OGH 6Ob163/07z

OGH6Ob163/07z13.9.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Elisabeth H*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Kleinszig/Dr. Puswald Partnerschaft OEG in St. Veit an der Glan, gegen die beklagte und widerklagende Partei Lutz H*****, vertreten durch Dr. Birgit Lajtai-Nagl, Rechtsanwältin in Villach, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 29. März 2007, GZ 4 R 76/07d-46, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Parteien sind deutsche Staatsangehörige. Das Erstgericht hat ihre am 31. 12. 2003 geschlossene Ehe über Klage und Widerklage unter Anwendung deutschen Rechts aufgrund eingetretener Zerrüttung geschieden und ausgesprochen, dass mit Rechtskraft des Urteils die Ehe aufgelöst ist.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Frau räumt in ihrer außerordentlichen Revision zwar ein, es sei deutsches materielles und österreichisches Verfahrensrecht anzuwenden; dennoch hätte das Erstgericht über ihre Unterhalts- und Versorgungsansprüche zugleich mit der Ehescheidung entscheiden müssen. Sie nimmt damit Bezug auf den in § 623 dZPO angeordneten „Verbund von Scheidungs- und Folgesachen".

Nach § 623 Abs 1 dZPO ist, soweit etwa über Ehegattenunterhaltsansprüche (§ 621 Abs 1 Nr. 5 dZPO) oder über den Versorgungsausgleich (§ 621 Abs 1 Nr. 6 dZPO) eine Entscheidung für den Fall der Scheidung zu treffen ist und von einem Ehegatten rechtzeitig begehrt wird, hierüber gleichzeitig und zusammen mit der Scheidungssache zu verhandeln und, sofern dem Scheidungsantrag stattgegeben wird, zu entscheiden (Folgesachen).

Bei der Frage, ob der Scheidungsrichter zugleich mit der Scheidung die Scheidungsfolgen regelt oder ob diese Entscheidung in einem eigenen Verfahren zu erfolgen hat, handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs jedoch um eine Frage der Zuständigkeit und damit um eine solche des Verfahrensrechts (1 Ob 521/90 = EFSlg 63.407 [betreffend Spanien]; 6 Ob 621/90 = SZ 63/135 [betreffend Jugoslawien]; 4 Ob 143/06t [betreffend Türkei]; ebenso Verschraegen in Rummel, ABGB³ [2004] § 20 IPRG Rz 15; Neumayr in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² [2007] § 20 IPRG Rz 5 mwN). Dies gilt auch für den Verbund von Scheidungs- und Folgesachen nach § 623 dZPO, wird doch in Deutschland selbst zu dieser Bestimmung die Auffassung vertreten, sie sei prozessual einzustufen (vgl etwa Finger in MünchKomm zur ZPO² [2000] § 623 Rz 5).

Nach österreichischem Verfahrensrecht waren die Vorinstanzen aber nicht gehindert, die Ehe der Parteien ohne Bedachtnahme auf sonstige ihnen wechselseitig allenfalls zustehende Unterhaltsansprüche oder einen Versorgungsausgleich zu scheiden. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass die Frau im Verfahren erster Instanz ausdrücklich den Antrag gestellt hatte, die „Folgesachen im Verbund mit dieser Scheidungssache zu verhandeln und zu entscheiden" (AS 139); das österreichische Verfahrensrecht kennt einen derartigen Antrag nicht.

2. Die Frau meint in ihrer außerordentlichen Revision weiters, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein Versorgungsausgleich nicht vorzunehmen sei, weil die österreichische Rechtsordnung einen solchen nicht kenne.

Ein Anspruch auf Versorgungsausgleich im Sinne einer Teilung einer beruflichen Versorgungsanwartschaft gemäß §§ 1587 ff dBGB ist im österreichischen Recht grundsätzlich nicht vorgesehen (6 Ob 85/02x; 1 Ob 53/02d; 9 Ob 70/04s); er kann also zwischen österreichischen Staatsangehörigen auch nicht geltend gemacht werden (9 Ob 70/04s). Ob er jedoch auch zwischen deutschen Staatsangehörigen vor österreichischen Gerichten nicht geltend gemacht werden könnte (vgl die in 9 Ob 70/04s zitierten Lehrmeinungen, die dem Versorgungsausgleich einen dominierenden öffentlich-rechtlichen Charakter zuschreiben), braucht hier nicht weiter erörtert werden, weil die Frau im Verfahren erster Instanz die Durchführung eines Versorgungsausgleichs gar nicht konkret beantragt hat. Dass dies gemäß § 623 Abs 1 letzter Satz dZPO in Deutschland keines Antrags bedarf, spielt keine Rolle; eine derartige verfahrensrechtliche Bestimmung kennt das österreichische Recht nicht.

Ehegattenunterhaltsansprüche der Frau wären zwar auch von einem österreichischen Gericht nach deutschem Recht zu beurteilen (§ 18 IPRG); derartige Ansprüche hat sie aber konkret ebenfalls nicht geltend gemacht.

3. Schließlich rügt die Frau noch, das Berufungsgericht habe es zu Unrecht abgelehnt, näher auf die von ihr geltend gemachte Härte einer Ehescheidung für sie gemäß § 1568 dBGB einzugehen.

Nach dieser Bestimmung soll die Ehe nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist oder wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, aufgrund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint. Die Frau hat sich in diesem Zusammenhang darauf berufen, dass sie einkommens- und vermögenslos sei und daher sofort nach der Scheidung gemeinsam mit den Kindern der Obdachlosigkeit anheim fallen würde; zudem sei sie nach einem Krankenhausaufenthalt medizinischer Unterstützung bedürftig, ohne jedoch sozialversichert zu sein (AS 140), und habe auch keine Unterhaltsansprüche (AS 118, 119; vgl allerdings AS 141, wo sie davon ausgeht, einen Betreuungsunterhaltsanspruch zu haben und keinem eigenen Erwerb nachgehen zu müssen).

Hinsichtlich der Kinderschutzklausel ist allerdings auf die Feststellung des Erstgerichts zu verweisen, dass eine Gefahr, die Frau und die Kinder wären unmittelbar nach Rechtskraft der Ehescheidung nicht mehr wohnversorgt, nicht besteht; sonstige Gründe, weshalb die Aufrechterhaltung der Ehe der Parteien im Interesse ihrer Kinder ausnahmsweise notwendig sein sollte, lassen sich den Feststellungen der Vorinstanzen und den Behauptungen der Frau nicht entnehmen. Die Frau kommt in der Revision darauf auch inhaltlich nicht näher zurück. Zur Ehegattenschutzklausel ist auszuführen, dass zwar Belange des Antragstellers in die Interessenabwägung einzubeziehen sind (vgl Palandt, BGB65 [2006] § 1568 Rz 7 mwN); grundsätzlich verlangt § 1568 dBGB aber schon einen Härtefall auf Seiten des Antragsgegners, der die Scheidung außerdem ablehnen muss. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Im Übrigen hätte die Frau ihre Scheidungsklage auch jederzeit zurückziehen können, wenn die Scheidung für sie tatsächlich eine derartige Härte darstellt. So hat sie ja selbst im Verfahren erster Instanz betont, unter den geltend gemachten Umständen lägen die Voraussetzungen für eine Ehescheidung nicht vor. Bei einer Scheidung der Ehe aufgrund der Widerklage des Mannes wäre dann aber die Ehegattenschutzklausel zu ihren Gunsten zur Anwendung gekommen.

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