OGH 10Ob60/06f

OGH10Ob60/06f9.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Otto G*****, 2) Hildegard G*****, beide *****, 3) Notburga T*****, 4) Helmut S*****, 5) Reinhold W*****, 6) Johanna W*****, und 7) Edeltrud M*****, alle vertreten durch Dr. Gerhard Seirer und Mag. Herbert Weichselbraun, Rechtsanwälte in Lienz, gegen die beklagte Partei Friedrich Christof N*****, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. Mai 2006, GZ 4 R 180/06h-28, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Lienz vom 18. Jänner 2006, GZ 5 C 210/05b-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ *****, die unter anderem das Grundstück 1152/5 mit einer Fläche von 10293 m2 umfasst. Die Außengrenzen dieses Grundstückes wurden seit 1950 nach und nach mit Bäumen und Sträuchern als Sichtschutz bepflanzt. Die Art der Bepflanzung findet sich sonst bei schlossartigen Gebäuden oder großen Gutshofanlagen. Als Abzäunung eines Privatwohngebäudes konnte in näherer Umgebung kein Vergleichsobjekt festgestellt werden. Es wurden auch Pappeln gepflanzt, die heute bis zu 30 m hoch sind. Der ehemalige Gewerbegrund wird als großzügiges Wohnareal genutzt. Die Pflanzen bieten zum Haus hin keinen 100 %igen Sichtschutz. Man kann durch den bewaldungsähnlichen Wuchs das Haus sehen. Dieses Grundstück ist durch die A*****straße und einen Feldweg von den Grundstücken der Kläger getrennt.

Der Erst- und die Zweitklägerin sind Miteigentümer der 1000 m² großen Liegenschaft EZ ***** mit den Grundstücken 1147/4 und .1306 samt darauf errichtetem Wohnhaus mit der Anschrift A*****straße *****. Das Maß der Beeinträchtigung durch die nachbarlichen Bäume beträgt 80 Quadratmeter. Durch die Bäume auf dem Grundstück der Beklagten leiden die Bewohner des Hauses im Parterre und im ersten Stock speziell im Frühjahr und im Herbst an Lichtentzug.

Die Drittklägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** mit den Grundstücken 1148/1 und .1308 samt darauf errichtetem Wohn- und Geschäftshaus bzw dem Werksgelände mit der Adresse A*****straße *****. Die Liegenschaft misst 2800 m². Das Wohnhaus ist vermietet. In den Büroräumen, in denen der Sohn der Klägerin arbeitet, und im Parterre des Wohnhauses muss den ganzen Tag elektrisches Licht eingeschaltet sein.

Der Viertkläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit dem Grundstück 1152/3 und dem darauf errichteten Wohnhaus mit der Anschrift A*****straße 3. Sein 680 m2 großes Grundstück hat einen Gartenanteil von rund 400 m2. Südseitig ist der Garten vermoost. Im hinteren Teil ist der Garten benützbar. Das Haus steht im Schatten des größten aller Bäume auf dem Grundstück der Beklagten, einer 31 m hohen Pappel. Im unteren Stock, wo sich die Küche befindet, brennt fast ständig das elektrische Licht.

Der Fünftkläger und die Sechstklägerin sind die beiden Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit dem Grundstück 959/5 und dem darauf errichteten Haus mit der Anschrift A*****straße *****. Die Grundstücksfläche misst etwa 600 m2. Die ostseitigen Räume des Hauses müssen vormittags mit elektrischem Licht beleuchtet werden. Grundsätzlich erhält die Familie W***** Sonne erst ab Mittag. Diesen Klägern ist es nicht möglich, einen Gemüsegarten anzulegen. Die Siebentklägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** samt Grundstück 959/2. Dieses Grundstück wird als Schrebergarten genutzt. Auf ihm ist ein Schrebergartenhaus errichtet. Bei einem Gesamtausmaß von 1200 m2 ist der Ostteil des Grundstücks (die Hälfte des Gartens) vermoost. Im Osten werfen die Bäume der nachbarlichen Liegenschaft ständig Schatten.

