OGH 1Ob172/07m

OGH1Ob172/07m29.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.‑Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Martin Prokopp und Mag. Arno Pajek, Rechtsanwälte in Baden, gegen die beklagte Partei M***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Walter Kerle, Dr. Thomas Kerle und Dr. Stefan Aigner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 25.965,34 EUR sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 27. April 2007, GZ 17 R 2/07a‑60, womit das Teilurteil des Bezirksgerichts Baden vom 2. November 2006, GZ 8 C 593/05s‑54, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Die klagende Partei ist Eigentümerin einer Liegenschaft, worauf sich ein Gebäude befindet. Die beklagte Partei hatte in diesem Gebäude Büroräumlichkeiten gemietet.

Am 17. Juli 2000 schloss die beklagte Partei mit der A***** Gesellschaft mbH, deren Gesellschafterin die klagende Partei bis 19. Februar 2003 war, einen „Developmentvertrag". Die A***** Gesellschaft mbH beabsichtigte die Errichtung eines multifunktionalen Zentrums mit den Themenschwerpunkten Gesundheit und Medizin, Fitness und Freizeit, Hotel und Gastronomie, welches in der Folge an eine Hauptmieter- und Betreibergesellschaft vermietet werden sollte. Dieses Zentrum sollte den Namen „Freizeit‑, Gesundheits- und Vital‑Oase A*****‑Park" tragen. Die beklagte Partei wurde mit der Konzipierung und Vermarktung dieses Projekts beauftragt.

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags war Anton B***** Geschäftsführer der klagenden Partei und Marco K***** Geschäftsführer der beklagten Partei. Peter A***** war Geschäftsführer der A*****Gesellschaft mbH und führte namens der klagenden Partei die Mietvertragsverhandlungen mit der beklagten Partei. Auf Seiten der beklagten Partei führte Hermann K*****, der Vater des Geschäftsführers Marco K*****, die Mietvertragsverhandlungen.

Mit Klage vom 25. Juni 2004 begehrte die klagende Partei von der beklagten Partei die Zahlung der ausständigen Mietzinse für die Zeit von Mai 2003 bis Mai 2004 für das Büro Nr 11/2 von letztlich insgesamt 25.965,34 EUR sA.

Die beklagte Partei wandte ein, dass mit der A***** Gesellschaft mbH vereinbart worden sei, dass ihr diese für die Dauer des Projekts „A*****‑Park" Büroräumlichkeiten samt Telefon- und Internetanschluss kostenlos zur Verfügung stelle. Peter A***** sei auch im Namen der klagenden Partei damit einverstanden gewesen, dass die A***** Gesellschaft mbH die Miete der beklagten Partei für das Büro Nr 11/2 zahle, zumal die beklagte Partei über ausreichendes Guthaben aus dem Projekt bei der A***** Gesellschaft mbH verfügt habe. Diese habe zu Beginn des Mietverhältnisses auch den Mietzins und die Kaution an die klagende Partei bezahlt, die die Zahlung angenommen habe. Die diesbezüglich mündlich zwischen Hermann K***** und Peter A***** getroffene Vereinbarung sei von der beklagten Partei in einem „Sideletter" zum schriftlichen Mietvertrag festgehalten worden, den die klagende Partei jedoch in der Folge nicht unterfertigt habe.

Die klagende Partei führte dagegen aus, dass der „Sideletter" der beklagten Partei von ihr nicht akzeptiert worden sei, weshalb sie ihrerseits einen eigenen „Sideletter" verfasst und der beklagten Partei übermittelt habe.

In der Tagsatzung vom 13. Juni 2006 legte die beklagte Partei Protokolle über Telefongespräche zwischen den Zeugen Peter A***** und Hermann K***** vor sowie zwei CDs mit den aufgenommenen Gesprächen. Die Aufzeichnung von wichtigen Gesprächen sei für interne Zwecke bei der beklagten Partei vorgesehen. Die Tonbandaufnahmen und die Protokolle würden vorgelegt, weil der Zeuge Peter A***** die im Sideletter der beklagten Partei festgehaltenen Vereinbarungen, abgestritten habe. Daher seien sämtliche Telefongespräche der letzten Jahre durchforstet worden und würden diese aufgrund eines Beweisnotstands nunmehr vorgelegt und beantragt, den Zeugen Peter A***** zu den vorgelegten Urkunden bzw Tonbandaufnahmen zu befragen.

