Stelle eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

§ 2 Geltungsbereich

Abs 1: Diese Vereinbarung gilt grundsätzlich für alle im Dienste der Sparkasse stehenden Angestellten, sofern im Folgenden oder durch Einzelvertrag nichts Abweichendes vereinbart ist ...

§ 3 Zeiterfassung

Abs 1: Die Angestellten haben die Arbeitszeitaufzeichnungen im Sinn des Arbeitszeitgesetzes automatisationsunterstützt mittels der zur Verfügung stehenden Zeiterfassungssysteme zu führen. Als

Zeiterfassungsinstrumente stehen derzeit zur Verfügung: Die Kartenleserbuchung (mit Dienstausweis auf Zeiterfassungsterminals), Schnellbuchungen und die VAZ-Online-Buchung auf Terminals/PC mit Host-Anschluss.

§ 4 Tägliche und wöchentliche Arbeitszeit ...

Abs 2: Die tägliche Normalarbeitszeit aufgrund dieser Vereinbarung

beträgt 10 Stunden.

§ 5 Dauer und Lage der fiktiven Normalarbeitszeit (Sollarbeitszeit und Dienstzeitmodell):

Abs 1: Das fiktive Normalarbeitszeitmodell (Dienstzeitmodell) legt Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, inklusive Dauer und Lage der Ruhepause (fiktive tägliche Normalarbeitszeit) und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage fest.

Abs 2: Die Dauer der fiktiven täglichen Normalarbeitszeit (Sollarbeitszeit) sowie deren Lage ergibt sich aus dem für die jeweilige Stelle geltenden fiktiven Normalarbeitszeitmodell.

§ 6 Ruhepausen

Abs 1: Beträgt die Dauer der Tagesarbeitszeit mehr als 6 Stunden, so ist die Arbeitszeit durch eine Ruhepause von 30 Minuten zu unterbrechen.

§ 7 Dauer der Gleitzeitperiode ...

Die Gleitzeitperiode gemäß § 4 Abs 3 Z 1 AZG umfasst ein Kalendermonat.

§ 8 Gleitzeitrahmen (Rahmen Arbeitszeit)

Abs 2: Der Gleitzeitrahmen für vollbeschäftigte Angestellte wird mit

dem Zeitraum Montag bis Freitag von 7.30 Uhr bis 19.00 Uhr

festgelegt.

§ 9 Zeitguthaben und Zeitschuld ...

§ 10 Konsumation von Zeitguthaben: Stundenweise oder als Gleittag ...

§ 11 Zeitkredit

Abs 1: Vollbeschäftigte Angestellte erhalten anlässlich ihrer erstmaligen Teilnahme an der VAZ für die Dauer der Teilnahme einen Zeitkredit im Ausmaß von 10 Stunden. Dieser wird bei Beendigung des Dienstverhältnisses oder ständigem Ausscheiden aus der VAZ gegengerechnet.

§ 12 Mindestanwesenheit

Die tägliche Anwesenheitspflicht eines vollbeschäftigten Angestellten beträgt inklusive allfälliger bezahlter Absenzen mindestens 4 Stunden 30 Minuten.

§ 13 Höchstausmaß der Übertragungsmöglichkeiten von positiven und

negativen Zeitsalden ...

§ 17 Datenerfassung und Datenauswertung

Abs 5: Jede Ausstattungs- und Programmänderung sowie jede beabsichtigte Änderung der Vorgangsweise gemäß dieser Betriebsvereinbarung, Änderungen/Vereinbarungen von Dienst-Arbeitsanweisungen sowie Usancen, die im Zusammenhang mit der variablen Arbeitszeit stehen, bedürfen - soferne sich diese nicht aus Änderungen von Gesetzen bzw Normen der kollektiven Rechtsgestaltung ergeben - der Zustimmung des Zentralbetriebsrats. Ausgenommen davon sind Änderungen, die nicht inhaltlich, sondern rein abwicklungstechnisch bedingt sind."

Am gleichen Tag schlossen die Streitteile einen „Sideletter" zur VAZ-BV ab, der auszugsweise lautet wie folgt:

„1) Leiterpouvoir

Beträgt die tatsächliche Arbeitszeit (= Ist-Arbeitszeit nach Abzug der Pause) eines Vollbeschäftigten sowie Monats- und Wochen-Teilzeitbeschäftigten mindestens 5 Stunden und 30 Minuten pro Tag und eines Halbtags-Teilzeitbeschäftigten mindestens 3 Stunden pro Tag, werden 15 Minuten dem Zeitsaldo gutgeschrieben. Bezahlte untertägige Absenzen werden bei der Berechnung dieser Ist-Arbeitszeit berücksichtigt.

Die Höchstgrenzen des Leiterpouvoirs betragen:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt. Der Kläger vermeint, wie schon im Verfahren erster Instanz und im Berufungsverfahren, dass der „Sideletter" wegen seines Charakters als „integrierender Bestandteil" der AVZ-BV auch in § 4b AZG seine Rechtsgrundlage habe und deshalb auch durch den Verbandswechsel der Beklagten nicht weggefallen sei.