In den drei bis vier Sommermonaten sind die Gründstücke der Erst- bis Viertkläger, die Beeinträchtigungen von der Südseite her haben, nicht beschattet. Die Grundstücke der Fünft- bis Siebentkläger, die Beeinträchtigungen aus Osten und Süden haben, sind auch in diesen Monaten durch die nahe gelegenen Bäume beschattet. Die benachbarten Bäume führen zu einer im Herbst, Winter und auch im Frühjahr praktisch durchgehenden Beschattung der Grundstücke der Kläger. Während acht bis neun Monaten im Jahr muss für Tätigkeiten im Haus und in den Untergeschossen elektrische Beleuchtung verwendet werden, weshalb die Beschattungsverhältnisse für die Kläger unzumutbar sind. Um dem mangelnden Lichteinfall auf die Grundstücke der Kläger abzuhelfen, könnten Lichtkorridore angebracht werden, in denen die Baumhöhe 7 m nicht überschreiten darf. Die waldähnliche Struktur der Bepflanzung bliebe erhalten, die Beschattungsverhältnisse würden sich aus Sicht der Kläger grundlegend zum Positiven ändern. Die Sicht auf das Haus am Grundstück der Beklagten wäre kaum verändert. In kürzester Zeit wäre ein Sichtschutz wieder herstellbar. Grundsätzlich bestünde bei einer Pflanzenhöhe von 7 bis 10 m keine Einsehbarkeit auf das Grundstück der Beklagten.

