Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte hat die Kosten seines Rekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrte mit ihrer beim Erstgericht am 11. 2. 2003 eingebrachten Klage vom Beklagten die Scheidung.
Mit Antrag vom 1. 9. 2003 begehrte die Klägerin vom Beklagten ab 2. 9. 2003 einstweiligen Unterhalt in der Höhe von monatlich 1.000 EUR. Das Erstgericht gab mit Urteil vom 20. 1. 2005, GZ 15 C 27/03z-76, der Scheidungsklage statt und erließ zugleich die von der Klägerin begehrte einstweilige Verfügung, mit welcher es den Beklagten zur Leistung eines einstweiligen Unterhalts in der Höhe von monatlich 1.000 EUR ab 2. 9. 2003 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens verpflichtete.
Der Beklagte erhob Rekurs (ON 82) gegen die einstweilige Verfügung und Berufung (ON 84) gegen das Ersturteil. Nach Erhebung dieser Rechtsmittel begehrte der Beklagte die Unterbrechung des Scheidungs- und Provisorialverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren 6 Nc 34/05g des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien über die Anerkennung eines auf Scheidung der Streitteile lautenden, am 29. 6. 2004 ergangenen und am 20. 12. 2004 in Rechtskraft erwachsenen Urteils des ersten Scharia-Gerichts in Damaskus.
Das Gericht zweiter Instanz sprach mit Beschluss vom 22. 6. 2005 (ON 92) aus, dass das anhängige Scheidungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung zu 6 Nc 34/05g des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien betreffend die Anerkennung des Scheidungsurteils des ersten Scharia-Gerichts in Damaskus unterbrochen wird. Den darüber hinausgehenden Antrag des Beklagten auf Unterbrechung auch des Provisorialverfahrens wies das Gericht zweiter Instanz ab und gab dem Rekurs des Beklagten gegen die Bewilliung des einstweiligen Unterhalts nicht Folge.
Gegen die Entscheidung im Provisorialverfahren erhob der Beklagte Revisionsrekurs, welchen der erkennende Senat mit Beschluss vom 4. 10. 2005, 5 Ob 213/05t, zurückwies.
Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien sprach mit Beschluss vom 8. 4. 2005 aus, das seit 20. 12. 2004 rechtskräftige Urteil des ersten Scharia-Gerichts in Damaskus werde, soweit damit die zwischen den Streitteilen in Damaskus geschlossene Ehe geschieden worden ist, für den österreichischen Rechtsbereich als wirksam anerkannt. Ein gegen diese Entscheidung erhobener Rekurs der Klägerin blieb erfolglos. Der Beklagte begehrte daraufhin im gegenständlichen Verfahren mit seinem an das Gericht zweiter Instanz gerichteten Antrag vom 3. 5. 2006 (ON 111) die Verfahrensfortsetzung und die „Zurückweisung der Klage samt Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung (einstweiliger Unterhalt)", weil zufolge rechtskräftiger Anerkennung des Urteils des ersten Scharia-Gerichts in Damaskus hinsichtlich des österreichischen Scheidungsverfahrens „res iudicata" vorliege. Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Beschluss der Berufung des Beklagten Folge, erklärte das Urteil des Erstgerichts „einschließlich des vorangegangenen Verfahrens (ausgenommen den Beschluss über und das Verfahren zur Erlassung der einstweiligen Verfügung) für nichtig" und wies die Scheidungsklage zurück. Rechtlich führte das Berufungsgericht in seiner Entscheidung - soweit hier noch relevant - aus, dem Beklagten sei nicht beizupflichten, dass auch der im Scheidungsverfahren eingebrachte Provisorialantrag der Klägerin zurückzuweisen sei. Dieser Antrag sei ab dem Zeitpunkt seiner Erhebung bis zur Nichtigerklärung des Scheidungsverfahrens auf jeden Fall berechtigt gewesen. Die einstweilige Verfügung sei mit der rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens begrenzt gewesen, die auch in einer allfälligen Nichtigerklärung eines derartigen Verfahrens bestehen könne. Weiters verwies das Berufungsgericht - in der Begründung seiner Kostenentscheidung - darauf, es sei bei der Kostenbemessungsgrundlage der einstweilige Unterhalt nicht zu berücksichtigen sei, weil das Sicherungsverfahren bereits rechtkräftig abgeschlossen sei.
Diese Entscheidung des Berufungsgerichts bekämpft der Beklagte mit Rekurs, und zwar „im Umfang des Klammerausdrucks .... als darin der Beschluss über und das Verfahren zur Erlassung der einstweiligen Verfügung von der Nichtigerklärung ausgenommen werden". Der Beklagte beantragt, die Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts dahin, dass auch der Beschluss über und das Verfahren zur Erlassung der einstweiligen Verfügung für nichtig erklärt und der Provisorialantrag zurückgewiesen wird. Hilfsweise stellt der Beklagte auch einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beteiligte sich am Rekursverfahren nicht.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Der Beklagte hat in seinem Antrag vom 3. 5. 2006 (ON 111) die Verfahrensfortsetzung und ausdrücklich auch die Zurückweisung des Provisorialantrags begehrt. Dem ausdrücklichen Ausspruch des Berufungsgerichts, die erfolgte Nichtigerklärung erstrecke sich nicht auch auf das Sicherungsverfahren, kann daher (selbständiger) Entscheidungscharakter beigemessen werden. Für diesen Ausspruch gilt dann § 519 ZPO nicht, weil dieser nicht „im" Berufungsverfahrens erging, betraf er doch nicht dessen Entscheidungsgegenstand, nämlich die Ehescheidung, sondern das Begehren auf einstweiligen Unterhalt (vgl dazu Zechner in Fasching/Konecny2 § 519 ZPO Rz 1). Der Rekurs ist daher zulässig.
