OGH 8Ob42/02p

OGH8Ob42/02p21.2.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Kinder Gernot B*****, und Verena B*****, beide in Obsorge der Mutter Helga B*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Gerhard B*****, vertreten durch Dr. Oswin Lukesch, Dr. Anton Hintermaier, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 23. November 2001, GZ 37 R 343/01v-49, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Ybbs an der Donau vom 19. September 2001, GZ 1 P 87/99v-45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Enscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der beiden Minderjährigen wurde mit Beschluss gemäß § 55a EheG am 29. 9. 1999 geschieden. Auf Grund pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vergleichs obliegt die alleinige Obsorge der Mutter. Das Besuchsrecht des Vaters wurde dahin geregelt, dass dieser die Kinder an jedem zweiten Samstag um 9.30 Uhr von der mütterlichen Großmutter abholen und um 17.30 Uhr wieder dorthin zurückbringen sollte.

Am 11. 4. 2000 beantragte die Jugendabteilung der zuständigen Bezirkshauptmannschaft, das Besuchsrecht des Vaters vorläufig auszusetzen. Die Mutter fühle sich vom Vater verfolgt und bedroht, die Kinder seien nach Kontakten mit dem Vater verhaltensauffällig, sie wirkten verstört und verschreckt und es käme zu Bettnässen. Auch litten sie an körperlichen Beschwerden wie Verdauungsstörungen und Fieber. Eine Nachfrage im Kindergarten habe dieses Bild ebenso bestätigt wie der Bericht der Tagesmutter (ON 10).

Der Vater bestritt die gegen ihn erhobenen Vorwürfe vehement und sah diese als Konsequenz der Absicht der Mutter, ihm die Kinder zur Gänze zu entziehen. Die Kinder hätten sich bei ihm immer wohlgefühlt, während es die Mutter gewesen sei, die danach getrachtet habe, Kontakte zu stören und letztlich ganz zu verwehren. Die Kontakte des Vaters zu den Kindern verliefen überaus positiv, die Kinder seien stets traurig, wenn sie vom Vater zur Mutter zurückkehren müssten. Der Vater sei insgesamt wesentlich besser zur Erziehung der Kinder geeignet und in der Lage und bereit, auf die kindlichen Bedürfnisse einzugehen. Der Vater spreche sich gegen die Aussetzung des Besuchsrechts aus und beantrage, ihm die Obsorge für die beiden Kinder zu übertragen (ON 14).

Am 11. 8. 2000 erstattete die vom Gericht bestellte Sachverständige ein psychologisches Gutachten über die Situation der beiden Minderjährigen unter Einbeziehung der Eltern. Beide Elternteile seien noch stark in ihren Beziehungskonflikt verstrickt. Die Mutter wirke in ihren Vorwürfen gegenüber dem Vater unlogisch und widersprüchlich, der Vater zeige wenig Sensibilität für die Probleme, die auf Grund der Spannungen zwischen ihm und seiner geschiedenen Gattin bestünden. Er sei bemüht, seinen Willen durchzusetzen. Beide Elternteile seien bisher nicht in der Lage gewesen, die aus der Beziehung herrührenden Probleme zu bearbeiten. Sie neigten dazu, sich selbst eher idealisierend darzustellen und den anderen abzuwerten. Eine Problemlösung sei beiden Elternteilen bisher nicht gelungen; dazwischen stünden die Kinder. Der Sohn orientiere sich zwar vorrangig an der Mutter, doch sei auch der Vater eine wichtige Bezugsperson. Er dürfte Kontakte zu seinem Vater und dessen Aufmerksamkeit - durchaus ohne Ängste - genossen haben. Die Tochter hingegen sei durch die Problematik überfordert und blocke ab, wenn die Sprache auf den Vater komme. Auf Grund der massiven Spannungen zwischen den Elternteilen sei eine Fortsetzung des bisherigen Besuchsrechts nicht empfehlenswert. Es werde empfohlen, dass anfangs der Sohn im Rahmen der Jugendabteilung Kontakt mit dem Vater aufnehme. In weiterer Folge solle der Vater die Möglichkeit haben, die Räume der Jugendabteilung mit dem Sohn für eine Stunde zu verlassen und das Kind wieder dorthin zurückzubringen. Die Tochter solle langsam in die Kontaktanbahnung zwischen dem Bruder und dem Vater einbezogen werden. Etwa nach den ersten fünf Treffen zwischen Sohn und Vater solle die Tochter die Möglichkeit erhalten, bei den anfangs sehr kurzen Kontakten dabeizusein, um auch wieder langsam die Beziehung zum Vater aufzubauen. Es werde vorgeschlagen, das bisher geltende Besuchsrecht auszusetzen und dem Sohn vorerst fünfmal in den Räumen der Jugendabteilung die Möglichkeit zu geben, mit dem Vater im Zeitausmaß von ein bis zwei Stunden zusammenzutreffen. Danach könnte die Tochter bei den Besuchskontakten dabeisein. Habe das Besuchsrecht über einen Zeitraum von einigen Monaten problemlos funktioniert und sei es nicht erneut zu psychosomatischen Manifestationen seitens der Kinder gekommen, könnte eine Rückkehr zum bisherigen Besuchsrechtsmodus überlegt werden. Begleitend dazu sollten die Eltern zu gemeinsamen Beratungsgesprächen verpflichtet werden, um die zwischen ihnen bestehenden Spannungen abzubauen, die sich letztlich ungünstig auf die Kontakte der Kinder zu beiden Elternteilen auswirken und die Kinder in Loyalitätskonflikte bringen (ON 17). Infolge Antrags des Vaters auf Erörterung des Gutachtens versuchte das Erstgericht in der Tagsatzung vom 20. 10. 2000 (ON 25), eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen. Nach der protokollierten Ansicht der Erstrichterin zeigte sich dabei deutlich, dass offenbar von beiden Seiten die Konflikte aus der Ehe noch nicht aufgearbeitet wurden und deswegen die Besuchsrechtsregelung kaum funktionieren könne. Dennoch einigte man sich letztlich darauf, Besuchskontakte wie im Sachverständigengutachten vorgeschlagen zu versuchen. Zum ersten vorgeschlagenen Termin am 3. 11. 2000 erschien die Mutter mit den Kindern nicht in der Jugendabteilung und entschuldigte in der Folge ihr Fernbleiben mit beruflicher Verhinderung. Am 17. 11., 11.

