OGH 3Ob280/07h

OGH3Ob280/07h27.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei M***** Inc, *****, vertreten durch Fiebinger, Polak, Leon & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die verpflichtete Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Unterlassung (§ 355 EO; Streitwert 36.336,41 EUR), infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 13. August 2007, GZ 2 R 180/07h-31, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 10. Mai 2007, GZ 13 E 7069/05f-24, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der verpflichteten Partei ist mittels einstweiliger Verfügung verboten, das Zeichen M*****, in welcher Form auch immer, und/oder dazu ähnliche Zeichen als Firmenschlagwort oder Etablissementbezeichnung, in welcher Schreibweise auch immer, in Zusammenhang mit Dienstleistungen, die unter den Unternehmensgegenstand der betreibenden Partei, nämlich Überlassung und/oder Bereitstellung von Arbeitskräften, Leiharbeit, Personalleasing, Personalvermittlung, Zeitarbeitsvermittlung oder ähnliche Unternehmensgegenstände in jedweder Betriebsform, fallen, zu verwenden oder bei derartigen Handlungen mitzuwirken. Das Erstgericht bewilligte der betreibenden Partei die Exekution nach § 355 EO, weil die verpflichtete Partei durch mehrere Handlungen gegen das Unterlassungsgebot verstoßen habe, und verhängte dafür Geldstrafen von insgesamt 3.600 EUR. Das Rekursgericht verhängte für ein weiteres Zuwiderhandeln eine zusätzliche Geldstrafe von 5.000 EUR und trug der Verpflichteten den Erlag einer Sicherheitsleistung gemäß § 355 Abs 2 EO von 16.351,39 EUR auf.

Am 7. Mai 2007 brachte die verpflichtete Partei gegen die betreibende Partei eine Impugnationsklage ein, in der sie vorbrachte, nicht gegen das Unterlassungsgebot verstoßen zu haben, die angeblichen Verstöße seien zu unbestimmt und zu wenig konkret beschrieben, die verpflichtete Partei treffe am Zuwiderhandeln kein Verschulden und die Exekutionsführung sei rechtsmissbräuchlich. Durch Löschung diverser Markenklassen sei die Grundlage für den Exekutionstitel weggefallen; das Zeichen „M*****" habe sich zum Freizeichen bzw zur Gattungsbezeichnung entwickelt.

Gleichzeitig beantragte die verpflichtete Partei, die Unterlassungsexekution/deren Vollzug bis zur rechtskräftigen Erledigung des Impugnationsverfahrens aufzuschieben. Die Fortsetzung der Exekution sei mit der Gefahr eines unersätzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensschadens für die verpflichtete Partei verbunden. Sie verwende für die Geldstrafen verzinsliches Kapital und wäre - auch im Zusammenhang mit der Rückforderung allfällig abgerufener Sicherheitsleistungen - zur Klageführung in den USA genötigt; ein allenfalls in Österreich erlangter Rückzahlungstitel wäre mangels Vollstreckungsabkommens in Wisconsin nicht durchsetzbar. Die Voraussetzungen für die annähernde Schätzung der Sicherheitsleistung nach § 355 Abs 2 EO seien nicht vorhanden, weil der als Grundlage dienende Lizenzvertrag die Lizenzgebühr für mehrere verschiedene Patente und Urheberrechte enthalten habe.