2. In der Sache vertritt der Beklagte zusammengefasst die Ansicht, das Provisorialverfahren könne nur im Zusammenhang mit einem Unterhaltsverfahren oder einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe geführt werden und stehe daher insoweit in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Hauptverfahren. Ohne ein solches Hauptverfahren sei ein selbstständiges Verfahren auf Zuerkennung von einstweiligem Unterhalt nicht denkbar. Daraus folge, dass die Nichtigerklärung zwingend auch auf das darauf aufbauende Provisorialverfahren „durchschlagen", daher letzteres ebenfalls für nichtig erklärt und der Provisorialantrag zurückgewiesen werden müsse. Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts übersehe, dass die Nichtigerklärung des Hauptverfahrens ex tunc und damit zurück auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung wirke. Das Scheidungsverfahren werde daher zur Gänze beseitigt und könne nicht mehr Grundlage eines Verfahrens auf Zuerkennung einstweiligen Unterhalts sein. Mit der einstweiligen Verfügung werde der Klägerin einstweiliger Unterhalt für die Zeit ab Klagseinbringung bis zur Entscheidung über die Nichtigkeit des Verfahrens zugesprochen. Dieses Ergebnis sei in jedem Fall so teleologisch zu reduzieren, dass der gewährte einstweilige Unterhalt nur bis zur Auflösung des Ehebands zwischen den Streitteilen zustehe, weil im Fall des Ablaufs der Zeit, für welche die einstweilige Verfügung bewilligt worden sei, die gänzliche Aufhebung mit rückwirkendem Anspruchsverlust für die ganze Dauer der getroffenen Regelung in Frage komme.
3. Diesen Rekursausführungen des Beklagten ist Folgendes entgegen zu halten:
3.1. Beschlüsse sind der materiellen Rechtskraft fähig, soweit sie Entscheidungen über materielle Rechtsverhältnisse enthalten (RIS-Justiz RS0041398); dies gilt auch für Beschlüsse über Sicherungsanträge im Provisorialverfahren nach der EO (3 Ob 153/02z mwN; RIS-Justiz RS0041398[T1]; zu einstweiligem Unterhalt: 2 Ob 74/58 = RIS-Justiz RS0005661). Die hier ergangene Entscheidung im Provisorialverfahren ist infolge Zurückweisung des vom Beklagten erhobenen Revisionsrekurses mit Beschluss des erkennenden Senats vom 4. 10. 2005, 5 Ob 213/05t, in Rechtskraft erwachsen. Schon aus diesem Grund kommt die Nichtigerklärung von Provisorialverfahren und -entscheidung nach Abschluss des darüber geführten Rechsmittelverfahrens auf der Grundlage eines im Zuge des Berufungsverfahren über die Ehescheidung beim Gericht zweiter Instanz gestellten Antrags nicht in Frage. Für die angestrebte Vorgangsweise zeigt der Beklagte keine geeignete gesetzliche Grundlage auf.
3.2. Dem Beklagten ist einzuräumen, dass das Erlöschen des Anspruchs, zu dessen Sicherung die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, zu deren Aufhebung führen kann, was allenfalls auch durch Klage geltend gemacht werden kann (vgl RIS-Justiz RS0001131; RS0102900; 4 Ob 2004/96a = SZ 69/61 = ÖA 1996, 136 = EFSlg 82.553; 4 Ob 534/95). Die Aufhebung der einstweiligen Verfügung regelt insbesondere § 399 EO. Über einen Aufhebungsantrag nach dieser Bestimmung hat gemäß § 399 Abs 2 EO, wenn dieser zu einer Zeit gestellt wird, zu der der Prozess in der Hauptsache noch anhängig ist, das Prozessgericht erster Instanz, in allen anderen Fällen das Gericht, bei welchem der Antrag auf Bewilligung der einstweiligen Verfügung angebracht wurde, durch Beschluss zu entscheiden. Dass das vom Beklagten in seinen - an das Gericht zweiter Instanz gerichteten - Fortsetzungsantrag aufgenommene Begehren auf „Zurückweisung" auch des Provisorialantrags auf Zuerkennung einstweiligen Unterhalts richtigerweise als Aufhebungsantrag nach § 399 Abs 1 EO zu werten und zu behandeln gewesen wäre, macht der Beklagte in seinem Rechtsmittel aber nicht erkennbar geltend, sondern unterstellt weiterhin eine - nicht gegebene - Grundlage für eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Der Rekurs ist daher nicht berechtigt.
Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf den §§ 50, 40 ZPO.
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