OGH 1Ob21/08g

OGH1Ob21/08g3.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der jeweils klagenden Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch die Brunner & Kohlbacher Advokatur GmbH in Graz, und des auf Seite der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenienten Univ.‑Prof. Dr. Rudolf B*****, vertreten durch Mag. Christian Pilz, Rechtsanwalt in Wien,

I. gegen die beklagten Parteien 1) Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17‑19, und 2) KR Heinz M*****, vertreten durch Kaan, Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen 140.700,30 EUR sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR) [20 Cg 162/06k],

sowie II. gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17‑19, wegen 15.633,43 EUR sA [20 Cg 2/07g],

infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 20. November 2007, GZ 5 R 182/07k‑73, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 23. Juli 2007, GZ 20 Cg 162/06k‑64, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0010OB00021.08G.0403.000

 

Spruch:

1. Im Verfahren 20 Cg 162/06k gegen die Republik Österreich wird die außerordentliche Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

2. Im Übrigen, und zwar im Verfahren 20 Cg 2/07g gegen die Republik Österreich und im Verfahren 20 Cg 162/06k gegen KR Heinz M***** werden die Akten dem Erstgericht zurückgestellt.

Begründung

Der Kläger brachte zunächst gegen die Erstbeklagte eine Amtshaftungsklage wegen 15.633,43 EUR - Schadenszeitraum Jänner 2004 - ein (letztlich 20 Cg 2/07g des Landesgerichts Klagenfurt), sodann eine Klage gegen beide Beklagte wegen 15.633,43 EUR ‑ Schadenszeitraum Oktober 2004 - und zusätzlich ein mit 2.000 EUR bewertetes Feststellungsbegehren (letztlich 20 Cg 162/06k des Landesgerichts Klagenfurt). Beide Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, als führendes jenes zu 20 Cg 162/06k bestimmt. Die Klägerin begehrte letztlich von der Erstbeklagten allein 140.700,87 EUR sA (Schadenszeitraum Jänner bis September 2004) und von beiden Beklagten 15.633,43 EUR sA zur ungeteilten Hand (Schadenszeitraum Oktober 2004) sowie die Feststellung der Haftung für sämtliche kausalen künftigen Schäden aus dem Verfahren 9 E 4762/02a des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz. Der Klägerin seien durch die Säumigkeit des Exekutionsgerichts - im Zusammenhang mit der Pfändung von Vermögensrechten der Klägerin, nämlich der Verhängung eines Verfügungsverbots über ihr zustehende Mietrechte und Verwertung derselben durch Zwangsverwaltung - Schäden wegen entgangener Mietzinse entstanden. Aufgrund des Zusammenwirkens des Gerichts und des Zweitbeklagten als Zwangsverwalter ergebe sich das schuldhafte, für den Schaden kausale Verhalten beider Beklagten.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren in beiden verbundenen Rechtssachen ab. Die Verzögerung der Entscheidung über den Verwertungsantrag sei im Wesentlichen dadurch bedingt gewesen, dass sich die Klägerin beharrlich geweigert habe, an der Feststellung des Umfangs der Miet- und Nutzungsrechte mitzuwirken.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands, über den das Berufungsgericht in Ansehung des Zweitbeklagten entschieden habe, insgesamt 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR, übersteige, und dass die ordentliche Revision in beiden verbundenen Verfahren nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Zu 1.:

Die Klägerin zeigt in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf. Der Verfahrensrüge (unterbliebene Einvernahme von beantragten Zeugen) ist entgegenzuhalten, dass ein - allfälliger - Mangel des Verfahrens erster Instanz, der in der Berufung geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint wurde, nach ständiger Rechtsprechung nicht mehr in der Revision gerügt werden kann (Kodek in Rechberger3 § 503 ZPO Rz 9 mwN). Zur Rechtsrüge, welche in der - von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen (wonach eine neue Untervermietung aufgrund des kollabierten Markts in Graz nicht möglich gewesen wäre) abweichenden - Behauptung kulminiert, dass die Klägerin ohne schuldhafte Säumnis des Exekutionsgerichts das Objekt zumindest teilkostendeckend untervermieten hätte können, ist lediglich anzumerken, dass der Verpflichtete weder durch die Bewilligung der Zwangsverwaltung noch durch die Einführung des Zwangsverwalters geschäfts- oder prozessunfähig wird. Er kann auch Verfügungen über den Gegenstand der Zwangsverwaltung selbst treffen, die - im Hinblick auf den Schutzzweck des Verfügungsverbots - nicht (absolut) ungültig, sondern allenfalls nur gegenüber den Gläubigern im Zwangsverwaltungsverfahren unwirksam sind (1 Ob 229/00h; 1 Ob 23/01s; je mwN).

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zu 2.:

Die Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hat nicht zur Folge, dass der Streitwert zusammenzurechnen wäre (RIS‑Justiz RS0037271). Hat das Berufungsgericht über verbundene Rechtssachen gemeinsam entschieden, ist dies für die Rechtsmittelzulässigkeit ohne Bedeutung (RIS‑Justiz RS0036717; 4 Ob 569/95 uva).

Im Verfahren 20 Cg 2/07g gegen die Erstbeklagte beträgt der Streitwert 15.633,43 EUR. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Gemäß § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 4.000 EUR, nicht aber insgesamt 20.000 EUR, übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter solchen Voraussetzungen kann eine Partei nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungserkenntnisses nur den gemäß § 508 Abs 2 erster Satz ZPO beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.

Ist das Erstgericht der Auffassung, einer Vorlage an das Berufungsgericht stehe das Fehlen eines ausdrücklichen Abänderungsantrags entgegen und es genüge die im Rechtsmittel ohnehin enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil dieses erkennbar (gleich den Rechtsmittelausführungen zur Sache) an den Obersten Gerichtshof gerichtet sei, dann wird es einen mit einer Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag zu erteilen haben. Sollte die Rechtsmittelwerberin die Verbesserung sodann verweigern, dann wäre die Revision jedenfalls unzulässig (vgl 4 Ob 10/08m).

Im Verfahren 20 Cg 162/06k gegen den Zweitbeklagten übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt ebenfalls 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR. Das Berufungsgericht ließ auch hier die ordentliche Revision nicht zu. Es wird daher diesbezüglich über den nachträglichen Zulassungsantrag gemäß § 508 ZPO zu entscheiden haben.

Im Hinblick auf diese Ausführungen sind die Akten - abgesehen von der Entscheidung über die außerordentliche Revision im Verfahren 20 Cg 162/06k gegen die Erstbeklagte - dem Erstgericht zurückzustellen.

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