OGH 1Ob232/01a

OGH1Ob232/01a25.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Zechner und Dr. Prückner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Samantha B*****, geboren am *****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter Barbara B*****, vertreten durch Dr. Manfred Hintersteininger, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Juli 2001, GZ 42 R 284/01b-93, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Wie schon die Vorinstanzen zutreffend hervorhoben, ist das Recht des nicht obsorgeberechtigten Elternteils, mit dem Kind persönlich zu verkehren, ein unter dem Schutz des Art 8 EMRK stehendes Menschenrecht. Eigene Interessen der Eltern infolge nachehelicher Konflikte müssen demnach zurücktreten. Der obsorgeberechtigte Elternteil ist daher wegen des von ihm zu fördernden Kindeswohls verpflichtet, das Kind unter Vermeidung jeglicher negativer Beeinflussung bestmöglich auf die Besuche des nicht obsorgeberechtigten Elternteils vorzubereiten und dessen Kontakte mit ihm sodann zu verarbeiten. Deshalb judiziert der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass mit der Ausübung des Besuchsrechts verbundene Irritationen des Kindes wegen der Spannungen zwischen den Eltern nach der Ehescheidung grundsätzlich nicht zu einer Untersagung des Besuchsrechts führen können. Es liegt in solchen Fällen vielmehr an den Eltern, solche Irritationen im Interesse des Kindeswohls verständnisvoll abzubauen. Lediglich dann, wenn die Irritationen jenes Ausmaß überschreiten, das als natürliche Folge der Zerreißung des Familienbands durch die Trennung der Eltern in Kauf genommen werden muss, und die tatsächliche Ausübung des Besuchsrechts nicht bloß vorübergehende, dem Kindeswohl - tieferstehend näher zu erläuternde - abträgliche Wirkungen zeitigen sollte, kann das Besuchsrecht vorübergehend untersagt werden (1 Ob 96/97t mwN).

1. 1. Ein Mindestmaß an persönlichen Beziehungen eines Kindes zu beiden Elternteilen ist erwünscht. Ein solches wird im Dienste der gesunden Entwicklung des Kindes allgemein gefordert. Einem Elternteil steht dieses Besuchsrecht nur soweit nicht zu, als das Wohl des Kindes durch dessen Ausübung massiv gefährdet würde (7 Ob 234/99h; 1 Ob 129/00b). Nur bei einer derartigen Gefährdung hat in einem - selbst unverschuldeten (1 Ob 129/00b) - Konfliktfall der Besuchsrechtsanspruch eines Elternteils gegenüber dem Kindeswohl zurückzutreten (7 Ob 234/99h; 6 Ob 3/97b; EFSlg 71.666).

1. 2. Die Ermessensentscheidung, inwieweit das Besuchsrecht eines Elternteils unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände eingeräumt, entzogen oder eingeschränkt werden soll, hängt von der Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls ab. Widerspricht eine solche Entscheidung nicht den Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wirft sie keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG auf (7 Ob 234/99h; 1 Ob 129/00b).

1. 3. Nach allen bisherigen Erwägungen ist das Kindeswohl das die Rechtsprechung bestimmende zentrale Anliegen bei der Regelung des persönlichen Verkehrs eines Elternteils mit seinem Kind. Nicht ausschlaggebend ist daher, welcher Teil einen Elternkonflikt - auch im Zusammenhang mit der Ausübung des Besuchsrechts - verursachte und verschuldete, von Bedeutung ist vielmehr nur die Intensität der Auswirkungen des Konflikts auf die Psyche des Kindes. Übersteigen diese Auswirkungen, wie die Vorinstanzen im Anlassfall zumindest ohne gravierende Fehlbeurteilung annahmen, jenes Ausmaß nicht, das als natürliche Folge der Zerrüttung der familiären Bindung durch die Trennung der Eltern in Kauf genommen werden muss, so kommt eine Entziehung des Besuchsrechts nicht in Betracht.

2. Soweit die Mutter behauptet, im Falle der Beurteilung der schriftlichen Stellungnahmen zweier klinischer Psychologen als "Einheit" wären andere Tatsachen festzustellen gewesen, bekämpft sie in unzulässiger Weise bloß die Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Gleiches gilt für den Vorwurf, die "Nichtberücksichtigung" ihrer Aussage und der einer Zeugin sei bereits im Rekurs gerügt worden, habe jedoch in der zweitinstanzlichen Entscheidung "keinen entsprechenden Niederschlag gefunden". Dementgegen verdeutlichen die Erwägungen des Rekursgerichts, dass die aus jenen Aussagen allenfalls ableitbaren Ursachen des gerade aktuellen Elternkonflikts für die Beurteilung der Voraussetzungen einer allfälligen Sistierung des väterlichen Besuchsrechts nicht maßgebend sind. Somit leiden aber die Entscheidungen der Vorinstanzen - entgegen der Ansicht der Mutter - nicht an Feststellungsmängeln, sondern es wurden in der in dritter Instanz nicht mehr überprüfbaren Beweiswürdigung der Vorinstanzen nur keine solchen Tatsachenfeststellungen getroffen, die eine Beschlussfassung im Sinne des von der Mutter angestrebten Ergebnisses erlaubt hätten.

3. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist somit mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

Stichworte