OGH 7Ob41/94

OGH7Ob41/9422.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred B*****, vertreten durch Dr.Gottfried Zandl und Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei V***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Ferdinand Neundlinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 23.Juni 1994, GZ 6 R 528/94-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 26.Dezember 1993, GZ 16 Cg 191/93-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.645,-- (darin enthalten S 3.607,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer eines Wochenendhauses in N*****. Durch einen am 15.10.1992 entdeckten Wasseraustritt im Haus entstand erheblicher Sachschaden. Der Kläger hat bei der beklagten Partei bezüglich dieses Wochenendhauses eine "Hab- und Gut-Eigenheimversicherung" abgeschlossen, deren Deckungsumfang unter anderem Leitungswasserschäden umfaßt. Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS) 1971 und die Allgemeinen Bedingungen für Versicherungen gegen Leitungswasserschäden (AWB) 1986 zugrunde. Gemäß Art.6 ("Sicherheitsvorschriften") Abs.2 AWB übernimmt der Versicherungsnehmer die Verpflichtung, in nicht benützten und nicht beaufsichtigten Baulichkeiten die Wasserleitungsanlagen und sonstige wasserführende Anlagen abzusperren. Während der möglichen Heizperiode sind zusätzlich sämtliche wasserführenden Leitungen und Anlagen zu entleeren, sofern die Heizung nicht durchgehend in Betrieb gehalten wird. Das gleiche gilt für vorübergehend außer Betrieb gesetzte Anlagen. Für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Wochenendhäuser gilt die vorstehende Regelung nur, wenn sie länger als 72 Stunden unbewohnt sind.

Gemäß Art.3 ("Sicherheitsvorschriften") Abs.2 ABS ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Schadensfall nach der Verletzung von Sicherheitsvorschriften eintritt und die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht. Die Verpflichtung zur Leistung bleibt bestehen, wenn die Verletzung keinen Einfluß auf den Eintritt des Schadens oder auf den Umfang der Entschädigung gehabt hat oder wenn zur Zeit des Schadensfalles trotz Ablaufs der Frist die Kündigung nicht erfolgt war.

Das Haus des Klägers erstreckt sich über die gesamte Grundstücksbreite. Um in den hinter dem Haus gelegenen Garten zu gelangen, muß man den straßenseitigen Eingang benützen und das gesamte Haus über Vorraum, Wohnzimmer und Terrasse durchqueren. Der Kläger hatte schon längere Zeit vor dem Wasserschaden den unmittelbar angrenzenden Nachbarn Josef E***** beauftragt, sich um Haus und Garten zu kümmern und ihm einen Hausschlüssel übergeben. Der Kläger zahlte dem Josef E***** hiefür S 1.500,-- monatlich. Josef E***** betreute die Liegenschaft nach eigenem Gutdünken wie seine eigene. Er kümmerte sich vor allem um den Garten, goß und pflegte ihn je nach den Erfordernissen und hielt die Terrasse und die Terrassenmöbel sauber. Im Haus selbst verrichtete er keine Arbeiten, mußte dieses jedoch bei allen Arbeiten im Garten durchqueren und sah dabei auch nach, ob die Fenster eingeschlagen oder eine Tür aufgebrochen wurde. Der Stromanschluß für Gartengeräte befindet sich im Wohnzimmer. Einen Wasseraustritt im Dachbodenbereich hätte Josef E***** bemerken müssen, sobald das Wasser durch das Gebälk ins Erdgeschoß austritt.

