OGH 7Ob186/07i

OGH7Ob186/07i26.9.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen EUR 35.064,88 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 24. Mai 2007, GZ 15 R 221/06i-74, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin behauptet, in einem nicht offenen Vergabeverfahren (beschränkte Ausschreibung) der Beklagten als Bestbieter übergangen worden zu sein. Über ihren Antrag hatte das Bundesvergabeamt mit Bescheid vom 30. 11. 2000 rechtskräftig und für die Zivilgerichte bindend gemäß § 113 Abs 3 BVergG 1997 festgestellt, dass wegen eines Verstoßes gegen diese Bundesgesetz oder die hiezu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt worden sei. Das Berufungsgericht wies - in Abänderung des Ersturteils - das auf Ersatz des durch die Nichterteilung des Zuschlags erlittenen Nichterfüllungsschadens (Gewinnentgang) gerichtete Klagebegehren mit der wesentlichen Begründung ab, das Vergabeverfahren sei fehlerhaft gewählt gewesen. Da, wie das Bundesvergabeamt ausgeführt habe, von einem 130.000 SZR (= ATS 1,842.697,00 = EUR 133.914) übersteigenden Auftragswert auszugehen gewesen sei, hätte statt eines nicht offenen Verfahrens nach der Ö-NORM A 2050 ein offenes Verfahren nach dem BVergG durchgeführt werden müssen. Es wäre daher das Vergabeverfahren zu widerrufen und eine Neuausschreibung vorzunehmen gewesen. Das Gebot der Gleichbehandlung aller Bieter sei ein Kernanliegen des Vergaberechts. Danach rechtfertige die von einem Konkurrenten nur durch einen vom Auftraggeber verschuldeten Ausschreibungsmangel erlangte Position als Bestbieter nicht die Ungleichbehandlung aller anderen in Betracht kommenden Bieter, wozu auch solche zählten, die im Rahmen der unvollständigen Ausschreibung keine Angebote gelegt hätten, sich jedoch nach Erhöhung des Auftragswertes aufgrund einer Neuausschreibung am Bieterwettbewerb beteiligen hätten wollen. Die Ungleichbehandlung der in Betracht kommenden Bieter liege nämlich darin, dass es ihnen verwehrt sei, sich im Rahmen einer neuen Ausschreibung unter dann anderen Leistungsvoraussetzungen an einem fairen Angebotswettbewerb zu beteiligen. Das Fehlverhalten der Beklagten wäre nur dann allenfalls für das begehrte Erfüllungsinteresse der Klägerin kausal, wenn diese bei einer korrekten Ausschreibung nach Widerruf Bestbieterin gewesen wäre. Dies habe die Klägerin aber in erster Instanz nicht behauptet. Einen Vertrauensschaden habe sie nicht geltend gemacht.

Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Zuspruch des Erfüllungsinteresses voraus, dass der klagenden Partei der Zuschlag erteilt hätte werden müssen. Durfte wegen des fehlerhaften Ausschreibungsverfahrens keinem Bieter der Zuschlag erteilt werden, gebührt nur der Vertrauensschaden (1 Ob 284/01y; 1 Ob 110/02m; 6 Ob 177/03b; 8 Ob 39/05a; 4 Ob 198/05d ua; RIS-Justiz RS0030354). Da seine Rechtsmeinung, nur dem übergangenen Bestbieter eines korrekten Ausschreibungsverfahrens sei das Erfüllungsinteresse vom Auftraggeber zu ersetzen, demnach oberstgerichtlicher Judikatur entspricht, hat das Berufungsgericht die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung zu Recht für nicht zulässig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin vermag keinen tauglichen Grund für die Zulassung ihres außerordentlichen Rechtsmittels aufzuzeigen: Sie stützt ihre Auffassung, das Ausschreibungsverfahren sei entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes korrekt und daher nicht zu widerrufen gewesen, einerseits darauf, dass der Auftragswert den Schwellenwert nicht erreicht habe; andererseits darauf, dass ein Ausnahmetatbestand nach § 19 Abs 2 BVergG vorgelegen sei. Schon das Bundesvergabeamt hat aber ausführlich dargetan, warum der - objektiv zu ermittelnde - Schwellenwert im vorliegenden Fall überschritten wurde. Zwar haben diese Ausführungen die Zivilgerichte nicht gebunden (vgl 4 Ob 96/02z). Das Berufungsgericht hat aber ganz offensichtlich diese Erwägungen gebilligt und ist - auch wenn es diesbezüglich (offenbar, weil es dem Standpunkt des Klägers im Verfahren vor dem Bundesvergabeamt entsprach) keine förmliche Feststellung traf - im Anschluss an das Bundesvergabeamt, der Aktenlage entsprechend, von einem objektiven Auftragswert ausgegangen, der den Schwellenwert überschritt. Der weitere Einwand der Revisionswerberin, einer (oder mehrere) der Ausnahmetatbestände des § 19 Abs 2 BVergG 1997 sei vorgelegen, stellt eine bloße Behauptung dar, die argumentativ in keiner Weise untermauert wird und für die nach dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkt besteht. Der Einwand der außerordentlichen Revision, das Vergabeverfahren sei ohnehin gesetzmäßig durchgeführt worden und wäre daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu widerrufen gewesen, geht daher ins Leere, ohne dass in diesem Zusammenhang eine erhebliche Rechtsfrage beantwortet werden müsste.

Ausgehend davon, dass keine beschränkte Ausschreibung nach der Ö-NORM A 2050, sondern ein offenes Vergabeverfahren nach dem BVergG durchzuführen gewesen wäre, ist der Umstand, wer im nicht offenen Verfahren Bestbieter war, nicht entscheidungswesentlich. Mangels Entscheidungsrelevanz sind daher auch alle von der Revisionswerberin in diesem Zusammenhang aufgeworfene Fragen (etwa, ob sie prima facie jedenfalls als Bestbieter anzusehen sei), nicht im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblich.

Die Klägerin hat in erster Instanz lediglich behauptet, Bestbieterin gewesen zu sein. Dieses Vorbringen beinhaltet entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht (auch) die Behauptung, dass sie in einem offenen Verfahren ebenfalls Bestbieterin gewesen wäre. Der Hinweis des Berufungsgerichtes, eine solche Behauptung habe die Klägerin erstmals in der Berufungsbeantwortung aufgestellt, ist daher zutreffend. Im Übrigen ist die Frage, ob im Hinblick auf den Inhalt von Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828). Eine unter anderem auch darin erblickte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO), nicht gegeben.

Da die Revisionswerberin insgesamt keinen tauglichen Grund für die Zulassung ihres außerordentlichen Rechtsmittels aufzuzeigen vermag, ist spruchgemäß zu entscheiden.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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