Mit ihrer nach gescheitertem Einigungsversuch eingebrachten Klage begehren die Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, binnen drei Monaten dafür fortdauernd Sorge zu tragen, dass Beeinträchtigungen der ortsüblichen Nutzung der Liegenschaften EZ ***** und ***** durch Entzug von Licht und Verhinderung der Sonneneinstrahlung durch Bäume oder sonstige Pflanzen auf der Liegenschaft EZ *****, Grundstück 1152/5 im Bereich unmittelbar vor den jeweiligen Häusern der Kläger bzw dem Schrebergarten der Siebentklägerin zur Gänze, sowie im Bereich zwischen den Häusern der Kläger durch Bäume, die eine Größe über derjenigen eines Einfamilienhauses erreichen, vermieden wird. Sie stellten das „Eventualbegehren", die Beklagte sei schuldig, „Beeinträchtigungen der ortsüblichen Nutzung der Liegenschaften EZ ***** und ***** durch Entzug von Licht und Verhinderung der Sonneneinstrahlung durch Bäume oder sonstige Pflanzen auf der Liegenschaft EZ *****/Grundstück 1152 in jenen Bereichen zu unterlassen, welche sich aus dem einen integrierenden Bestandteil des Urteilsbegehrens bildenden Gutachten ersichtlichen Abhilfemaßnahmen im Bereich der gelben Korridore ergeben". Ihre Grundstücke befänden sich auf Grund der vor Jahrzehnten gepflanzten und mittlerweile zum Teil eine Höhe und Ausladung von über 30 m aufweisenden Bäume nahezu ganztägig und ganzjährig im Schatten. Es werde ihnen überhaupt Licht entzogen. Mietwohnungen seien schwer vermietbar, Gemüse im Garten wachse nicht. Die Grundstücke seien teilweise vermoost. Bei manchen Liegenschaften sei es notwendig, in den Gebäuden ständig künstliche Beleuchtung zu verwenden. Die Bepflanzung am Grundstück der Beklagten sei unüblich, zumal sich sämtliche Liegenschaften im Industriegebiet befänden.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung. Die Kläger seien keine Nachbarn im Sinn des Gesetzes, weil zwischen den Grundstücken eine Straße liege. Dasselbe Bild zeige sich seit Jahrzehnten und sei daher ortsüblich geworden. Die Verwendung hoher Bäume und Pflanzen für die Gestaltung einer Straße als Allee sei auch im gegenständlichen Bereich - einer waldreichen Gegend - üblich. Die sich dadurch ergebenden Beeinträchtigungen seien zumutbar. Das ortsübliche Ausmaß werde nicht überschritten. Von den Grundstücken der Kläger seien stets nur Teile betroffen. Die Bäume seien auch nicht ganzjährig belaubt. Sonneneinstrahlung sei hinsichtlich aller gegeben. Überhaupt hänge der Lichteinfall wesentlich vom Einfallswinkel ab. Für die Beklagte bedeute eine Klagestattgebung eine unzumutbare Rodung des eigenen Grundstückes. Die Abschottung zur Straße hin wäre nicht mehr gegeben. Auch ästhestische Gründe stritten für die Erhaltung. Das Erstgericht gab dem Hauptklagebegehren statt. Die eingangs im Wesentlichen wiedergegebenen Feststellungen beurteilte es rechtlich dahin, die Kläger seien aktiv legitimiert. Es lägen die Voraussetzungen des § 364 Abs 3 ABGB vor. Die Vermoosung von Teilen der Gärten der Kläger allein schaffe noch keine Unzumutbarkeit. Der Lichtentzug aber in den unteren Räumlichkeiten der Liegenschaften der Kläger durch die Belaubung der Bäume am Grundstück der Beklagten über einen Zeitraum von 8 bis 9 Monaten eines Jahres stelle eine unzumutbare Belastung dar, zumal die Nachteile auf Seiten der Beklagten bei Abholzen, Versetzen, Rückschneiden oder Roden auch wesentlich geringer seien. Ortsüblichkeit könne nicht angenommen werden, zumal es eine Klagemöglichkeit erst seit 1. 7. 2004 gebe. Wie die Beklagte dem Unterlassungsgebot nachkommen wolle, sei ihr überlassen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es bestätigte das angefochtene Urteil mit einer Maßgabe und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 364 Abs 3 ABGB fehle. Es verneinte die gerügten Verfahrensmängel und hielt die Rüge der Beweiswürdigung für unbeachtlich. Inhaltlich billigte das Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichtes. Die Liegenschaften der Streitteile lägen im Stadtgebiet von L*****. Manche der Kläger und die Beklagte nutzten ihre Grundstücke zumindest zum Teil als Garten bzw als Park. Es handle sich nicht um eine waldreiche Gegend. Zwar sei die Bestockung der Gärten mit Bäumen in der näheren und weiteren Umgebung üblich, jedoch nicht mit Bäumen in der Größe und der Ausladung, wie sie sich auf dem Grundstück der Beklagten befinden. Es sei daher nicht von einer ortsüblichen Bepflanzung des Grundstückes der Beklagten auszugehen. Dass die Bäume auf dem Grundstück der Beklagten seit Jahrzehnten stünden und wüchsen, schaffe keine Ortsüblichkeit, weil für Nachbarn erst ab dem 1. 7. 2004 ein Vorgehen dagegen möglich gewesen sei. Die Grundstücke aller Kläger seien durch die von den Pflanzen auf dem Grundstück der Beklagten hervorgerufene Beschattung insoweit beeinträchtigt, als im Parterre und im ersten Stock der Häuser außer während der drei bis vier Sommermonate (wohl ab Mitte Mai bis Mitte September) elektrisches Licht benötigt werde. Beim Fünftkläger und bei der Sechstklägerin gelte dies für das ganze Jahr. Das Grundstück der Siebentklägerin liege während des ganzen Jahres zu 50 % im Schatten und sei zur Hälfte vermoost. Damit liege eine unzumutbare Beeinträchtigung der Liegenschaften der Kläger vor. Das Unterlassungsgebot sei auch nicht zu unbestimmt. Die erstinstanzliche Entscheidung sei, abgesehen von geringfügigen Modifizierungen, im Sinn einer deutlicheren Fassung zu bestätigen. Der Passus, dass auch Beeinträchtigungen durch „Verhinderung der Sonneneinstrahlung" zu unterlassen seien, sei auszuscheiden gewesen, weil Sonneneinstrahlung im Entzug von Licht ohnehin enthalten sei und § 364 Abs 3 ABGB dem Nachbarn ein Recht auf Sonneneinstrahlung nicht gebe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von der Beklagten erhobene, von den Klägern beantwortete Revision ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Entgegen der Auffassung der Kläger in ihrer Revisionsbeantwortung ist die Revision nicht deshalb unzulässig, weil das Berufungsgericht den Wert des Entscheidungsgegenstandes zu hoch bewertet hätte. Den Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO kann der Oberste Gerichtshof nur dahin überprüfen, ob zwingende Bewertungsvorschriften verletzt wurden. Bei seinem Ausspruch über den Wert der nicht ausschließlich in Geld bestehenden Entscheidungsgegenstandes ist das Berufungsgericht an die Bewertung des Klägers nach § 56 Abs 2, § 59 JN nicht gebunden. Der Umstand, dass der Beklagte die Streitwertangabe des Klägers nicht (gemäß § 7 RATG) bemängelt hat, ist für die Bewertung durch das Berufungsgericht ohne Belang (4 Ob 2263/96i; RIS-Justiz RS0042450). Wenn zwingende Bewertungsvorschriften nicht verletzt wurden, eine offenkundige Unterbewertung oder Überbewertung nicht vorliegt oder eine Bewertung nicht überhaupt hätte unterbleiben müssen, so ist der Bewertungsausspruch des Berufungsgerichtes für den Obersten Gerichtshof bindend (1 Ob 244/06y ua). Wenn das Berufungsgericht - wie im vorliegenden Verfahren - die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreites und damit das Interesse der klagenden Parteien an der von ihnen begehrten Unterlassung von der Bewertung des Streitgegenstandes in der Klage abgehend selbständig eingeschätzt und diese Einschätzung auch begründet, so entzieht sich seine im Ermessensbereich vorgenommene Bewertung einer Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof (4 Ob 2380/96w).

