OGH 7Ob149/07y

OGH7Ob149/07y29.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hans-Michael S*****, vertreten durch Dr. Klaus Herunter, Rechtsanwalt in Köflach, gegen die beklagte Partei Peter D*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Klobassa, Rechtsanwalt in Voitsberg, wegen EUR 1.043,50 sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 14. Mai 2007, GZ 3 R 56/07p-41, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 15. Februar 2007, GZ 3 C 860/05p-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, jeweils binnen 14 Tagen die im Haus ***** gelegene Wohnung Nr 31 im Gesamtausmaß von 62,50 m² von den eigenen Fahrnissen zu räumen und der klagenden Partei geräumt zu übergeben sowie der klagenden Partei EUR 1.043,50 samt 4 % Zinsen seit 13. 10. 2005 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.749,21 (hierin enthalten EUR 291,53 Umsatzsteuer) bestimmten Prozesskosten aller drei Instanzen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit schriftlichem Mietvertrag vom 29. 6. 1999 mietete der Beklagte vom Kläger - beginnend ab 1. 7. 1999 auf unbestimmte Zeit - die im Spruch näher bezeichnete Wohnung. Es handelte sich damals um die eheliche Wohnung.

Am 24. 1. 2003 erließ das Bezirksgericht Voitsberg zu 11 C 196/02w über gleichzeitig mit der Ehescheidungsklage eingebrachten Antrag seiner Gattin Maria D***** eine einstweilige Verfügung, wonach dem Beklagten aufgetragen wurde, die Wohnung sofort zu verlassen und es ihm verboten wurde, in diese zurückzukehren; weiters wurde ihm aufgetragen, sämtliche Handlungen zu unterlassen, die der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses seiner Gattin an dieser Wohnung entgegenstehen könnten, insbesondere die Aufkündigung des Mietverhältnisses. Die Geltungsdauer dieser einstweiligen Verfügung wurde bis zur rechtskräftigen Erledigung des Scheidungsverfahrens festgesetzt. Das Scheidungsurteil, mit welchem die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten geschieden wurde, erwuchs mit 20. 12. 2004 in Rechtskraft. Aufgrund der einstweiligen Verfügung zog der Beklagte im Jänner 2003 aus der Wohnung aus und ist seither nicht mehr in diese zurückgekehrt; allerdings befinden sich (bezogen auf den Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz) dort noch Fahrnisse, die beide Eheleute während aufrechter Ehe angeschafft haben.

Anfang Februar 2003 teilte Maria D***** der Hausverwaltung mit, dass sie nunmehr alleine die Wohnung bewohne und in Zukunft persönlich die Miete ins Büro der Hausverwaltung des Klägers zur Einzahlung bringen werde. Weder der Kläger noch die Hausverwaltung teilten Maria D***** mit, dass sie nunmehr neue Mieterin der Wohnung sei. Ebenfalls im Februar 2003 gab der Beklagte dem Kläger schriftlich bekannt, dass er aus der Wohnung ausgezogen sei und nunmehr seine Gattin die Miete bezahlen werde. Nachdem der Beklagte den Kläger zur Rückzahlung der von ihm für die Wohnung entrichteten Kaution aufgefordert hatte, lehnte der Kläger dies ab und erwiderte, dass der Mietvertrag zwischen den Streitteilen jedenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluss des Scheidungsverfahrens samt anhängigem Aufteilungsverfahren noch aufrecht sei. Weder der Kläger noch die für ihn tätige Hausverwaltung wurden allerdings von der rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens verständigt. Sie erfuhren erst über Nachfrage bei Maria D***** vor Einbringung der vorliegenden Räumungs- und Zahlungsklage, dass ein Aufteilungsverfahren zwischen den Ex-Ehegatten bei Gericht anhängig und (damals) noch nicht abgeschlossen war.

In diesem Aufteilungsverfahren hatte der Beklagte am 9. 2. 2005 unter anderem die Zuweisung der ehemaligen Ehewohnung an ihn beantragt und mit Schriftsatz vom 2. 9. 2005 vorgebracht, dass er die Zuweisung des alleinigen Nutzungsrechtes an dieser Wohnung begehre, weil nicht nur der Mietvertrag auf seinen Namen laute, sondern er auch die Kaution hiefür bezahlt habe. Da er auch für die gemeinsame minderjährige Tochter sorge, habe er ein dringendes Wohnbedürfnis daran. Am 22. bzw 29. 12. 2005 zog der Beklagte allerdings den genannten Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens zurück und begehrte mit Eingabe vom 11. 10. 2006 die Feststellung, dass Maria D***** seit 1. 3. 2005 Hauptmieterin der Wohnung sei. Gleichzeitig beantragte er, Maria D***** die Wohnung Zug um Zug gegen Rückerstattung der von ihm erlegten Kaution zuzuweisen. Mit rechtskräftigem Beschluss im Aufteilungsverfahren vom 4. 12. 2006 wurde die Wohnung Maria D***** zugewiesen.