Die klagende Partei beantragte, die vorgelegten Beweismittel „im Verfahren nicht zu verwenden", weil der Zeuge Peter A***** der Aufzeichnung der Gespräche nie zugestimmt habe.

Das Erstgericht sprach - wenngleich sprachlich verwirrend - mit Teilurteil (jedenfalls) aus, dass das Klagebegehren mit 18.239,05 EUR sA zu Recht bestehe. Die Beweisanträge betreffend Tonaufnahmen und Transkripte wies es wegen Verspätung ab. Zwischen den Streitteilen sei ein mündlicher Mietvertrag über die Anmietung der Büroräumlichkeiten samt zweier Tiefgaragenplätze zustande gekommen, nicht jedoch eine Vereinbarung darüber getroffen worden, dass die Mietzinszahlungen in Form einer Gegenverrechnung durch die A***** Gesellschaft mbH erfolgen sollten.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien Folge, hob das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die beklagte Partei sei hinsichtlich des Abhörens der Gesprächsaufzeichnungen ihrer Behauptungslast, nur durch diese Tonaufzeichnungen könne sie ihren Prozessstandpunkt beweisen, nicht nachgekommen, weshalb die gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht vorliege. Hinsichtlich der Gesprächsprotokolle verwies das Berufungsgericht auf die Entscheidung 6 Ob 190/01m (= SZ 74/168), in der der Oberste Gerichtshof für die Zulässigkeit solcher Beweismittel eine Interessenabwägung nicht für erforderlich erachtet und ausdrücklich festgehalten habe, dass die schon erfolgte Übertragung der Tonbandaufnahme, also das Tonbandprotokoll und allenfalls Zeugen für die Richtigkeit der Übertragung, der beweispflichtigen Partei im Prozess jedenfalls zur Verfügung stünden. Die Vorlage der Tonbandprotokolle sei daher grundsätzlich zulässig. Deren Verwertung hätte zu keiner merkbaren Verzögerung des Verfahrens geführt, weshalb das Verfahren durch deren Nichtzulassung mangelhaft geblieben sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der klagenden Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof hatte sich bereits mehrmals mit dem Bestehen und der Wahrnehmung von in der ZPO nicht geregelten Beweisverwertungsverboten im Zivilprozess auseinanderzusetzen:

In 8 ObA 297/95 (= SZ 69/14) wurde hinsichtlich eines rechtmäßig erlangten Beweismittels (Tonbandprotokoll bei Abhörung eines Fernmeldeverkehrs im Sinne des § 149a StPO) ausgesprochen, dass dessen Verwertung im Zivilprozess nicht gehindert sei.

Der zweite Senat sprach in 2 Ob 272/97g (= SZ 70/239) unter Bezugnahme auf diese Vorentscheidung aus, dass die Verletzung eines Beweisverwertungsverbots durch das Berufungsgericht keine Nichtigkeit und keine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 503 Z 2 ZPO begründe.

In beiden Entscheidungen konnte die grundsätzliche Frage, wie rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozess zu behandeln sind, unbeantwortet bleiben.

In 4 Ob 247/99y (= SZ 72/147) legte der Oberste Gerichtshof unter Bezugnahme auf Vorjudikatur und Lehre (Fasching LB2, Rz 828, 936 f; Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 28 vor § 266, und G. Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozess, 136 ff) dar, dass in einem Zivilverfahren, in dem nach dem Gang des Verfahrens ein Prozessbetrugsversuch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne und trotz einer Vielzahl von aufgenommenen Personalbeweisen - einschließlich der Vernehmung der Streitteile - der Beweiswert dieser Beweismittel offenbar sehr dürftig sei, eine Notwehrsituation vorliege, in der - auch wenn man die Vornahme einer Interessenabwägung für notwendig erachte - die Zulässigkeit des beantragten Beweismittels (Abhörung eines Tonbands) zu bejahen sei.

Diese Entscheidung zitierend gelangte der Oberste Gerichtshof in 3 Ob 131/00m zum Ergebnis, dass eine Tonbandaufnahme nach entsprechender Interessenabwägung nur in besonderen Ausnahmefällen (Notwehr, Notstand, Verfolgung überragender berechtigter Interessen) in einem Rechtsstreit verwendet werden dürfe. Gäbe es im Prozess weitere Beweismittel wie beispielsweise Zeugen, stelle die Rechtsansicht des Rechtsmittelgerichts, dass Rechtfertigungsgründe für die geheime Tonbandaufnahme nicht vorlägen, keine Fehlbeurteilung dar.