2. Die Kläger und die Beklagte sind - entgegen der Meinung der Revisionswerberin - als Nachbarn im Sinn der §§ 364 und 364a ABGB anzusehen. Nachbar nach diesen Bestimmungen ist nicht nur der Eigentümer unmittelbar angrenzender Grundflächen, sondern jeder Eigentümer, der von Maßnahmen, die vom Grundstück der Beklagten ausgehen, betroffen wurde, und zwar ohne Unterschied, wie groß die Entfernung ist und welche Grundstücke dazwischen liegen (SZ 69/220; RIS-Justiz RS0010489). Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 8 Ob 99/06a (EvBl 2007/83 = Zak 2007/234, 134) schon ausgesprochen, dass auch für den am 1. 7. 2004 in Kraft getretenen § 364 Abs 3 ABGB dieser Begriff des Nachbarn maßgeblich ist. Ob den Klägern der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zusteht, weil allfällige Beeinträchtigungen durch Pflanzen auf dem Grundstück der Beklagten bereits bei Erwerb der Liegenschaften durch die Kläger bestanden, hat mit dem Begriff des Nachbarn nichts zu tun.

3. Der Eigentümer eines Grundstückes kann dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden mittelbaren Immissionen insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen (§ 364 Abs 2 ABGB). Gemäß § 364 Abs 3 Satz 1 ABGB, auf den die Kläger ihr Begehren stützen, kann der Grundstückseigentümer einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft („negative Immissionen") insoweit untersagen, als diese das Maß des Abs 2 überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstückes führen. Der von den Klägern und auch vom Erstgericht für die Berechtigung des Klagebegehrens mit ins Treffen geführte Umstand, dass von Bäumen der Beklagten durch wegbrechende Äste Gefahr für die Kläger ausgehen kann, und die Feststellung, dass die meisten Pappeln auf dem Grundstück der Beklagten als Sicherheitsrisiko angesehen werden müssen, ist für den geltendgemachten Untersagungsanspruch nach § 364 Abs 3 ABGB ohne Bedeutung, weil nach dieser Gesetzesstelle nur gravierender Entzug von Licht und Luft verboten ist.

Auf bundes- oder landesgesetzliche Regelungen, die im Sinn des § 364 Abs 3 Satz 2 ABGB zu beachten wären, hat sich die Beklagte in erster Instanz nicht berufen. Im Übrigen legt die Beklagte auch in ihrem Rechtsmittel nicht konkretisierend eine Unzulässigkeit dar. Sie hat in erster Instanz auch nicht behauptet, dass die Bäume und Sträucher auf ihrem Grundstück einen Wald im Sinn des Forstgesetzes bildeten; vielmehr brachte sie in erster Instanz vor, die Bepflanzung sei nicht waldähnlich, sondern parkähnlich.