Die Mietzinse für die Monate Juli bis September 2005 in der Höhe von je EUR 347,83, insgesamt sohin EUR 1.043,50, haften unberichtigt aus. Sie wurden beim Beklagten mehrmals schriftlich, zuletzt am 6. 10. 2005 eingemahnt. Auf diese Mahnung reagierte der Beklagte mit Schreiben vom 30. 9. 2005, gerichtet an den Klagevertreter, in welchem er bekannt gab, dass es zwar richtig sei, dass er einen gültigen Mietvertrag mit dem Kläger habe, dieser jedoch aufgrund einer einstweiligen Verfügung außer Kraft gesetzt worden sei. Maria D***** sei „als einstweilige Mieterin" eingesetzt worden, und zwar mit der Verpflichtung, nunmehr für die Miete aufzukommen. Deswegen sei der Beklagte auch verpflichtet, Unterhalt an Maria D***** zu zahlen. Er habe dies dem Kläger auch mitgeteilt und von ihm verlangt, die Kaution zurückzuzahlen und mit Maria D***** eine „separate Vereinbarung" zu treffen. Davon habe jedoch der Kläger nichts wissen wollen. Für den Mietzinsrückstand sei allein Maria D***** verantwortlich. Es sei auch noch ein Aufteilungsverfahren anhängig und es stehe noch nicht fest, wer die Wohnung bekommen werde. Der Beklagte hat den Mietvertrag über die Wohnung gerichtlich nicht aufgekündigt. Maria D***** und der Kläger haben keinen schriftlichen Mietvertrag abgeschlossen.

Bereits am 3. 3. 2005 hatte Maria D***** bei der Wohnbauförderungsstelle des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung die Gewährung von Wohnbeihilfe beantragt, wobei mit diesem Antrag der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Mietvertrag vom 29. 6. 1999 übermittelt wurde. Von der Wohnbauförderungsstelle wurde vom Kläger eine Bestätigung verlangt, dass Maria D***** von ihrem Eintrittsrecht gemäß § 12 MRG Gebrauch gemacht habe, worauf der Kläger in Unkenntnis des Standes des Scheidungs- bzw Aufteilungsverfahrens (nach Ansicht des Erstgerichtes „einem [Rechts-]Irrtum unterliegend") mit Schreiben vom 23. 3. 2005, gerichtet an die Wohnbauförderungsstelle, wie folgt reagierte: „Frau Maria D*****, geboren am ..., ist am 1. 7. 1988 mit ihrem damaligen Ehemann, Herrn Peter D*****, geboren am ..., in das Mietobjekt... eingezogen. Da ihre Ehe geschieden wurde, steht ihr gemäß § 12 MRG das Eintrittsrecht in den Mietvertrag ohne Zustimmung des Vermieters zu, welches sie wahrgenommen hat."

Am 16. 3. 2006 teilte der Kläger der Wohnbauförderungsstelle erneut schriftlich mit, dass der Beklagte am 29. 6. 1999 einen Mietvertrag für die Wohnung abgeschlossen und diese zugleich mit seiner damaligen Gattin bezogen habe. Der Beklagte sei mittels einstweiliger Verfügung der Wohnung verwiesen worden; dabei sei ihm die Aufkündigung des Mietvertrages untersagt worden, um das dringende Wohnbedürfnis seiner Gattin nicht zu gefährden. Die Ehe sei nunmehr geschieden, weshalb der Gattin gemäß § 12 MRG das Eintrittsrecht in den Mietvertrag zustehe. Es bestehe daher keine Veranlassung, einen neuen Mietvertrag mit Maria D***** abzuschließen.

Anfragen des Beklagten in Ansehung einer möglichen Wohnbeihilfegewährung für die Wohnung wurden von der Wohnbauförderungsstelle mit dem Hinweis, er habe im Wohnbeihilfeakt keine Parteistellung, nicht näher beantwortet.

Auf Antrag der Maria D***** wird für die Wohnung seit März 2005 Wohnbeihilfe auf das Konto des Klägers überwiesen. Seit Februar 2003 nimmt Maria D***** persönlich die Einzahlungen im Büro der Hausverwaltung vor.

