European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2004:0070OB00057.04I.0526.000
Spruch:
1.) Die außerordentliche Revision wird, soweit sie die Forderungen von EUR 39.118,36 sA und EUR 33.648,62 sA betrifft, gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
2.) Hinsichtlich der Forderung von EUR 14.718,24 sA wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
Mit der Klage begehrte die klagende Partei
1.) auf Grund eines Lieferungsübereinkommens vom 30. 12. 1993 (Blg A) von der Erstbeklagten sowie dem Zweit‑ und dem Drittbeklagten (gegen den inzwischen ein in Rechtskraft erwachsenes Versäumungsurteil ergangen ist) zur ungeteilten Hand EUR 39.118,36 sA
2.) auf Grund eines Lieferungsübereinkommens vom 4. 2. 2001 (Blg C) von der Erstbeklagten, dem Zweit‑ und dem Viertbeklagten zur ungeteilten Hand EUR 33.648,62 sA und
3.) auf Grund eines weiteren, ebenfalls vom 4. 2. 2001 datierenden Lieferungsübereinkommens (Blg I) von der Erst‑, dem Zweit‑ und dem Drittbeklagten zur ungeteilten Hand EUR 14.718,24 sA.
Die Erst‑, Zweit‑ und Viertbeklagten beantragten Klagsabweisung und wendeten ua Gegenforderungen (aus dem Titel des Schadenersatzes) von insgesamt EUR 64.989,67 kompensando gegen alle drei Klagsforderungen ein.
Das Erstgericht erkannte mit Teilurteil alle drei Klagsforderungen als zu Recht bestehend.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es die vom Erstgericht beabsichtigte Klagsstattgebung "im Sinne eines Leistungsurteiles" verdeutlichte, wobei es aussprach, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich das undifferenziert als außerordentliche Revision bezeichnete Rechtsmittel der Erst‑, Zweit‑ und Viertbeklagten (im Folgenden nur mehr Beklagte genannt).
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel ist hinsichtlich der Klagsforderungen von EUR 39.118,36 sA und EUR 33.648,62 sA mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. Hinsichtlich des Klagebegehrens nach Zahlung von EUR 14.718,24 sA fehlt es an der Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofes zur inhaltlichen Erledigung. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand - und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichtes ‑, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RIS‑Justiz RS0053096). Diese Regelung ist gemäß Abs 5 leg cit auch für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgebend. Demnach sind für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision mehrere in einer Klage von einer einzelnen Person gegen eine einzelne Partei erhobene Ansprüche nur dann zusammenzurechnen, wenn sie iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichem Zusammenhang, wenn sie allesamt aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass also noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS‑Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt dagegen vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung stattfindet (RIS‑Justiz RS0037899). Bei Prüfung der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, ist von den Klageangaben auszugehen (RIS‑Justiz RS0042741, zuletzt etwa 7 Ob 84/02g; 9 Ob 50/03y; 9 ObA 5/03f).
Im vorliegenden Fall stützen sich die einzelnen Klagsforderungen auf drei verschiedene Lieferungsübereinkommen, die - mag sich auch der wesentliche Einwand der Beklagten auf alle drei beziehen - ausgehend von den Klageangaben ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben können. Da demnach die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung der einzelnen Ansprüche nicht vorliegen, ist die Frage der Rechtsmittelzulässigkeit für jedes Begehren getrennt zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0041602).
Es ist demnach zwischen den Klagsforderungen von EUR 39.118,36 sA und EUR 33.648,62 sA einerseits und der dritten Forderung von EUR 14.718,24 sA andererseits zu differenzieren:
Hinsichtlich der beiden ersteren, jeweils EUR 20.000,‑- übersteigenden Forderungen ist eine außerordentliche Revision in Ansehung des Streitwertes zwar grundsätzlich möglich. Die Revisionswerberin zeigt aber diesbezüglich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Entscheidend ist allein die Auslegung des im - ua eine Schankanlage betreffenden - Lieferungsübereinkommen vom 4. 2. 2001 (Blg C) enthaltenen Passus: "Aus dem Verkauf des oa Inventars treffen die Brauerei selbst keinerlei Gewährleistungspflichten. Soweit ihr jedoch Gewährleistungsansprüche gegenüber den Lieferanten unmittelbar zustehen, tritt sie diese über Wunsch des Vertragspartners an diesen ab." Die Vorinstanzen haben diese Vertragsbestimmungen dahin interpretiert, dass damit ein Gewährleistungsausschluss betreffend die Klägerin als Finanziererin vertraglich fixiert worden sei, wobei man vereinbart habe, dass sich die Erstbeklagte hinsichtlich allfälliger Gewährleistungsansprüche selbst mit der Lieferantin (der Nebenintervenientin), nicht aber mit der Klägerin auseinanderzusetzen habe, die ihr ihre Ansprüche gegen die Lieferantin allenfalls auf Verlangen abtreten werde. Da damit gewährleistet sei, dass die Erstbeklagte Gewährleistungsansprüche erheben könne, sei der Gewährleistungsausschluss zu Gunsten der klagenden Partei nicht sittenwidrig, sondern wirksam.
Diese von den Umständen des Einzelfalles abhängige Vertragsauslegung halten die Revisionswerberinnen für unrichtig, ohne damit aber eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen zu können: Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nämlich nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936; RS0044298; RS0044358 ua). Davon kann hier gar keine Rede sein. Ob auch eine andere Auslegung des Vertrages vertretbar wäre, stellt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0042776; RS0042936; RS0112106 ua).
Betreffend die, ungeachtet des Umstandes, dass die Revisionswerber ihren Einwand der mangelnden Fälligkeit auch diesbezüglich aus der behaupteten Mangelhaftigkeit der Schankanlage herleiten möchten, - wie ausgeführt - gesondert zu betrachtende Klagsforderung von EUR 14.718,24 sA, sind die Voraussetzungen des § 502 Abs 3 ZPO, nämlich eines zwar EUR 4.000,‑ ‑, nicht aber eines EUR 20.000,‑- übersteigenden Entscheidungsgegenstandes gegeben. In diesen Fällen ist, wenn die Revision - wie hier - für nicht zulässig erklärt wurde, auch keine außerordentliche Revision zulässig, sondern es ist lediglich im Wege des Abänderungsantrages nach § 508 ZPO und einer damit verbundenen ordentlichen Revision Abhilfe beim Berufungsgericht zu suchen.
Die Vorlage der "außerordentlichen" Revision der beklagten Parteien direkt an den Obersten Gerichtshof widerspricht dieser Rechtslage. Eine Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofes ist im derzeitigen Verfahrensstadium - mag auch, wie bereits erwähnt, der von den Beklagten erhobene, wesentliche Einwand völlig konform zu den beiden anderen Ansprüchen zu beurteilen sein - nicht gegeben (vgl 9 Ob 50/03y uva). Dies gilt auch, wenn der Rechtsmittelwerber in dem Schriftsatz keinen Antrag iSd § 508 Abs 1 ZPO auf Abänderung des Ausspruches des Gerichtes zweiter Instanz gestellt hat, weil dieser (allfälliger) Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist.
Das Erstgericht wird daher - im Umfang der Klagsforderung von EUR 14.718,24 sA - das nicht jedenfalls unzulässige Rechtsmittel der Beklagten gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Berufungsgericht vorzulegen haben. Ob der Rechtsmittelschriftsatz den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (9 Ob 50/03y uva).
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