4. Der Verweis in § 364 Abs 3 Satz 1 ABGB auf das Maß des Abs 2 betrifft offenkundig die im § 364 Abs 2 ABGB angesprochene Ortsunüblichkeit (ErläutRV BlgNR 173 22. GP 6; 8 Ob 99/06a mwN). Die Anwendung des § 364 Abs 3 ABGB scheitert im vorliegenden Verfahren nicht daran, dass Pflanzungen vor Inkrafttreten der Bestimmung betroffen sind. Eine entsprechende Einschränkung sieht das Gesetz nicht vor (vgl P. Bydlinski, Neuerungen im Nachbarrecht, JBl 2004, 86 [90]; Kissich/Pfurtscheller, Der Baum am Nachbargrund - wirksamer Rechtsschutz durch das Zivilrechts-Änderungsgesetz 2004?, ÖJZ 2004, 706 f). Durch den Umstand, dass der Beeinträchtigte die Einwirkung bereits über einen längeren Zeitraum unbeanstandet hingenommen hat, kann eine negative Immission - entgegen der Meinung der Revisionswerberin - noch nicht ortsüblich geworden sein, weil der Beeinträchtigte vor dem 1. 7. 2004 den Entzug von Licht und Luft durch Bäume und andere Pflanzen nicht abwehren konnte (Kissich/Pfurtscheller aaO 706 FN 7; Kerschner, Neues Nachbarrecht:

Abwehr negativer Immissionen/Selbsthilferecht, RZ 2004, 9 [12]; vgl 5 Ob 65/03z = SZ 2003/36).

Das Berufungsgericht verneinte die Ortsüblichkeit der Bepflanzung des Grundstücks der Beklagten. Es traf eine in Wahrheit ergänzende Feststellung, wonach die Grundstücke der Streitteile nicht in einer waldreichen Gegend liegen und in der näheren und weiteren Umgebung die Gärten zwar mit Bäumen bestockt sind, diese aber weder die Größe noch die Ausladung der Bäume haben, die auf dem Grundstück der Beklagten stehen. Die Revisionswerberin rügt diese ohne Beweiswiederholung getroffene ergänzende Feststellung des Berufungsgerichts nicht als mangelhaft. Wenn sie ausführt, beim gegenständlich Gebiet handle es sich um eine waldreiche Gegend, so geht sie nicht von den Feststellungen aus. Wenn sie festgestellt haben will, dass im fraglichen Gebiet eine Bestockung von Grundstücken mit Bäumen üblich sei, so wurde diese Feststellung vom Berufungsgericht ohnehin getroffen. All dies schadet jedoch nicht, weil auch die ergänzten Feststellungen unzureichend sind. Es kommt nämlich nicht auf den Bewuchs an, sondern nur auf die Ortsüblichkeit der Immission. Es ist daher maßgeblich, ob das Maß der Beschattung der Grundstücke der Kläger durch Bäume (Sträucher) auf dem Grundstück der Beklagten ortsüblich ist (vgl 1 Ob 62/07k).

Zunächst wird das Verfahren in diese Richtung zu ergänzen sein, weil auch die Frage der unzumutbaren Beeinträchtigung im Sinn des § 364 Abs 3 ABGB nicht abschließend beantwortet werden kann.

5. Die in § 364 Abs 2 ABGB genannten Immissionen können vom Nachbarn bereits dann untersagt werden, wenn sie die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Gestützt auf den Gesetzeswortlaut und die Gesetzesmaterialien (ErläutRV BlgNR 173 22. GP 12) hat der Oberste Gerichtshof jüngst in der Entscheidung 8 Ob 99/06a ausgesprochen, dass nach § 364 Abs 3 ABGB eine bloß wesentliche Beeinträchtigung nicht genügt; vielmehr muss die Beeinträchtigung der Benutzung „unzumutbar" sein.