Am Wochenende vor dem Wasserschaden befand sich der Kläger bis einschließlich Samstag in N***** und beabsichtigte, am darauffolgenden Freitag, den 16.10.1992 wiederzukommen. Er hatte Josef E***** den Auftrag erteilt, drei Birken zu kürzen. Zur Ausführung dieser Baumschnittarbeiten war Josef E***** 8 bis 10 Tage lang nahezu täglich auf der Liegenschaft des Klägers beschäftigt. An den dem Wasseraustritt unmittelbar vorangehenden Tagen, nämlich am

12. und am 13.10.1992, arbeitete Josef E***** zwischen 15 und 18 Uhr bzw. 19 Uhr auf dem Grundstück des Klägers. Er verließ das Haus am Abend des 13.10.1992. Am Abend des 15.10.1992 bemerkte eine Nachbarin das Austreten von Wasser am Haus und verständigte Josef E*****, der sich zu diesem Zeitpunkt in Wien aufhielt. Josef E***** verständigte seinerseits den Kläger, der sofort zu seinem Wochenendhaus anreiste.

Wann der Wasseraustritt aufgetreten ist, kann nicht festgestellt werden. Ursache des Wasseraustrittes war eine geplatzte Zuleitung zum Boiler, die in einem schwer zugänglichen Schacht situiert war. Der Kläger hatte die Wasserleitung nicht stillgelegt. Es ist zwar eine Absperrmöglichkeit vorhanden, diese befindet sich jedoch ebenfalls in einem schwer zugänglichen Schacht. Weder der Kläger noch Josef E***** drehten die Wasserzufuhr ab, solange im Garten Wasser gebraucht wurde.

Der Kläger begehrte die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei für den Schaden. Er habe keine Obliegenheit verletzt, weil das Haus im fraglichen Zeitraum von Josef E***** betreut worden sei. Im übrigen habe die angebliche Obliegenheitsverletzung keinen Einfluß auf den Schadenseintritt und den Schadensumfang gehabt. Es läge weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit des Klägers vor.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, das Haus sei länger als 72 Stunden unbewohnt gewesen, sodaß die Wasserzufuhr abgesperrt hätte werden müssen. Das Haus sei nicht ausreichend beaufsichtigt worden.

Das Gericht erster Instanz wies das Klagebegehren ab. Nur ein ständiges Bewohnen oder ein ständiges, zielgerichtetes Beobachten des Hauses könne Wasserschäden aus unter Druck stehenden Leitungen verhindern bzw. bewirken, daß derartige Gebrechen sofort erkannt und behoben würden. Das nur zufällige Betreten des Hauses anläßlich von Arbeiten, die nach Gutdünken durchgeführt würden, erfülle dieses Erfordernis nicht.

Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil im Sinn einer Klagsstattgbung ab. Es ging nach Beweisergänzung vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus und vertrat die Rechtsansicht, daß das Haus im Zeitpunkt des Schadenseintrittes zwar länger als 72 Stunden unbewohnt gewesen sei und von einer Benützung im Sinn der AWB 1986 durch Josef E***** nicht gesprochen werden könne, daß das Gebäude jedoch durch Josef E***** hinreichend beaufsichtigt gewesen sei. Nach dem Sinn der für Wochenendhäuser geltenden Bestimmung müßten auch Beaufsichtigungshandlungen, die in einem kürzeren Zeitraum als 72 Stunden gesetzt würden, als ausreichend angesehen werden, wenn keine Frostgefahr bestehe.

Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß die Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Beaufsichtigung im Sinn des Art.6 Abs.2 AWB 1986 fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist aus dem vom Gericht zweiter Instanz angeführten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Die sinngemäß geltend gemachte Aktenwidrigkeit des Urteiles zweiter Instanz liegt nicht vor.

Das Gericht zweiter Instanz verwies zu Recht darauf, daß die Entscheidung 7 Ob 4/84 = VersR 1985, 556 nicht ohneweiteres für die Beurteilung des vorliegenden Falles heranzuziehen ist, weil in dem dort abgehandelten Schadensfall anderslautende Versicherungsbedingungen zum Tragen kamen, die insbesondere die Verhinderung von Frostschäden bezweckten und ein Frostschaden nach Temperaturen von mindestens 10 Grad minus vorlag. Zudem ist der der zitierten Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt insoweit nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar, weil sich dort die "Beaufsichtigung" darin erschöpfte, daß der Bruder des Versicherungsnehmers nach seinem Gutdünken zwei- bis dreimal in der Woche beim Haus "vorbeischaute". Obschon der Oberste Gerichtshof aussprach, daß unter diesen Umständen ein nicht ständig bewohntes Gebäude nicht "beaufsichtigt" im Sinn der vereinbarten Obliegenheit sei, führte er doch auch aus, daß das Erfordernis der Beaufsichtigung nicht überspannt werden dürfe. Man werde also nicht eine ständige Anwesenheit der Aufsichtsperson im Gebäude verlangen können.