Das Erstgericht wies den Aufschiebungsantrag ab. Der geltend gemachte Zinsschaden bilde keinen beachtenswerten Vermögensnachteil. Gleiches müsse für die Sicherheit gelten, solange diese noch nicht in Anspruch genommen worden sei, wobei diese ohnehin fruchtbringend angelegt werden könne. Zu allfälligen Rückforderungsansprüchen aus Kosten- und Schadenersatz fehle eine konkrete Darstellung einer aktuellen Gefahr im Antrag.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss über Rekurs der verpflichteten Partei (teilweise) dahin ab, dass es die bewilligte Exekution in Ansehung der bereits verhängten Geldstrafen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die eingebrachte Impugnationsklage aufschob, sofern und sobald von der verpflichteten Partei eine Sicherheitsleistung von 16.351,39 EUR erlegt werde. Den Antrag der verpflichteten Partei, die genannte Exekution auch in Ansehung der gemäß § 355 Abs 2 EO auferlegten Sicherheitsleistung aufzuschieben, wies es ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs gegen den abändernden Teil dieser Entscheidung zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob der Zinsschaden bei Geldstrafen einen Vermögensnachteil nach § 44 Abs 1 EO bilde und die Aufschiebung des Vollzugs der Geldstrafen bei der Unterlassungsexekution die gleichzeitige Aufschiebung der Eintreibung der Sicherheitsleistung nach § 355 Abs 2 EO bedinge oder Geldstrafen einerseits und Kaution nach § 355 Abs 2 EO andererseits ein eigenes rechtliches Schicksal im Zusammenhang mit der Aufschiebung haben könnten. Da die Impugnationsklage der verpflichteten Partei nicht offenbar aussichtslos sei, liege ein hinreichender Aufschiebungsgrund nach § 42 Abs 1 Z 5 EO vor. Der drohende Vollzug einer Geldstrafe bewirke zwar in der Regel keine Gefahr eines mit der Fortsetzung der Exekution drohenden nicht oder nur schwer ersetzbaren Nachteils, weil zu Unrecht verhängte Geldstrafen zurückzuzahlen seien, eine Gefahr iSd § 44 Abs 1 EO könnte aber darin liegen, dass die verpflichtete Partei zur Bezahlung der Geldstrafe verzinsliches Kapital aufwenden müsse, weil der Rückzahlungsanspruch nicht auch entgangene oder aufgewendete Zinsen umfasse. Die verpflichtete Partei habe hinreichend dargetan, dass ein Zinsennachteil jedenfalls nur schwer ersetzbar wäre (Klageführung in den USA; mangelnde Anerkennung und Vollstreckbarkeit einer österreichischen Entscheidung im US Bundesstaat Wisconsin). Gemäß § 44 Abs 2 EO sei die Aufschiebung der Exekution aber von einer entsprechenden Sicherheitsleistung abhängig zu machen, weil die bereits rechtskräftig verhängten Geldstrafen wegen der Aufschiebung nicht vollzogen werden und sich daher das willensbeugende und das repressive Element dieser Geldstrafen nicht entfalten könne, um so weitere Eingriffe in die durch den Exekutionstitel gesicherte Rechtsposition hintanzuhalten. Die Sicherheitsleistung nach § 44 Abs 2 EO solle den Schaden decken, der dem betreibenden Gläubiger infolge Verzögerung seiner Befriedigung entstehen könnte. Die von der betreibenden Partei als Lizenzentgang geltend gemachte und vom Rekursgericht mit 16.351,39 EUR für ein Jahr aufgetragene Sicherheitsleistung nach § 355 Abs 2 EO könne auch für die Ausmessung der Sicherheitsleistung nach § 44 Abs 2 EO herangezogen werden, zumal von einer Dauer des Impugnationsverfahrens von einem Jahr ausgegangen werden könne. Schadenersatzbeträge aus der Sicherheit nach § 355 Abs 2 EO könnten nicht einfach von der betreibenden Partei abgerufen werden. Voraussetzung für eine Auszahlung aus der Kaution sei vielmehr ein von der betreibenden Gläubigerin erst zu erlangender Exekutionstitel. Ein untrennbarer Zusammenhang für die Beurteilung der Aufschiebung einerseits des Geldstrafenvollzugs, andererseits der Sicherheitsleistung nach § 355 Abs 2 EO sei nicht gegeben, weil bei den Geldstrafen für die verpflichtete Partei durch den Zinsschaden ein Vermögensnachteil gemäß § 44 Abs 1 EO entstehe und bescheinigt sein könne, während dies nicht gleichzeitig auch bei der Sicherheitsleistung nach § 355 Abs 2 EO der Fall sein müsse. Diese Sicherheitsleistung werde fruchtbringend angelegt, sodass der Aufschiebungswerberin zumindest im Umfang der gesetzlichen Zinsen kein Zinsschaden entstehen könne. Einen darüber hinausgehenden Zinsschaden habe sie weder konkret dargelegt noch bescheinigt. In Ansehung der Sicherheitsleistung nach § 355 Abs 2 EO habe die Aufschiebungswerberin daher keinen unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensschaden nach § 44 Abs 1 EO glaubhaft gemacht, die Voraussetzung für die Aufschiebung fehle daher.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei, mit dem sie die Aufschiebung der bewilligten Exekution in Ansehung der verhängten Geldstrafen ohne Sicherheitsleistung sowie weiters auch die Aufschiebung in Ansehung der nach § 355 Abs 2 EO auferlegten Sicherheitsleistung anstrebt, ist nicht zulässig.