Gemäß § 4b Abs 2 AZG muss die gleitende Arbeitszeit durch Betriebsvereinbarung, in Betrieben, in denen kein Betriebsrat errichtet ist, durch schriftliche Vereinbarung geregelt werden (Gleitzeitvereinbarung). Gemäß Abs 3 hat die Gleitzeitvereinbarung zu enthalten:

  1. 1. die Dauer der Gleitzeitperiode
  2. 2. den Gleitzeitrahmen
  3. 3. das Höchstausmaß allfälliger Übertragungsmöglichkeiten von Zeitguthaben und Zeitschulden in die nächste Gleitzeitperiode und

    4. Dauer und Lage der fiktiven Normalarbeitszeit.

    § 4b AZG (in der hier anzuwendenden Fassung!) bestimmt ferner, dass die tägliche Normalarbeitszeit 9 Stunden nicht überschreiten darf und nur der Kollektivvertrag eine Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit bis auf 10 Stunden zulassen oder die Betriebsvereinbarung zur Verlängerung ermächtigen kann. Die wöchentliche Normalarbeitszeit darf innerhalb der Gleitzeitperiode die wöchentliche Normalarbeitszeit gemäß § 3 im Durchschnitt nur insoweit überschreiten, als Übertragungsmöglichkeiten von Zeitguthaben vorgesehen sind. Wenngleich Abs 3 des § 4b AZG einen Mindestinhalt normiert und die genannten vier Punkte durch die Betriebsvereinbarung geregelt sein müssen (Pfeil in Zell Komm §§ 3 bis 4c Rz 46), ergibt sich daraus nicht der vom Kläger gezogene Schluss, dass der Gesetzgeber den Betriebsparteien nunmehr die Möglichkeit einräumen wollte, im Zusammenhang mit der Einführung der Gleitzeit auch solche Punkte zu regeln, die dem Gesetz, dem Kollektivvertrag oder der Einzelvereinbarung vorbehalten sind. Wenngleich daher die Festlegung der täglichen Arbeitszeit und die Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit bei Übertragungsmöglichkeit von Zeitguthaben (Abs 4) von den Betriebsparteien geregelt werden können, kann daraus keine generelle Ermächtigung abgeleitet werden, im Zusammenhang mit der Einführung der Gleitzeit auch eine generelle Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit herbeizuführen. Gerade dies ist aber Inhalt des Sideletters, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Vereinbarung auf einem eigenen Papier festgehalten wurde oder genauso gut als eigener Punkt in die „VAZ-BV" selbst Eingang gefunden hätte. Es ist daher am grundsätzlichen Rechtssatz festzuhalten, dass weder § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG (RIS-Justiz RS0116731 [T2]; Arb 11.526) noch § 4b AZG die Partner einer Betriebsvereinbarung zu einer allgemeinen Verkürzung oder Verlängerung der Normalarbeitszeit legitimieren. Zulässiger Inhalt einer Betriebsvereinbarung kann daher nur sein, was durch Gesetz oder Kollektivvertrag der Regelung durch Betriebsvereinbarung überantwortet wurde (RIS-Justiz RS0050981). Wie schon von den Vorinstanzen zutreffend erkannt, hatte der „Sideletter" seine rechtliche Grundlage als „echte" Betriebsvereinbarung in Art II des Sparkassenkollektivvertrags. Als „freie", unzulässige Betriebsvereinbarung wäre nur eine solche zu werten, der es an der entsprechenden Grundlage im Gesetz oder Kollektivvertrag ermangelt. Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (SZ 73/211; SZ 2005/169), endet die Geltungsdauer jedenfalls einer normativen Betriebsvereinbarung bei Wegfall des gemäß § 29 ArbVG für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung erforderlichen gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Vorbehalts. In diesem Fall erlischt die Betriebsvereinbarung ohne Nachwirkung. Dies wird primär damit begründet, dass die Betriebsvereinbarung ihre Ermächtigungsgrundlage nicht überdauern kann. Konkret wurde in 9 ObA 128/04w = SZ 2005/169 und 9 ObA 127/04y ausdrücklich dargelegt, dass durch den Kollektivvertragswechsel der Beklagten sowohl die Anwendbarkeit des Sparkassenkollektivvertrags als auch der nur darauf beruhenden Betriebsvereinbarungen weggefallen ist. Soweit der Kläger auf eine frühere Betriebsübung verweist, erkennt er in seinem Vorbringen selbst, dass der erforderliche generalisierende Charakter (RIS-Justiz RS0014543) den Feststellungen über das „Vorstandspouvoir" nicht zu entnehmen ist. Überdies nimmt das Urteilsbegehren ausdrücklich nur auf den „Sideletter zur Betriebsvereinbarung über die variable Arbeitszeit" Bezug. Desgleichen sind Erwägungen über eine (analoge) Anwendung des § 4 AVRAG nicht anzustellen, da der Kläger im Verfahren erster Instanz sein Begehren nicht auf diesen Rechtsgrund, sondern nur auf konkrete andere gestützt hat. In der Rechtsrüge seiner Berufung wies der Kläger zwar darauf hin, dass nach der Entscheidung 9 ObA 128/04w die Arbeitnehmer der Beklagten wegen der analogen Anwendung des § 4 Abs 2 erster Satz AVRAG keine Entgeltverkürzung für die in der Normalarbeitszeit regelmäßig erbrachte Arbeitsleistung erfahren dürften, doch führte er auch ausdrücklich aus, dass die Frage der Entgeltkonsequenzen nicht Gegenstand dieses Verfahrens sei und „nur zu den vorauseilenden Ausführungen des Erstgerichts Stellung genommen werde" (AS 391, 393). Damit ist klar, dass die Rechtsrüge der Berufung nicht auf (eine analoge Anwendung des) § 4 Abs 2 AVRAG gestützt wird, sodass diese selbständig zu beurteilende Rechtsfrage in der Revision nicht neuerlich aufgerollt werden kann (RIS-Justiz RS0043573 [T43] ua).

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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