OGH 2Ob272/97g

OGH2Ob272/97g20.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sonja L*****, vertreten durch Dr.Walter Kerle, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Anton D*****, und 2.***** Versicherungs-AG, ***** beide vertreten durch Mag.Michael Tinzl und Mag.Albert Frank, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 66.351,20 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 28.Mai 1997, GZ 4 R 179/97w-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Schwaz vom 3.Jänner 1997, GZ 1 C 235/95s-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.358,14 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 893,02, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt von den beklagten Parteien die Zahlung von S 66.351,20 samt Zinsen mit der Begründung, am 9.4.1995 habe sich ein Verkehrsunfall ereignet, an welchem ihr PKW und der vom Erstbeklagten gelenkte und gehaltene und bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherte PKW beteiligt waren. Der Erstbeklagte habe auf den ihm an sich zukommenden Rechtsvorrang durch Anhalten verzichtet.

Die Beklagten wendeten ein, der Lenker des Fahrzeuges der Klägerin habe den dem Erstbeklagten zukommenden Rechtsvorrang verletzt, es sei nicht richtig, daß der Erstbeklagten vor der Kreuzung angehalten habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte fest, der Erstbeklagte sei ohne anzuhalten in die Kreuzung eingefahren. Als Beweismittel verwendete das Erstgericht auch die Übertragung einer Tonbandaufnahme über ein Telefongespräch zwischen dem Lenker des Fahrzeuges der Klägerin und dem Erstbeklagten. Im Rahmen der Beweiswürdigung folgte das Gericht aber nicht dem Inhalt dieses Telefonates.

Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, daß es feststellte, die Klagsforderung bestehe mit S 66.351,20 zu Recht, nicht hingegen die eingewendete Gegenforderung. Die beklagten Parteien wurden daher zur Zahlung von S 66.351,20 sA verurteilt. Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

Das Rechtsmittelgericht verneinte die von den beklagten Parteien in der Berufungsbeantwortung gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz durch Einsicht in das Protokoll über die Tonbandaufnahme des zwischen dem Lenker des Klagsfahrzeuges und dem Erstbeklagten geführten Telefongespräches. Die heimliche Aufnahme einer Äußerung, die für den Täter bestimmt war, könne zwar unter den Voraussetzungen des § 120 Abs 2 StGB nach dieser Gesetzesstelle bestraft werden, doch habe sich im Geschäftsverkehr die Übung entwickelt, wichtige Ferngespräche mittels Tonaufnahmegerätes festzuhalten; das sei allgemein bekannt. Wer also nicht wolle, daß seine Äußerungen festgehalten werden, müsse dies am Beginn des Gespräches seinem Gesprächspartner mitteilen. Überdies bleibe eine nach § 120 StGB tatbildliche Handlung jedenfalls dann straflos, wenn sie zur Wahrung eines berechtigten Interesses des Täters vorgenommen wurde und dieses Interesse jenes an der Geheimhaltung überwiege. Das Interesse des Lenkers des Klagsfahrzeuges, unmittelbar nach dem Unfall Beweise über den Unfallhergang zu sichern, überwiege das Interesse des Erstbeklagten an der Geheimhaltung des hierüber geführten Gespräches, weshalb die Verwendung des Tonbandes zu Beweiszwecken gerechtfertigt sei.

Das Berufungsgericht führte eine Beweiswiederholung zur Frage des Unfallherganges ua durch Einsicht in das Protokoll über das Telefongespräch zwischen dem Lenker des Klagsfahrzeuges und dem Erstbeklagten samt Tonband durch und stellte fest, der Erstbeklagte habe sein Fahrzeug an der Einmündungslinie zur Verbindungsstraße angehalten. Während dieses Stillstandes sei der Lenker des Klagsfahrzeuges in den Sichtbereich gekommen und habe den vom Erstbeklagten gelenkten PKW im Stillstand wahrgenommen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, der Erstbeklagte habe auf den ihm zustehenden Vorrang im Sinne des § 19 Abs 8 StVO verzichtet, er hätte seine Fahrt nicht fortsetzen dürfen, ohne sich Gewißheit darüber zu verschaffen, daß er das herannahende Klagsfahrzeug in seiner Bewegung nicht behindern werde.

Die ordentliche Revision wurde nicht für zulässig erklärt, weil im wesentlichen eine nicht revisible Tatfrage vorliege und die verfahrensrechtliche Frage der Verwertbarkeit der Tonbandaufnahme als Beweismittel sich auf eine gesicherte strafgerichtliche Judikatur zu § 120 Abs 2 StGB stützen könne.