Ausführlich beschäftigte sich 6 Ob 190/01m (= SZ 74/168) mit der Frage der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel. Der in seinem Recht auf das eigene Wort Verletzte habe grundsätzlich einen Anspruch auf Unterlassung der Verwertung rechtswidrig erlangter Tonaufzeichnungen. Benötige eine Partei derartige Beweismittel unbedingt in einem Verfahren infolge Beweisnotstands, sei eine Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen. Für die Annahme eines rechtfertigenden Beweisnotstands reiche nicht schon das allgemeine Interesse jeder Partei, über ein besonders beweiskräftiges Beweismittel zu verfügen. Dem Beweisführer obliege der Beweis, dass er die Tonaufzeichnung bei sonstiger Undurchsetzbarkeit seines Anspruchs benötige und dass der von ihm verfolgte Anspruch und seine subjektiven Interessen höherwertig seien als die bei der Erlangung des Beweismittels verletzte Privatsphäre des Prozessgegners. Unter Hinweis auf dem Beweisführer zur Verfügung stehende andere Beweismittel - darunter auch das Transkript der Tonaufzeichnung - gab der Oberste Gerichtshof dem Begehren auf Unterlassung der Verwertung der rechtswidrig erlangten Tonaufzeichnung statt. Dagegen spricht 9 ObA 77/05x - wie auch die Rechtsmittelwerberin zitiert - von der „Tonbandaufnahme bzw deren schriftlichen Übertragung" - dies allerdings in einer Kurzbegründung, die auf die mangelnde Entscheidungsrelevanz beider Beweismittel verweist -, was auf eine Gleichstellung von Tonaufzeichnung und Transkript hindeutete.

2. In der österreichischen Lehre wird die Notwendigkeit einer Interessenabwägung nicht befürwortet.

Fasching unterscheidet (in LB2 Rz 934 ff) ‑ abgesehen vom reinen, allenfalls zu Schadenersatzpflichten führenden Verstoß gegen eine Vertragspflicht, eine Vorschrift des Privatrechts oder die guten Sitten - bei strafgesetzwidrig erlangten Beweismitteln zwischen Verstößen, die den Kernbereich der verfassungsmäßig geschützten Grund- und Freiheitsrechte betreffen, wie die Erlangung von Beweismitteln unter körperlicher Verletzung, Entführung, „Privathaft" oder Nötigung, und solchen, die nicht als solche Verletzung anzusehen sind. In ersterem Fall sei das erlangte Beweismittel unzulässig und dürfe vom Gericht nicht aufgenommen werden. Dagegen bewirke die anderweitige, wenn auch strafgesetzwidrige Erlangung eines Beweismittels nicht dessen Unzulässigkeit im Prozess. Die beweisführende Partei werde zwar strafrechtlich verantwortlich und der Zivilrichter müsse, wenn ihm der verbotene Vorgang bekannt werde, diesen allenfalls als Offizialdelikt gemäß § 84 StPO zur Anzeige bringen, das Beweismittel könne aber trotz der Strafbarkeit seiner Erlangung vom Zivilrichter aufgenommen werden und sei gemäß § 272 Abs 2 ZPO frei zu würdigen, wobei auch die Umstände seiner Erlangung in der Würdigung Berücksichtigung finden könnten. Der Schutzzweck der strafgesetzlichen Norm sei nicht auf die Beschränkung der gerichtlichen Wahrheitsforschung, sondern auf den Schutz bestimmter Rechtsgüter gerichtet. Auch den Wiederaufnahmsgründen des § 530 ZPO sei zu entnehmen, dass nur diejenigen strafrechtlich verpönten Handlungen auf den Zivilprozess von Einfluss sein sollen, welche die Wahrheitsforschungspflicht des Gerichts bewusst beeinträchtigen, also die Wahrheits- und Richtigkeitsgarantie der Rechtsprechung und deren Objektivitätsgarantie verletzen. Dieser Schutzgedanke könne nicht erweiternd auf die rechtswidrige Erlangung sachlich unbedenklicher Beweismittel ausgedehnt werden.

Dem folgt auch Rechberger (in Fasching/Konecny2 III, vor § 266 ZPO Rz 69 f) mit dem Hinweis, dass der Effekt eines Verbotes im Wesentlichen darin läge, um der Sanktion für die Rechtsverletzung bei der Beweisaufnahme willen sehenden Auges ein falsches Urteil in Kauf zu nehmen.