Sowohl beim Begriff der Wesentlichkeit als auch bei dem der Unzumutbarkeit handelt es sich um unbestimmte Gesetzesbegriffe, die einer Auslegung im Einzelfall bedürfen. Wann eine Beeinträchtigung schon wesentlich, aber noch nicht unzumutbar ist, kann nicht allgemein gültig beantwortet werden. Vielmehr wird die Beurteilung von der konkreten Interessenabwägung im Einzelfall abhängen. Diese - ebenso wie nach § 364 Abs 2 ABGB zur beurteilenden positiven Immissionen - gebotene Interessenabwägung im Einzelfall (s dazu 8 Ob 99/06a mwN) hat nach einem objektiven Beurteilungsmaßstab zu erfolgen (8 Ob 99/06a mwN). Es kommt daher nicht auf die besondere Empfindlichkeit der konkret betroffenen Kläger, sondern auf den Beurteilungsmaßstab eines vernünftigen „Durchschnittsmenschen" an. Für die Beurteilung, ob eine negative Immission „unzumutbar" ist, sind, wie in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 8 Ob 99/06a mwN ausgesprochen, folgende Kriterien wesentlich: Je näher die Beeinträchtigung an der Grenze der Ortsüblichkeit liegt, desto weniger wird ihre Unzumutbarkeit anzunehmen sein. Es sind das Ausmaß und die Lage der durch Entzug von Lichteinfall beeinträchtigten Fläche zu berücksichtigen. Es wird zu fragen sein, welche konkrete Nutzungsmöglichkeit für den Kläger eingeschränkt oder unmöglich gemacht wird. Ist nur eine verhältnismäßig geringfügige Fläche der Nachbarliegenschaft überhaupt beeinträchtigt, wird diese Beeinträchtigung im Regelfall unabhängig von ihrer Dauer nicht unzumutbar sein. Je größer jedoch die vom Entzug des Lichteinfalls beeinträchtigte Fläche im Verhältnis zur Gesamtfläche ist, umso eher wird das Kriterium der Unzumutbarkeit auch dann erfüllt sein, wenn zeitlich nicht von einem dauernden gänzlichen Entzug des Lichteinfalles auszugehen ist. Unzumutbarkeit ist im Einzelfall umso eher verwirklicht, als zeitlich und räumlich überwiegend (über 50 %) kein (Sonnen-, Tages-)Licht in Wohnräumen und/oder im Garten einfallen kann (vgl auch 1 Ob 62/07k). Bei der Unzumutbarkeitsprüfung ist auch zu berücksichtigen, ob die Bäume und anderen Pflanzen, die das Licht entziehen, zu einem Zeitpunkt gepflanzt wurden, zu dem ein Inkrafttreten einer Regelung, wie sie § 364 Abs 3 ABGB trifft, noch nicht absehbar war (8 Ob 99/06a). Was insbesondere die Beeinträchtigung der Nutzung von Wohn- oder Arbeitsräumlichkeiten durch den Schattenwurf von Bäumen auf dem Nachbargrund anlangt, ist auch in Rechnung zu stellen, ob und in welchem Maß bei Bedachtnahme auf den (damals) bestehenden Zustand des Grundstücks der Beklagten bei der Errichtung dieser Gebäude Beeinträchtigungen vermieden werden konnten.

Die Frage der "Unzumutbarkeit" lässt sich im vorliegenden Verfahren noch nicht beurteilen, weil die vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts zum Einen widersprüchlich zum Anderen unzureichend sind.