Letztere Erwägung muß umso mehr gelten, wenn der Versicherer nach den Versicherungsbedingungen ohnedies in Kauf nimmt, daß das Haus bis zu 72 Stunden, also volle drei Tage, nicht bewohnt wird und während dieser Zeit auch keine Beaufsichtigungspflicht vorgesehen ist. Zudem fällt in der Jahreszeit, in der üblicherweise noch keine Frostgefahr besteht, bei einer dieser Jahreszeit entsprechenden Witterung die eminente Gefahr des Einfrierens von Leitungen weg, sodaß als Motiv für die Obliegenheit, soweit sie sich auf die Zeit außerhalb der Heizperiode bezieht, nur die Abwehr der drohenden Vergrößerung unbemerkter Schäden und von Manipulationen durch unbefugte Eindringlinge in Betracht kommt. Diese Motive würden, folgerichtig zu Ende gedacht, dazu zwingen, die Räume täglich oder sogar mehrfach täglich zu kontrollieren; denn nur dann bewirken Kontrollen auch nur halbwegs das gleiche Maß an Sicherheit vor Durchnässungsschäden wie das Entleeren der Anlagen oder zumindest das Absperren der Wasserzufuhr. Schon diese Überlegung zeigt, daß an das Beaufsichtigen kein allzu strenger Maßstab angelegt werden kann (Martin, Sachversicherungsrecht3, M I Rz 85). Da auch bei einem durchgehenden Bewohnen von Häusern nicht verlangt werden kann, daß der Bewohner in diesem Umfang alle Räume und Mauern, in denen wasserführende Leitungen vorhanden sind, einer Kontrolle unterzieht und zudem nach den hier zugrundezulegenden Versicherungsbedingungen sogar ein Zeitraum von 72 Stunden toleriert wird, in dem keinerlei Kontrollmöglichkeit vorhanden ist, ist auch das Erfordernis des hinreichenden Beaufsichtigens von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Wochenendhäusern an diesem für das Unbenütztsein eingeräumten Spielraum zu messen. Es können aber auch an die Qualität der Beaufsichtigung keine höheren Anforderungen gestellt werden als es der Kontrolltätigkeit, die mit dem üblichen Benützen verbunden ist, entspricht. Ein ständiges Abschreiten der gesamten wasserführenden Leitungen und gezieltes Beobachten von Zu- und Ableitungen zu Wasseraufbereitungsanlagen oder sonstige gezielte Funktionskontrollen können auch vom Bewohner eines Hauses nicht gefordert werden, selbst wenn schon einmal ein Wasserschaden eingetreten ist. Ob Josef E***** das Gießwasser für den Garten aus der Hauswasserleitung oder aus einem Gartenbrunnen bezog, wie die beklagte Partei nunmehr in ihrer Revision behauptet, ist - abgesehen vom Neuerungsverbot - somit nicht entscheidend.

Da Josef E***** in den Tagen vor dem Schadenseintritt jeweils mehrere Stunden auf dem Grundstück des Klägers anwesend war und schon notgedrungen das Haus durchqueren mußte, wenn er in den Garten wollte, bei solchen Gelegenheiten auch nachsah, ob Fenster eingeschlagen oder Türen aufgebrochen sind, den Stromanschluß im Wohnzimmer benutzen mußte und bei diesen Gelegenheiten eine durch den vorliegenden Schadensfall hervorgerufene Durchnässung der Decke erkennen hätte können, ist das Gericht zweiter Instanz zutreffend von einer ausreichenden Beaufsichtigung des Hauses ausgegangen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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