Mit der am 17. 10. 2005 eingebrachten Klage stellte der Kläger das aus dem Spruch ersichtliche Räumungs- und Zahlungsbegehren (für die ausständige Mietzinse der Monate Juli bis September 2005). Dem Beklagten komme bereits seit der einstweiligen Verfügung keinerlei Verfügung über die Wohnung mehr zu. Zufolge Säumigkeit mit mehr als zwei Monatsmieten (trotz qualifizierter Mahnung) werde die Aufhebung des Bestandverhältnisses gemäß § 1118 ABGB begehrt. Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte kostenpflichtige Klageabweisung mit der wesentlichen Begründung, dass zwar der Mietvertrag noch auf seinen Namen laufe, weil ihm mittels einstweiliger Verfügung die Kündigung desselben verboten worden sei; die offenen Mietzinse beträfen jedoch einen Zeitraum, in welchem bereits seine geschiedene Frau Mieterin der Wohnung gewesen sei. Diese einstweilige Verfügung verhindere nur eine Kündigung durch ihn, nicht aber das Entstehen eines neuen Mietvertrages im Wege der unmittelbaren Einzahlung der Mietzinse durch die geschiedene Gattin an den Kläger. Durch die Annahme derselben seit zumindest Februar 2003 sei mit der geschiedenen Gattin konkludent ein Mietvertrag geschlossen worden. Dass der Mietvertrag des Beklagten bereits aufgehoben sei, werde auch dadurch untermauert, dass Maria D***** Wohnbeihilfe beziehe, wozu sie nur als Hauptmieterin berechtigt sei. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es führte im Rahmen seiner (eingangs wiedergegebenen) Feststellungen auch (wörtlich) aus:

„Vor der Zurückziehung des Antrages am 22. bzw 29. 12. 2005 bzw der Tagsatzung vom 16. 2. 2006 gab es keine Willensübereinkunft zwischen Maria D***** und dem Beklagten, wonach diese nunmehr die Wohnung allein bewohnen solle." In rechtlicher Hinsicht meinte es, der Mietvertrag zwischen den Streitteilen sei keinesfalls konkludent aufgelöst worden; ebensowenig liege eine Mietrechtsabtretung im Sinn des § 12 MRG vor, weil es dafür an der notwendigen Willenseinigung der früheren Eheleute mangle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Da die Beweisrüge eine prozessordnungskonforme Ausführung vermissen lasse, habe deren Behandlung zu unterbleiben. In rechtlicher Hinsicht entferne sich der Berufungswerber vielfach vom festgestellten Sachverhalt und bringe auch diesen Rechtsmittelgrund insoweit nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Eine einvernehmliche Auflösung des Bestandverhältnisses zwischen den Streitteilen könne nicht abgeleitet werden. „Bei einer vernetzten Betrachtung der Umstände des vorliegenden Sachverhalts" sei auch nicht von einer Willensübereinkunft zwischen den Eheleuten D***** (worauf es allein für den Mietrechtsübergang nach § 12 MRG ankomme) auszugehen, wobei der unfreiwillige Auszug des Beklagten (laut einstweiliger Verfügung) auch nicht als Auflösung der gesamten rechtlichen Verfügungsgewalt über die mit der Anmietung verbundenen Rechte und Pflichten verstanden werden könne; für die Bezahlung der Mietzinse „auf Basis dieser Übergangslösung" gebe es - mangels Übertragungswillens auch in Form eines bloß konkludenten Eintritts gemäß § 12 MRG - keine Grundlage.

In der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten außerordentlichen Revision begehrt der Beklagte die Abänderung der bekämpften Entscheidung im Sinn einer Klageabweisung; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger hat nach Freistellung keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zufolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung durch das Berufungsgericht zulässig und auch berechtigt.

Grundsätzlich ist die Beurteilung der Konkludenz von Willenserklärungen eine solche im Einzelfall und stellt damit im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0043253). Eine solche ist jedoch zu bejahen, wenn sie auf einer aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierenden Fehlbeurteilung basiert, wovon hier auszugehen ist. Für die abschließende rechtliche Beurteilung reicht die Feststellungsgrundlage des Erstgerichtes aus, ohne dass es einer Überprüfung bedarf, ob die vom Beklagten in seiner Berufung erhobene Beweisrüge tatsächlich gesetzeskonform ausgeführt war oder nicht, weil die von der Beweisrüge betroffenen Feststellungen nicht den hier maßgeblichen Themenkomplex (unmittelbar) berühren.

Nach den Feststellungen ist davon auszugehen, dass

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