Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit EUR 934,40 (darin EUR 155,73 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 31. 3. 2004 verschuldete der Erstbeklagte als Lenker und Halter eines bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten Pkws im Gemeindegebiet von Altheim auf der Waghamer Landesstraße L 1094 einen Verkehrsunfall, bei welchem die sechsjährige Tochter der Kläger getötet wurde. Der Erstbeklagte hatte ein Überholmanöver durchgeführt, dabei jedoch die am linken Fahrbahnrand gehende Mutter des Erstklägers übersehen, die vor sich einen Kinderwagen mit ihrem zweijährigen Enkel schob und an der linken Hand ihre Enkelin führte. Der Pkw stieß gegen die Personengruppe, wobei die Tochter der Kläger tödliche, die Mutter des Erstklägers schwere und der Sohn der Kläger leichte Verletzungen erlitt.
Die Kläger begehrten je EUR 17.000 sA an Schmerzengeld und brachten vor, sie hätten aufgrund des Todes ihrer Tochter einen Trauerschaden mit Krankheitswert erlitten. Die zweitbeklagte Partei habe auf den außergerichtlich begehrten Betrag von je EUR 30.000 nur EUR 13.000 je Elternteil bezahlt.
Die beklagten Parteien gestanden zu, dass der Erstbeklagte grobe Fahrlässigkeit zu verantworten habe, sodass ein Anspruch der hinterbliebenen Eltern auf Ersatz ihres Trauerschadens bestehe. Eine krankheitswertige Beeinträchtigung liege jedoch nicht vor. Der Höhe nach sei ein Betrag von je EUR 13.000 angemessen, der bereits entrichtet worden sei.
Das Erstgericht verpflichtete die beklagten Parteien zur Zahlung von je EUR 7.000 sA an die Kläger und wies das auf je EUR 10.000 (sA) lautende Mehrbegehren ab. Dabei ging es zusammengefasst von folgenden weiteren Feststellungen aus:
Die beiden Kläger lebten bis zum Unfall mit ihren Kindern und der Mutter des Erstklägers im gemeinsamen Haushalt. Der Unfall ereignete sich etwa 300 m vom Wohnhaus der Kläger entfernt. Der Erstkläger, der gerade im Garten arbeitete, war durch ein quietschendes sowie ein vom Aufprall stammendes Geräusch auf den Unfall aufmerksam geworden. Er begab sich mit der Zweitklägerin zur Unfallstelle, wo sie ihre verunglückten Angehörigen vorfanden. Vom kurz darauf eingetroffenen Notarzt erhielten die Kläger die Mitteilung, dass für ihre Tochter keine Hilfe mehr möglich sei.
Die Kläger begaben sich in psychotherapeutische Behandlung, die sie nach sieben Sitzungen beendeten. Beide waren aufgrund ihrer stabilen und psychisch ungestörten Persönlichkeitsstruktur in der Lage, den Unfallstod ihrer Tochter adäquat zu bewältigen. Hinweise auf eine abnorme Trauerreaktion im Sinne eines medizinisch fassbaren Schockschadens liegen nicht vor. Die nach wie vor bestehende Trauer, welche vor allem an besonderen Tagen wie dem Geburtstag und dem Todestag der Tochter, Weihnachten, Ostern etc in den Vordergrund tritt, stellt eine physiologische Reaktion ohne Krankheitswert dar. In rechtlicher Hinsicht erörterte das Erstgericht, selbst ohne Vorliegen eines Schockschadens mit Krankheitswert stehe den Klägern ein Trauerschmerzengeld von je (ungekürzt) EUR 20.000 zu. In der Entscheidung 2 Ob 141/04f sei bei einem 40-jährigen Kläger, der seine 61-jährige Mutter verloren habe, bereits ein Trauerschmerzengeld von EUR 13.000 als angemessen erachtet worden. Im vorliegenden Fall komme dazu, dass beide Kläger sich in häuslicher Gemeinschaft mit ihrem Kind befunden und ihre tödlich verunglückte Tochter direkt am Unfallsort vorgefunden hätten. Weiters sei zu bedenken, dass gerade zu einem leiblichen sechsjährigen Kind eine völlig ungetrübte und tiefste menschliche Zuneigung bestehe und im üblichen menschlichen Verhalten gerade der Tod eines in jeder Weise unschuldigen Kleinkindes als größtes menschliches Leid überhaupt empfunden werde. Den Klägern sei daher noch ein weiterer Betrag von je EUR 7.000 zuzuerkennen.
Das nur von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es schloss sich den Erwägungen des Erstgerichtes an und fügte hinzu, eine intensivere Gefühlsgemeinschaft als jene zwischen Eltern und ihren unmündigen Kindern sei kaum noch vorstellbar. Eltern hätten umfassend für das Wohl ihrer Kleinkinder zu sorgen und seien für deren emotionale, geistige und körperliche Entwicklung verantwortlich. Die daraus resultierende Gefühlsgemeinschaft übertreffe an Intensität jene zwischen nicht mehr im gemeinsamen Haushalt lebenden erwachsenen Kindern zu ihren Eltern, wie sie der Entscheidung 2 Ob 141/04f zu Grunde gelegen sei.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Frage der Zuerkennung eines Trauerschmerzengeldes für den Verlust eines Kleinkindes über den Anlassfall hinaus Bedeutung für die Rechtsentwicklung zukomme und dazu eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes noch nicht bestehe.
Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag, die zweitinstanzliche Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Die Kläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof zur Höhe des Trauerschmerzengeldes der Eltern eines haushaltszugehörigen Kindes, das bei einem Unfall getötet wurde, noch nicht geäußert hat. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
Die beklagten Parteien stehen weiterhin auf dem Standpunkt, das in der „Grundsatzentscheidung" 2 Ob 141/04f als angemessen erachtete Schmerzengeld (EUR 13.000) stelle die Obergrenze für Trauerfälle ohne Krankheitswert im Angehörigenkreis Eltern-Kinder dar. Die Vorinstanzen hätten nicht berücksichtigt, dass der damalige Kläger mit seiner Mutter jenen Menschen verloren habe, der ihn sein gesamtes bisheriges Leben ständig begleitet habe. Im Gegensatz dazu sei hier das Unfallopfer nicht Teil des gesamten bisherigen Lebens und der familiären Beziehungen der Kläger gewesen, die überdies auch noch einen Sohn hätten. Unter diesem Aspekt sei die Intensität der Gefühlsgemeinschaft durchaus mit jener zu vergleichen, die der Oberste Gerichtshof in den bisherigen Bemessungsfällen zu beurteilen gehabt habe. Auch im Hinblick auf die Entscheidung 2 Ob 186/03x erweise sich der Zuspruch an die Kläger als unverhältnismäßig hoch.
Hiezu wurde erwogen:
Als zwischen den Streitteilen unstrittig ist vorauszuschicken, dass den Klägern als engsten Angehörigen ihres getöteten Kindes Ersatz für den ihnen grob fahrlässig zugefügten Trauerschaden (ohne Krankheitswert) gebührt. Dies entspricht der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (2 Ob 84/01v = SZ 74/90; vgl ferner die weiteren unter RIS-Justiz RS0115189 angeführten Entscheidungen; zuletzt auch 2 Ob 163/06v und 2 Ob 15/07f). Strittig ist lediglich die Anspruchshöhe.
Der Oberste Gerichtshof hat sich in jüngster Zeit in zwei Entscheidungen mit der Höhe von (reinem) Trauerschmerzengeld befasst:
In der bereits mehrfach zitierten Entscheidung 2 Ob 241/04f = ZVR 2004/86 wurde bei einer trotz fehlender Haushaltsgemeinschaft besonders engen und intensiven Beziehung zwischen der getöteten 61-jährigen Mutter und dem 40-jährigen Sohn ein Trauerschmerzengeld von EUR 13.000 als angemessen angesehen.
In der Entscheidung 2 Ob 90/05g = ZVR 2005/73 bezifferte der erkennende Senat den Anspruch auf Trauerschmerzengeld eines Klägers, der bei einem Verkehrsunfall seinen um zwei Jahre jüngeren, behinderten Bruder verloren hatte, mit EUR 9.000. Dabei war zu berücksichtigen, dass zwischen dem Kläger und seinem Bruder eine intensive, fürsorgliche, einem Vater-Sohn-Verhältnis nahezu gleichkommende Beziehung bestanden hatte.
Um die Bemessung eines als „Schockschmerzengeld/Trauerschmerzengeld" bezeichneten Anspruches ging es in der Entscheidung 2 Ob 212/04x im Falle eines Klägers, der nach dem Tod seiner Lebensgefährtin zunächst unter einer psychischen Störung mit Krankheitswert litt, die sodann in einen physiologischen Trauerzustand überging. Ihm wurde das begehrte Schmerzengeld von (ungekürzt) EUR 11.000 zuerkannt. Der erkennende Senat führte dazu aus, dass die Intensität einer Beziehung zwischen Lebensgefährten zumindest das geltend gemachte Schmerzengeld rechtfertige, zumal der Verlust eines Lebenspartners, mit dem der bisherige Alltag geteilt worden sei, die Lebenssituation drastisch ändere und daher als besonders schmerzlich empfunden werde. In sämtlichen Entscheidungen wurde bei der Bemessung der Anspruchshöhe auf die Intensität der familiären Bindung abgestellt und betont, dass neben dem Alter von Unfallopfer und Angehörigen insbesondere das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft von Bedeutung sei.
Nach diesen Kriterien, die auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden sind, ist den Vorinstanzen keine Fehlbemessung vorwerfbar. Der erkennende Senat hält die Begründung des Berufungsgerichtes für zutreffend, weshalb darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).
Ergänzend ist der Argumentation der Revisionswerber entgegenzuhalten, dass die Intensität der Gefühlsgemeinschaft nicht (nur) an der Anzahl der gemeinsam verbrachten Lebensjahre gemessen werden kann. Im hier zu beurteilenden Fall fällt vielmehr entscheidend ins Gewicht, dass die Kläger - anders als in den bisherigen Bemessungsfällen - um den Verlust eines haushaltszugehörigen Mitgliedes der Kernfamilie (Eltern-Kinder) trauern und wegen der besonderen Intensität der familiären Nahebeziehung auch als besonders schutzwürdig anzusehen sind (2 Ob 84/01v). Der Umstand, dass die Kläger noch ein weiteres gemeinsames Kleinkind haben, mag für sie bei der Bewältigung ihres Seelenschmerzes hilfreich sein; auch dieses Argument reicht aber zu einer Minderung der konkreten Zusprüche nicht aus.
Schließlich sind auch aus der Entscheidung 2 Ob 186/03x = ZVR 2004/6, in der einem 55-jährigen Familienvater in einem Extremfall (unfallsbedingter Verlust von Ehefrau und drei Kindern; schwere andauernde psychische Beeinträchtigungen) der in dritter Instanz noch begehrte Betrag von EUR 65.000 zugesprochen wurde, keine Anhaltspunkte für die behauptete „völlige Unverhältnismäßigkeit" der Zusprüche ableitbar.
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der erkennende Senat ein Trauerschmerzengeld von EUR 20.000 je Elternteil nicht für überhöht hält.
Der Revision der beklagten Parteien war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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