a) Von der Regelung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nimmt die Exekutionsordnung nur in den Fällen des § 84 Abs 4 und § 402 Abs 1 letzter Satz EO Abstand. In allen anderen Fällen ist im Exekutionsverfahren ein weiterer Rechtszug gegen die zur Gänze bestätigende Rekursentscheidung unzulässig (stRsp, RIS-Justiz RS0012387).

Ein Beschluss, der über mehrere Ansprüche abspricht, ist für die Beurteilung der Rechtsmittelzulässigkeit jedenfalls nur dann als Einheit zu behandeln, wenn die einzelnen Ansprüche nach § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen sind. Nach den selben Grundsätzen ist in der Regel auch die Frage zu beurteilen, ob ein Beschluss des Erstgerichts zur Gänze bestätigt wurde (stRsp, RIS-Justiz RS0044238). Ein untrennbarer Sachzusammenhang zwischen der Aufschiebung der Exekution nach § 355 Abs 1 EO und der Aufschiebung des Auftrags zum Erlag einer Sicherheitsleistung nach § 355 Abs 2 EO besteht nicht. Die Anträge nach § 355 Abs 1 und 2 EO können ein unterschiedliches Schicksal haben, weshalb sie sowohl getrennt zu bewerten als auch im Hinblick auf die „volle Bestätigung" gesondert zu betrachten sind (3 Ob 327/99f). Dafür spricht auch, dass die Vollstreckung des Beschlusses nach § 353 Abs 2 EO (auf welche Bestimmung § 355 Abs 2 EO verweist) zwar möglich ist, aber eines eigenen Aufschiebungsbeschlusses bedarf (3 Ob 198/74 = EvBl 1975/190).

Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der Abweisung des Aufschiebungsantrags in Ansehung der aufgetragenen Sicherheitsleistung nach § 355 Abs 2 EO richtet, ist er daher von vornherein unstatthaft und daher unzulässig.

b) In Ansehung des abändernden Teils der Rekursentscheidung vermag die verpflichtete Partei keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Sicherheitsleistung aufzutragen ist, hängt ebenso von den Umständen des Einzelfalls ab wie die Entscheidung über den Aufschiebungsantrag an sich (stRsp; zuletzt 3 Ob 151/06m; RIS-Justiz RS0001795).

Einen Verstoß gegen das nach Ansicht der verpflichteten Partei der österreichischen Rechtsordnung innewohnende prinzipielle Doppelbestrafungsverbot vermag der erkennende Senat nicht nachzuvollziehen. Die Sicherstellung aus Anlass der Exekutionsaufschiebung soll allfällige wegen der Verzögerung der Exekutionsführung entstehende Schäden abdecken (RIS-Justiz RS0001909). Zielsetzung der Sicherheitsleistung nach § 355 Abs 2 EO ist hingegen die Abdeckung jener Schäden, die infolge neuerlichen Zuwiderhandelns gegen den Exekutionstitel entstehen könnten. Die weiters aufgeworfene Frage, ob der im Falle der Fremdfinanzierung zu leistender Geldstrafen der verpflichteten Partei entstehende Zinsschaden - allenfalls zu Unrecht verhängte und eingetriebene Geldstrafen wären bloß unverzinst zurückzuzahlen - einen die Aufschiebung allenfalls rechtfertigenden schwer zu ersetzenden Vermögensnachteil bildet, ist im vorliegenden Fall nicht zu beantworten. Das Rekursgericht hat diese Frage ohnehin zugunsten der verpflichteten Partei beantwortet, ein die daraufhin ausgesprochene Aufschiebung bekämpfendes Rechtsmittel der betreibenden Partei liegt nicht vor.

In Ansehung des abändernden Beschlussteils ist der Revisionsrekurs daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Stichworte