OGH 2Ob26/07y

OGH2Ob26/07y24.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Pascal K*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Thomas S*****, vertreten durch Mag. Heimo Fresacher und Mag. Gerald Krenker, Rechtsanwälte in Wolfsberg, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 9. Oktober 2006, GZ 2 R 284/06h-216, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 dritter Satz AußStrG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Das in § 148 Abs 1 ABGB normierte Recht des mj Kindes und des mit ihm nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteiles, miteinander persönlich zu verkehren (Besuchsrecht), ist ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung und ein allgemein anzuerkennendes, unter dem Schutz des Art 8 EMRK stehendes Menschenrecht (4 Ob 131/06b; RIS-Justiz RS0047754). Auch wenn das Kind seine wahre Abstammung noch nicht kennt, entspricht es seinem Interesse, vom obsorgeberechtigten Elternteil in einer seiner Entwicklung gemäßen Weise hievon unterrichtet zu werden und die Möglichkeit zu erhalten, zu dem ihm noch unbekannten Elternteil eine persönliche Beziehung aufzubauen (vgl 6 Ob 625/86).

Einem Elternteil steht das Besuchsrecht nur soweit nicht zu, als das Wohl des Kindes durch dessen Ausübung massiv gefährdet werden würde. Nur bei einer derartigen Gefährdung hat in einem - selbst unverschuldeten - Konfliktfall der Besuchsrechtsanspruch eines Elternteiles gegenüber dem Kindeswohl zurückzutreten (1 Ob 232/01a; 8 Ob 42/02p ua). Spannungen zwischen den Eltern hindern das Besuchsrecht daher nur, wenn sie das Kindeswohl gefährden (vgl RIS-Justiz RS0048061, RS0047754 [T9]). Dabei ist nicht ausschlaggebend, welcher Teil einen Elternkonflikt verursachte und verschuldete; von Bedeutung ist vielmehr nur die Intensität der Auswirkungen des Konfliktes auf die Psyche der Kinder (1 Ob 232/01a). Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände das Besuchsrecht eingeräumt werden soll, ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalles abhängig. Es kann ihr daher keine Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (6 Ob 171/05y; 8 Ob 17/06p; RIS-Justiz RS0097114). Der Rechtsmittelwerber gilt infolge seines aktenkundigen Vaterschaftsanerkenntnisses (Bd III, nach ON 225) gemäß § 138 Abs 1 Z 2 ABGB als Vater des mj Pascal und ist damit - ohne dass es einer weiteren Beweisführung seinerseits bedürfte - Elternteil im Sinne des § 148 Abs 1 ABGB. Das Rekursgericht ging im Einklang mit dem aktuellen Gutachten der kinderpsychologischen Sachverständigen jedoch davon aus, dass der mj Pascal den nunmehrigen Ehemann der Mutter für seinen Vater hält. Die in der angefochtenen Entscheidung vertretene Auffassung, derzeit widerspreche die Einräumung eines Besuchsrechtes selbst in der Form der Besuchsbegleitung noch dem Kindeswohl, hält sich im Rahmen der zitierten Rechtsprechung und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf. Eine Überschreitung des ihm im konkreten Einzelfall zur Verfügung stehenden Ermessensspielraumes ist dem Rekursgericht (gerade noch) nicht vorwerfbar:

Die Ausführungen der Sachverständigen und die darauf beruhenden Feststellungen der Vorinstanzen, von denen der Oberste Gerichtshof ausgehen muss, können nämlich in ihrem Gesamtzusammenhang dahin verstanden werden, dass der mj Pascal im Hinblick auf sein geringes Alter mit dem Aufbau einer persönlichen Beziehung zu seinem leiblichen Vater ohne Hilfestellung der Eltern derzeit (vor Erreichen des siebenten Lebensjahres) noch überfordert wäre, diese aber wegen des zwischen ihnen bestehenden „enormen Konfliktpotenzials" zur notwendigen Unterstützung ihres Kindes nicht in der Lage sind. Die Anbahnung eines Besuchskontaktes unter diesen Begleitumständen würde das Kindeswohl beeinträchtigen, weil dadurch der im Interesse des Kindes gelegene Beziehungsaufbau zu seinem Vater, der in einem (demnächst erreichten) fortgeschrittenen Entwicklungsstadium des Kindes voraussichtlich ungeachtet des Konfliktes der Eltern möglich wäre, gefährdet ist.

2. In der zweitinstanzlichen Entscheidung wurde ein entscheidungsrelevanter Verstoß des Erstgerichtes gegen § 106 AußStrG verneint. Zwar gilt der Grundsatz, wonach ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens keinen Revisionsrekursgrund bilden kann, nicht in einem Besuchsrechtsverfahren, wenn dies den Interessen des Pflegebefohlenen widersprechen würde (6 Ob 178/06d mwN; RIS-Justiz RS0050037 [T1, 4 und 5]). Auch in einem solchen Verfahren begründen Verfahrensverstöße aber nur dann eine relevante Mangelhaftigkeit des Verfahrens, wenn sie abstrakt geeignet sind, eine unrichtige, dem Kindeswohl widerstreitende Entscheidung herbeizuführen, wobei der Rechtsmittelwerber die Erheblichkeit des Mangels darzulegen hat (vgl 3 Ob 15/02f [Obsorge]; RIS-Justiz RS0043027 [T4]). Konkrete Gründe, aus denen die Befragung des Jugendwohlfahrtsträgers zu einer anderen, vom Gutachten der kinderspsychologischen Sachverständigen abweichenden Beurteilung führen hätte müssen, werden aber im Revisionsrekurs nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

3. Der Vater hat seinen in erster Instanz gestellten Antrag auf Einräumung eines begleiteten Besuchsrechtes (Bd II ON 174) in der Tagsatzung vom 7. 6. 2006 ungeachtet der anderslautenden Empfehlungen der anwesenden Sachverständigen dahin präzisiert, dass er ein Besuchsrecht ab Februar oder März 2007 begehre (Bd II ON 202 S 3). Den Eventualantrag, ihm schon jetzt ein Besuchsrecht ab Jänner 2008 einzuräumen, hat er erstmals im Rekurs gestellt (Bd II ON 206 S 10), womit er gegen das Neuerungsverbot verstieß. Das in § 49 AußStrG geregelte Neuerungsrecht erlaubt generell nur neue Tatsachen und Beweismittel; neue Sachanträge und Einwände bleiben hingegen ausgeschlossen (3 Ob 200/06t; RIS-Justiz RS0006796). Dem Rekursgericht war ein Eingehen auf diese Neuerung verwehrt. Dem Vater bleibt es allerdings unbenommen, diesen Antrag (auch schon vor dem Beginn des Jahres 2008) beim Erstgericht zu wiederholen. Da es somit der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG nicht bedurfte, war der außerordentliche Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.

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