Das Erstgericht stellte im Rahmen der rechtlichen Beurteilung fest, das Licht in den unteren Räumlichkeiten der Liegenschaften der Kläger werde durch die Belaubung der Bäume auf dem Grundstück der Beklagten über den Zeitraum von acht bis neun Monaten eines Jahres entzogen. Wenn es daher auch feststellt, während acht bis neun Monaten im Jahr müsse "im Haus" und "in den Untergeschossen" elektrische Beleuchtung verwendet werden, muss sich letztere Feststellung auch auf den Sommer beziehen, weil die Bäume - wie festgestellt - im Winter nicht belaubt sind. Festgestellt aber ist auch, dass die Grundstücke der Erst- bis Viertkläger in den drei bis vier Sommermonaten nicht beschattet sind. Wenn - wie festgestellt - in den Büroräumen und im Parterre des Wohnhauses der Drittklägerin den "ganzen Tag" elektrisches Licht eingeschaltet sein muss und im unteren Stock des Wohnhauses des Viertklägers fast ständig das elektrische Licht brennt, könnte dies - jedenfalls im Sommer - nicht auf den Entzug des (Sonnen- oder Tages-)Lichts durch Bäume der Beklagten zurückzuführen sein. Es bleibt - mangels genauer Feststellungen - überhaupt offen, ob die Verwendung künstlichen Lichts ihren Grund stets im Entzug des Lichts durch Bäume (der Beklagten) hat. Nur die ostseitigen Räume des Hauses des Fünftklägers und der Sechstklägerin müssen nach den Feststellungen vormittags mit elektrischem Licht beleuchtet werden, und es erhält die "Familie W*****" Sonne erst ab Mittag (das ganze Jahr über?). Andererseits ist festgestellt, dass "das Grundstück" durch die nahe gelegenen Bäume während des ganzen Jahres beschattet ist. Es steht auch nicht fest, dass ein Gemüsegarten von diesen Klägern wegen Lichtentzugs durch Bäume der Beklagten nicht möglich ist. Auch "das" Grundstück der Siebentklägerin soll einerseits das ganze Jahr über durch die nahe gelegenen Bäume beschattet sein, andererseits soll sich nur im Osten der Liegenschaft ständig Schatten durch die Bäume der Beklagten "befinden". Dass die Vermoosung der Hälfte des Schrebergartengrundstücks (einzig) auf den Lichtentzug durch Bäume der Beklagten zurückzuführen ist, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.

Wenn die zum Tatbestandsmerkmal der Ortsüblichkeit nachzutragenden Feststellungen ergeben, dass die Einwirkungen durch Entzug von Licht das Maß des Ortsüblichen übersteigen, wird die Sachverhaltsgrundlage so zu erweitern zu sein, dass das Vorliegen der Unzumutbarkeit der Beeinträchtigung der Benutzung nach den vorstehend angeführten Kriterien beurteilt werden kann. Im Besonderen wird zu klären sein, zu welchen Jahreszeiten in welcher Stundenanzahl in welchem räumlichen Ausmaß (Sonnen-, Tages-)Lichtbeeinträchtigungen in den Häusern und Gärten der Kläger gegeben sind, die allein durch die Bäume und anderen Pflanzen der Beklagten verursacht werden.

6. Zuletzt bedarf es noch eines Eingehens auf die Fassung des Klagebegehrens: Obgleich vom Gesetzgeber selbst mehrfach als „Unterlassungsanspruch" bezeichnet, ist der nachbarrechtliche Untersagungsanspruch dadurch gekennzeichnet, dass der Verpflichtete die Störungsquelle auf eigene Kosten beseitigen muss, wobei es seinem Belieben überlassen ist, wie er dabei vorgeht (RIS-Justiz RS0004649). Zur Fassung eines Begehrens nach § 364 Abs 3 ABGB nahm jüngst der 1. Senat des Obersten Gerichtshofs in seiner Entscheidung 1 Ob 130/06h (= JBl 2007, 99) Stellung: Er ist dabei mit ausführlicher Begründung zum Ergebnis gelangt, dass ein Urteilsbegehren nach der genannten Gesetzesstelle vor dem Hintergrund der Bestimmungen des § 226 Abs 1 ZPO und des § 7 Abs 1 EO nicht jedenfalls voraussetzt, dass in ihm die angestrebte Untersagung des Entzuges von Licht oder Luft durch ein bestimmtes, in der Natur jederzeit nachvollziehbares Maß bezeichnet wird. Mangelt es an einer evidenten Überschreitung der ortsüblichen Immissionsintensität, so soll das Gericht im Urteilsspruch erforderlichenfalls von Amts wegen den Umfang eines nicht mehr hinzunehmenden Entzuges von Licht oder Luft als Ergebnis seiner Interessenabwägung innerhalb der Grenzen des Begehrens näher determinieren. Im Ergebnis wurde vom 1. Senat ein - der Formulierung des Urteilsspruchs durch das Berufungsgericht vergleichbares - Begehren nach § 364 Abs 3 ABGB als ausreichend bestimmt angesehen. Die genannten Grundsätze zur Fassung des Begehrens nach § 364 Abs 3 ABGB sind auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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