OGH 7Ob215/07d

OGH7Ob215/07d16.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Evelyne S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Fink und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei U*****versicherungs AG, *****, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 16. Mai 2007, GZ 4 R 168/07h-32, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 26. Februar 2007, GZ 21 C 1272/05t-25, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 333,12 (darin enthalten EUR 55,52 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000, nicht jedoch EUR 20.000 übersteige und dass die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof deshalb zulässig sei, weil man der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes auch Unvertretbarkeit unterstellen könnte.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes liegt eine erhebliche Rechtsfrage zur Entscheidung nicht vor. Der Beschluss, mit dem eine ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen wird, ist auf die Darlegung der Zurückweisungsgründe zu beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Nach § 61 VersVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt. Nach ständiger Rechtsprechung liegt grobes Verschulden vor, wenn sich das Verhalten des Schädigers aus der Menge der sich auch für den Sorgsamsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit heraushebt. Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wusste oder wissen musste, dass es geeignet ist, den Eintritt eines Schadens zu fördern (7 Ob 130/06b, RIS-Justiz RS0080414, RS0030324). Grobe Fahrlässigkeit ist im Bereich des Versicherungsvertragsrechtes dann gegeben, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen, wenn jedenfalls völlige Gleichgültigkeit gegen das vorliegt, was offenbar unter den gegebenen Umständen hätte geschehen müssen (RIS-Justiz RS0080371). Die Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt muss also über die alltäglich vorkommenden Fahrlässigkeitshandlungen erheblich und ungewöhnlich herausragen, wobei der Schaden als wahrscheinlich vorhersehbar ist. Grobe Fahrlässigkeit ist dann gegeben, wenn ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falles auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (RIS-Justiz RS0031127). Die Schadenswahrscheinlichkeit muss offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres naheliegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen. Als brauchbare Anhaltspunkte, von denen die Beurteilung im Einzelnen abhängen kann, kommt die Gefährlichkeit der Situation, die zu einer Sorgfaltsanpassung führen sollte, der Wert der gefährdeten Interessen, das Interesse des Handelnden an seiner Vorgangsweise und schließlich die persönlichen Fähigkeiten des Handelnden in Betracht (7 Ob 130/06b, RIS-Justiz RS0030331). Außerdem muss der Eintritt des Versicherungsfalles mit einem Aufwand an Kosten und Unbequemlichkeiten zu vermeiden gewesen sein, den eine nicht versicherte Person angesichts der Schadensgefahr normalerweise ohne weiteres in Kauf genommen hätte. Das Verhalten des Versicherungsnehmers muss subjektiv unentschuldbar sein (7 Ob 14/92). Weiters hat der Oberste Gerichtshof bereits dargelegt, dass an die Beaufsichtigung eines nicht bewohnten Hauses zur Vermeidung von Wasserschäden kein allzu strenger Maßstab angelegt werden darf und an den Versicherungsnehmer nicht die Anforderung gestellt werden kann, alle Räume und Mauern, in denen wasserführende Leitungen verlegt sind, einer ständigen (täglichen) Kontrolle zu unterziehen (7 Ob 41/94). Davon ausgehend vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass sich die Beurteilung des Verschuldensgrades, der Anwendung der dargestellten Grundsätze und der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt jeweils nach den Umständen des Einzelfalls richtet und, wenn nicht ein wesentlicher Verstoß gegen maßgebliche Abgrenzungskriterien vorliegt, eine erhebliche Rechtsfrage nicht gegeben ist (RIS-Justiz RS0029874, RS0087606, RS0030331).

Die vom Berufungsgericht befürchtete Unvertretbarkeit seiner Rechtsansicht liegt nicht vor. Die Beurteilung, es liege keine grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers vor, wenn er ein Haus für drei Wochen im Winter unbeaufsichtigt zurücklässt, zuvor den Hauptwasserhahn abdreht und die bis dahin einwandfrei funktionierende Heizungsanlage mit einer eingestellten Thermostatraumtemperatur von 15 Grad Celsius in Betrieb lässt und damit subjektiv davon ausgehen konnte, dass es zu keinen Frostschäden im Haus kommen würde, hält sich im Rahmen der dargelegten Judikatur. Die Beurteilung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt oder nicht, ist eine Rechtsfrage. Die Ausführungen des Sachverständigen, die in die Feststellungen des Erstgerichtes Eingang gefunden haben, legen nur dar, unter welchen Umständen ein Einfrieren der Heizungsleitungsrohre bei einem nicht zu erwartenden Ausfall der Heizung jedenfalls verhindert werden könnte. Ob bei Unterlassen der aus technischer Sicht vorgeschlagenen Maßnahmen dem Versicherungsnehmer ein grobes Verschulden am Eintritt des Versicherungsfalles anzulasten ist, ist eine vom Gericht allein zu beurteilende Rechtsfrage. Es würde die Pflicht des Versicherungsnehmers, das Haus zu beaufsichtigen, überspannen, wollte man von ihm - ohne jede Anhaltspunkte, dass die Heizung ausfallen könnte - alle zwei Tage eine Kontrolle der Heizung verlangen. Dies würde auch jede andere (nicht versicherte) Person, die gegen das Einfrieren von wasserführenden Leitungen im Haus dadurch vorgesorgt hat, dass sie die bis dahin problemlos funktionierende Heizungsanlage in Betrieb lässt, nicht tun. Das Verneinen der groben Fahrlässigkeit der Klägerin im vorliegenden Fall hält sich im Rahmen der Judikatur. Die Revisionswerberin übersieht, dass in den von ihr zitierten Entscheidungen die Versicherungsnehmer eben im Gegensatz zum vorliegenden Fall keine Vorkehrungen gegen das Einfrieren der Leitungen getroffen haben.

Es liegt keine erhebliche Rechtsfrage zur Entscheidung vor. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die Klägerin verwies auf die Unzulässigkeit der Revision.

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