Dagegen richtet sich die inhaltlich bloß auf den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gestützte außerordentliche Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Parteien keine Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil es keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage gibt, ob die Verwertung eines allenfalls rechtswidrig erlangten Beweismittels durch das Berufungsgericht einen Revisionsgrund darstellt, sie ist aber nicht berechtigt.

Die beklagten Parteien machen in ihrem Rechtsmittel geltend, das Berufungsgericht hätte das vom Lenker des Klagsfahrzeuges aufgezeichnete Telefonat mit dem Erstbeklagten nicht als Beweis zulassen dürfen. Es sei unrichtig, daß die Weitergabe und Veröffentlichung eines Tonbandes deshalb nicht strafbar sei, weil sich im Geschäftsverkehr die Übung entwickelt habe, wichtige Gespräche mit einem Tonaufnahmegerät festzuhalten. Außerdem überwiege das Interesse des Erstbeklagten an der Geheimhaltung der von ihm geführten Gespräche und somit am Schutz seiner Privatsphäre das Interesse an der Überwindung von Beweisschwierigkeiten. Schließlich sei der Erstbeklagte durch das Verhalten des Lenkers des Klagsfahrzeuges geradezu überlistet worden, habe er doch ohne Zweifel von der Aufzeichnung des Telefongespräches keine Kenntnis gehabt. Ein derart beschaffter Beweis dürfe wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben bei Gericht nicht verwendet werden.

Hiezu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung SZ 69/14 =

DRdA 1996, 246 = EvBl 1996/109 = RdW 1997, 287 dargelegt hat, sind

die Ansichten darüber, ob Beweismittelverbote ein

Beweisverwertungsverbot zur Konsequenz haben, umstritten. Fasching

lehrt, die Verletzung von Beweisverboten bilde keinen

Nichtigkeitsgrund (LB**2 Rz 828); das strafgesetzwidrige Erlangen

eines Beweismittels mache dessen Aufnahme vor Gericht dann

unzulässig, wenn eine strafgesetzliche Vorschrift, die den

Kernbereich der verfassungsmäßig geschützten Grund- und

Freiheitsrechte der durch die Handlung betroffenen Person als solcher

schütze, verletzt werde (Rz 936 ff). Demgegenüber sind Rechberger (in

Rechberger, KommzZPO Rz 28 vor § 266) und Kodek (Rechtwidrig erlangte

Beweismittel im Zivilprozeß [1987] 136 ff) der Ansicht, ein

Beweisverwertungsverbot sei grundsätzlich abzulehnen, weil es unserem

Rechtsempfinden widerspreche, vom Richter zu verlangen, wesentliche

Beweisergebnisse zu negieren. Ein Verwertungsverbot würde vielfach

wohl nicht mehr bringen, als daß man den ersten Fehler, einer

Rechtsverletzung bei der Beweisaufnahme, ein falsches Urteil

hinzufügt.

Jedenfalls aber sind sich die genannten Autoren darüber einig, daß die Verletzung eines Beweisverbotes keinesfalls einen Nichtigkeitsgrund darstellt. Dieser Ansicht schließt sich auch der erkennende Senat an. Das hat aber zur Folge, daß die von den beklagten Parteien gerügte Verletzung des Beweisverwertungsverbotes in der Revision nicht geltend gemacht werden kann. Sollte ein Mangel des Verfahrens erster Instanz vorliegen, so kann dieser nicht mehr geltend gemacht werden, weil das Berufungsgericht sein Vorliegen bereits verneint hat (E.Kodek in Rechberger, KommzZPO Rz 3 zu § 503 mwN). Aber auch eine Verletzung eines Beweisverwertungsverbotes durch das Berufungsgericht kann mit Revision nicht geltend gemacht werden, weil sie keinesfalls einen Mangel darstellt, welcher, ohne die Nichtigkeit zu bewirken, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern geeignet wäre (§ 503 Z 2 ZPO). Es kann daher dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Fall gegen ein Beweisaufnahmeverbot verstoßen wurde und ob die Verwertung des Beweismittels an sich eine Mangelhaftigkeit darstellt. Vor dem Obersten Gerichtshof kann aufgrund der ausdrücklichen Bestimmung des § 530 Z 2 ZPO auch ein Mangel nur in seiner Erscheinungsform als Stoffsammlungsmangel geltend gemacht werden (s hiezu Ballon, Zu den Verfahrensmängeln im Zivilprozeßrecht, FS Matscher 18), der jedoch hier nicht vorliegt.

Aus diesem Grunde war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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