G. Kodek (Die Verwertung rechtswidriger Tonbandaufnahmen und Abhörergebnisse im Zivilverfahren, ÖJZ 2001, 281 ff [296 f]) verweist darüber hinaus darauf, dass es in einer Rechtsordnung, in der nach materiellem Recht das Prinzip der Formfreiheit herrscht und Verpflichtungen rechtsgeschäftlich wirksam daher auch mündlich eingegangen werden können, die Möglichkeit bestehen müsse, solche mündlichen Zusagen zu beweisen, weshalb schon aus dieser Überlegung das „Recht am Wort" immanente Schranken habe. Zumindest bei rechtsgeschäftlichen Erklärungen sei daher das Recht, „ins Unreine" sprechen zu dürfen, abzulehnen (vgl hiezu Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 Bd II, 13 wonach eine heimliche Aufnahme den Interessen des Sprechenden widerstreite, weil flüchtige, keineswegs stets wohl überlegte Worte festgehalten würden). Eine angebliche Vertraulichkeit des Gesprächs könne nicht Schutz vor der Aufklärung rechtserheblicher Umstände bieten. Trete der Einzelne „aus dem Bereich seiner Privatheit" und in Kontakt mit anderen und gebe rechtserhebliche Erklärungen ab, sei das Vertrauen auf die „Flüchtigkeit des Worts" nicht schutzwürdig. Die Annahme der Unverwertbarkeit einer Tonbandaufnahme liefe hier auf ein Recht auf „Unbeweisbarkeit des eigenen Worts" hinaus. Die Grenzen des Persönlichkeitsrechts verliefen dort, wo jener unantastbare persönliche Bereich des Einzelnen, der sich in die Gemeinschaft einfügen und auf Rechte und Interessen anderer Rücksicht nehmen müsse, ende. Vor der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit wolle das Recht am Wort nicht schützen; vielmehr sei einer Privatrechtsordnung, die auch mündliche Vereinbarungen zulasse, zu entnehmen, dass die Rechtsordnung vom Bürger das Stehen zum eigenen Wort und nicht ein Vertrauen auf dessen Flüchtigkeit erwarte.

3. Im Bereich des materiellen Rechts wird aus § 16 ABGB - neben den einzelnen positivierten Persönlichkeitsrechten, wie jenem auf Leben, auf Freiheit oder auf körperliche Unversehrtheit - ein allgemeines Persönlichkeitsrecht abgeleitet, das auch den Schutz des Rechts am gesprochenen Wort (Aicher in Rummel, ABGB3, § 16 Rz 22) bzw am privaten gesprochenen Wort oder an der eigenen Stimme (offen lassend Posch in Schwimann, ABGB3, § 16 Rz 35 ff) umfasst. Anders als bei den besonderen Persönlichkeitsrechten handelt es sich beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht aber auch nach seinen Befürwortern um kein absolutes, dessen Kernbereichsverletzung die Rechtswidrigkeit des Verhaltens indiziert, sondern um ein sog „Rahmenrecht", um eine Ermächtigungsnorm, die den Richter zum Auffinden einzelner Verhaltensnormen zum Schutz der Persönlichkeit legitimiert; erst diese Verhaltensnormen konstituieren dann das einzelne Persönlichkeitsrecht, das verschiedene Aspekte der Person betreffen und in seiner Intensität und seinem Schutzbereich verschieden sein kann (Aicher aaO, Rz 14 mwN). Auch nach Koziol (aaO) findet sich eine umfassende gesetzliche Anerkennung des Rechts am gesprochenen Wort in der österreichischen Rechtsordnung nicht und kann eine heimliche Aufnahme gerechtfertigt sein, wenn sie den Interessen des Sprechenden nicht widerspricht, was er etwa bei telefonischen geschäftlichen Mitteilungen, Durchsagen und Bestellungen, also wenn der Inhalt im Vordergrund steht und die Identität des Sprechenden nebensächlich ist, annimmt.

4. Für den hier alleine zu beurteilenden Fall der Verwertung eines Transkripts eines heimlich aufgenommenen Gesprächs ist festzuhalten, dass dessen Verwendung nicht von § 120 StGB erfasst und daher insofern Rechtswidrigkeit wegen Verstoßes gegen eine Verhaltensnorm nicht anzunehmen ist (Lewisch/Reindl in WK‑StGB² § 120 Rz 9). Das Strafgesetzbuch differenziert beim strafrechtlichen Schutz zwischen der Tonaufnahme selbst und einem davon hergestellten Transkript.

