European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2007:0010OB00060.07S.0626.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Der Beklagte wurde wegen wiederholten sexuellen Missbrauchs des damals minderjährigen Klägers rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Im Strafverfahren wurden dem Kläger als Privatbeteiligtem EUR 1.000,- an Schmerzengeld zugesprochen.
Mit der gegenständlichen Klage begehrte der Kläger vom Beklagten einen globalen Schmerzengeldbetrag von EUR 11.000,- und die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle zukünftigen Schäden aus den sexuellen Übergriffen.
Das Erstgericht gab der Klage statt.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil im Umfang von EUR 1.000,- s.A. wegen Eingriffs in die Rechtskraft (Zuspruch im Strafverfahren) als nichtig auf und bestätigte den restlichen Zuspruch von EUR 10.000,-. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 20.000 EUR übersteige. Die Revision wurde nicht zugelassen.
In seiner außerordentlichen Revision führt der Beklagte aus, dass es an einheitlicher oberstgerichtlicher Rechtsprechung „zur entscheidungswesentlichen Frage, ob dem Kläger, welcher sexuellen gleichgeschlechtlichen Handlungen ausdrücklich zustimmte, diese freiwillig an sich vollziehen lässt bzw. selbst vollzieht, seelische bzw. psychische Schäden, somit immaterieller Schadenersatz zu leisten ist“ fehle. Im Übrigen beruhe die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage, sodass die außerordentliche Revision unabhängig davon, ob im Konkreten ein Einzelfall vorliege, zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht zulässig.
1. Führt der Rechtsmittelwerber nicht aus, von welchen Entscheidungen des OGH abgewichen worden sein soll und inwiefern die Rechtsprechung nicht einheitlich ist, ist die außerordentliche Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0043650).
2. Der sexuelle Missbrauch des Klägers durch den Beklagten ist festgestellt. Die Einwilligung des Klägers zu den an ihm vorgenommenen Handlungen kann nichts am Tatbestand des Missbrauchs ändern und an der festgestellten Tatsache, welche psychischen Schäden er durch die Vorgangsweise des Beklagten erlitten hat.
3. Der durch sexuelle Belästigung verursachte immaterielle Schaden ist im Wege einer Globalbemessung für die durch die (fortgesetzte) Belästigung geschaffene Situation in ihrer Gesamtheit nach den auch sonst im Schadenersatzrecht angewandten Grundsätzen auszumessen. Auch hier handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, der keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0111431). Bei der Bemessung des Schmerzengeldes ist einerseits auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, andererseits zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen. Es darf der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung im Einzelfall nicht gesprengt werden (RIS-Justiz RS0031075).
Im konkreten Fall des vom Beklagten zu Lasten des damals 14- bzw. 15-jährigen Klägers begangenen sexuellen Missbrauchs, wodurch Letzterer eine posttraumatische Belastungsstörung (Stimmungslabilität, Reizbarkeit, psychosozialer Rückzug, besondere Empfindsamkeit auf Worte oder Situationen, die an den Täter oder die sexuellen Handlungen erinnern) erlitt, ist ein Sprengen des von der Judikatur allgemein gezogenen Rahmens für die Bemessung im Einzelfall keineswegs gegeben. Derartiges wird auch nicht behauptet.
Auf Grund des Vorliegens einer Einzelfallentscheidung und da auch kein Verkennen der Rechtslage seitens der Vorinstanzen zu konstatieren ist, liegt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor. Dies führt zur Zurückweisung der Revision als unzulässig.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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