OGH 3Ob261/07i

OGH3Ob261/07i27.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** AG, *****, vertreten durch Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Helmut Sommer und Mag. Felix Fuchs, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 20.720,75 EUR sA, infolge „außerordentlicher" Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 29. Juni 2007, GZ 4 R 215/07w-30, womit das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 23. März 2007, GZ 21 C 82/06v-24, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zur Einleitung eines Verbesserungsverfahrens zurückgestellt.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrte mit ihrer bei einem Landesgericht eingebrachten Klage die Zahlung von insgesamt 20.720,75 EUR sA, gestützt auf fünf Rechnungen über je 4.155,15 EUR sA. Dieses wies mit infolge Rekurses der klagenden Partei vom übergeordneten Oberlandesgericht bestätigtem Beschluss die Klage a limine zurück, weil die Klage eines Vorbringens entbehre, aus dem ein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang der einzelnen Rechnungsbeträge abzuleiten sei. In der Folge überwies das angerufene Gericht entsprechend einem hilfsweise gestellten Antrag die Rechtssache an ein Bezirksgericht, das dem Klagebegehren mit Urteil zur Gänze stattgab.

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Gericht erster Instanz legte die „außerordentliche" Revision der beklagten Partei unmittelbar dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Diese Vorgangsweise widerspricht der seit Inkrafttreten der WGN 1997 geltenden Rechtslage:

Rechtliche Beurteilung

Nach § 502 Abs 3 ZPO idFd WGN 1997 iVm Art 94 Z 14 des 2. Euro-Justiz-BegleitG BGBl I 2001/98 ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn (wie hier) der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 4.000 EUR, nicht aber insgesamt 20.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungsurteils den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.

Für die Frage der Revisionszulässigkeit sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche nur zusammenzurechnen, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN erfüllt sind (§ 55 Abs 5 JN). Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, so bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (§ 55 Abs 1 Z 1 JN). Ein solcher Zusammenhang besteht, wenn die Forderungen aus einer gemeinsamen Tatsache oder aus einem gemeinsamen Rechtsgrund entstanden sind (RIS-Justiz RS0037905). Er liegt nicht vor bei Forderungen aus verschiedenen, wenn auch gleichartigen Verträgen (8 Ob 128/03m mwN; 3 Ob 166/07v). Auch bei Prüfung der Rechtsmittelzulässigkeit kommt es auf das Vorbringen in der Klage (daher in concreto nicht auf nachträgliche Behauptungen der klagenden Partei oder die Feststellungen im Ersturteil) an (RIS-Justiz RS0042741, besonders [T7]; RS0106759; 7 Ob 57/04i). Aus diesen lässt sich aber hier weder das Entstehen der Forderungen aus einer gemeinsamen Tatsache noch aus einem gemeinsamen Rechtsgrund (sondern nur die wie dargelegt irrelevante Gleichartigkeit der behaupteten Verträge) ableiten, weshalb ein Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz im Zwischenbereich vorliegt. Im Übrigen käme selbst im Zweifel eine Zusammenrechnung nicht in Betracht (4 Ob 198/07g; Gitschthaler in Fasching/Konecny2 § 55 JN Rz 10 mwN; Zechner in Fasching/Konecny2 § 502 ZPO Rz 149).

Im vorliegenden Fall hat die Rechtsmittelwerberin das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und darin auch ausgeführt, warum sie entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachte. Der Revision fehlt freilich die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO) gestellt werde. Im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtslage ist der Rechtsmittelschriftsatz nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sind doch im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen (§ 508 ZPO); dieser darf über das Rechtsmittel nämlich nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109623).

Ist das Erstgericht der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern, und es genüge die im Rechtsmittel ohnehin enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil diese erkennbar (gleich den Revisionsausführungen zur Sache) an den Obersten Gerichtshof gerichtet sei (vgl zum Fehlen der [richtigen] Bezeichnung des Berufungsgerichts E. Kodek in Rechberger3, § 467 ZPO Rz 2), dann wird es einen mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag zu erteilen haben. Fehlt nämlich einem fristgebundenen Schriftsatz ein Inhaltserfordernis iSd § 84 Abs 3 ZPO, ist ein Verbesserungsverfahren einzuleiten. Das gilt nach § 474 Abs 2 zweiter Satz ZPO auch für das Fehlen des Rechtsmittelantrags. Sollte die Rechtsmittelwerberin die Verbesserung ihres Schriftsatzes ungeachtet des Auftrags verweigern, dann wäre die Revision jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0109501). Der Akt ist dem Erstgericht zurückzustellen.

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