Art 8 EMRK wiederum schützt das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Nach Grabenwarter, (Europäische Menschenrechtskonvention³, 195) ist Bestandteil der Privatsphäre auch die individuelle Kommunikation mit anderen. So seien Telefongespräche im häuslichen und geschäftlichen Bereich nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Korrespondenz, sondern auch zum Schutz der Privatsphäre von Art 8 EMRK erfasst. Bei den aus Art 8 EMRK resultierenden Gewährleistungspflichten beschreibt Grabenwarter allerdings nur solche des Staats gegenüber den Bürgern und sich daraus insbesondere im Bereich der Strafrechtspflege ergebende Abwägungsfragen, nicht dagegen solche zwischen einzelnen Privaten (vgl zur Drittwirkung von Schutzpflichten Grabenwarter aaO, 129). Art 8 EMRK stellt daher letztlich keine Verhaltensnorm dar, die die Verwendung von Transkripten von Tonaufnahmen von zwischen Privaten (insbesondere im geschäftlichen Verkehr) geführten Gesprächen als Beweismittel im Rahmen einer zivilgerichtlichen Auseinandersetzung verbieten würde.

Bei der Verwertbarkeit schriftlicher Aufzeichnungen über ein Gespräch ist überdies zu bedenken, dass der Sprecher - selbst wenn die Vollständigkeit der Aufzeichnung unbestritten ist - die Möglichkeit hat, über den Gesprächsverlauf auszusagen und allfällige Hintergründe oder der schriftlichen Fassung nicht zu entnehmende Akzentuierungen hervorheben kann (vgl hiezu G. Kodek aaO, 297 mwN). An dieser Stelle sei ausdrücklich wiederholt, dass es hier lediglich um die Frage der Verwendung eines Beweismittels im Prozess geht, dagegen seine Gewichtung im Rahmen der Beweiswürdigung - nach Aufnahme des Beweises - völlig offen bleibt.

Letztlich handelt es sich beim Transkript um eine schriftliche Aufzeichnung, die verfahrensrechtlich nach den Regeln des Urkundenbeweises zu behandeln ist (wohingegen die Tonbandaufnahme nach der Judikatur als Augenscheinsbeweis aufzufassen ist; vgl RIS‑Justiz RS0039883). Dieses Beweismittel unterliegt daher den verfahrensrechtlichen Bestimmungen über den Beweis durch Urkunden (§§ 292 ff ZPO). Im Gegensatz zur Meinung der Rechtsmittelwerberin sind Transkripte mit der Tonbandaufzeichnung selbst schon deshalb nicht gleichzusetzen, weil sie jedenfalls nicht die Authentizität der „Gesprächskonserve" beanspruchen können, ergibt sich doch aus der Urkunde allein nicht schon die Vollständigkeit der Übertragung.

Der von der Rechtsmittelwerberin vorgenommene Verweis auf die Rechtsprechung des BGH ist im Hinblick auf die doch unterschiedliche Rechtslage - sowohl im Bereich der Strafbestimmungen für Tonbandaufnahmen wie auch mit Rücksicht auf die zivilverfahrensrechtlichen Unterschiede beim Vernehmungsverbot von Zeugen und die Wahrnehmung von Verstößen gegen ein allfälliges Verwertungsverbot im Rechtsmittelverfahren (siehe Kodek aaO, 284 mwN) - nicht zielführend.

5. Die Frage der Notwendigkeit einer Interessenabwägung bei der Verwendung rechtswidrig erlangter Tonbandaufnahmen im Zivilprozess kann hier ‑ ebenso wie die von den Befürwortern des Schutzes auch geschäftlicher Gespräche nicht thematisierte Frage, ob im Fall der Stellvertretung oder bei organschaftlichem Tätigwerden der sprechende Vertreter oder der Vertretene, dem der geschäftliche Inhalt der Wortmitteilung zuzuordnen ist, geschützt wäre - offen bleiben.

Jedenfalls bei Transkripten solcher Tonaufnahmen ist für deren prozessuale Verwertbarkeit - im Hinblick auf die verfahrensrechtliche Qualifikation als Urkunden und die Überlegungen G. Kodeks zur Beweisbarkeit von durch die Rechtsordnung anerkannten mündlichen rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen, aber auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine Rechtswidrigkeit im Sinne eines Verstoßes gegen eine Verhaltensnorm (zB § 120 StGB) nicht vorliegt, eine Interessenabwägung nicht vorzunehmen.

6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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