12. und 15. 12. 2000 kamen Besuche von Vater und Sohn zustande, einen weiters für den 5. 1. 2001 geplanten Besuchstermin versäumte der Vater, weil er darauf vergessen hatte. Aus dem Bericht der Jugendabteilung vom 10. 1. 2001 (ON 32) ergibt sich, dass die Besuche im Wesentlichen störungsfrei abliefen und das Kind keine Anzeichen von Angst dem Vater gegenüber zeigte, sondern vielmehr mit diesem plauderte und spielte. Nach Ansicht der Sachbearbeiterin habe sich die anfängliche Nervosität des Sohnes gelegt, allerdings scheine sich der persönliche Kontakt zum Vater nicht sehr vertieft zu haben. Körperlicher Kontakt sei vom Sohn aus nicht angestrebt worden. Der Bub habe im Spiel entspannt gewirkt, jedoch im persönlichen Bereich dem Vater gegenüber verhalten und reserviert. Er scheine seine Gefühle zu verbergen und es habe den Anschein, dass er weder dem Vater noch der Mutter weh tun wolle und sich soweit wie möglich neutral verhalte bzw jedem Elternteil das sage, was dieser hören wolle. Es sei zu vermuten, dass die angespannte Situation zwischen den Eltern das Kind belaste. Da sachliche Gespräche und eine spannungsfreie Atmosphäre zwischen den Eltern zur Zeit nicht möglich seien, scheinen Besuche ohne Dritte für das Kind eine sehr große Belastung zu sein. Der Jugendabteilung sei es aus zeitlichen Gründen nicht mehr möglich, weiter Besuche zu beaufsichtigen. Die Jugendabteilung strebe eine Abtretung des Falles an eine andere Bezirkshauptmannschaft an, da die Mutter in der zuständigen Bezirkshauptmannschaft arbeite.

In der Tagsatzung vom 30. 3. 2001 (ON 40) einigten sich die Eltern "eine Mediation hinsichtlich ihrer Besuchsrechtsprobleme bzw einer Besuchsrechtsregelung zu unternehmen". Der Vater zog seine Anträge auf Übertragung der Obsorge sowie auf Verhängung einer Ordnungsstrafe über die Mutter zurück und erklärte sich bereit, allfällige Kosten der Mediation zu übernehmen. Am 11. 6. 2001 teilte der Vater dem Erstgericht mit, dass die Mutter ihre Zusagen betreffend Mediation nicht eingehalten habe. Es bestehe der massive Verdacht, dass die Mutter erheblich verhaltensgestört und ungeeignet sei, die Kinder entsprechend zu pflegen und zu erziehen. Die Mutter brachte dazu vor, dass sie erkrankt gewesen und zudem ihre Schwester verstorben sei, sodass sie sich bisher nicht um eine Mediation habe kümmern können. Bei den Kindern habe sich die Ruhe, die in der Zwischenzeit eingekehrt sei, derart positiv ausgewirkt, dass sie keinen unmittelbaren Anlass sehe, unverzüglich einen Mediator aufzusuchen. Am 18. 7. 2001 wurde die Mutter neuerlich vom Erstgericht vernommen (ON 44) und brachte sie dort vor, der Vater habe hinter ihrem Rücken intrigiert. Ihr Vertrauen zu ihm sei derart in den Grundfesten erschüttert, dass sie sich nicht vorstellen könne, dass durch eine Mediation eine halbwegs vernünftige Basis geschaffen werden könne, ein Besuchsrecht zu ermöglichen. Die Mutter habe viel zu viel mit dem Vater in der gemeinsamen Ehe mitgemacht, als dass sie ihm nun Vertrauen schenken könne. Sie habe vor allem auch Angst um die Kinder, dass diese durch das Verhalten und das Wesen des Vaters Schaden nehmen könnten. Seit der Besuchskontakt zum Vater nicht mehr bestehe, sei der Sohn völlig ruhig und ausgeglichen. Er lerne sehr gut in der Schule, schlafe durch und mache nicht mehr ins Bett. Er wolle mit dem Vater überhaupt nichts mehr zu tun haben. Die Mutter sehe sich derzeit aus Angst um ihre Gesundheit nicht in der Lage, mit dem Vater eine Mediation zu besuchen. Sie habe nichts gegen einen grundsätzlichen Besuchskontakt, wenn er von den Kindern selbst gewünscht werde. Sie befürchte, das Vertrauen des Sohnes zu verlieren, wenn sie vehement gegen seinen Willen auf die Einhaltung von Besuchskontakten zum Vater drängte.

Mit Beschluss vom 19. 9. 2001 (ON 45) sprach das Erstgericht aus, dass dem Vater das Besuchsrecht zu den beiden Minderjährigen entzogen werde. Beide Elternteile seien noch stark in ihren Beziehungskonflikt verstrickt, wobei massive Vorwürfe dem jeweils anderen gegenüber geäußert würden. Beide Eltern weisen eine etwas problematische Persönlichkeitsstruktur auf, seien aber in ihrer Betreuungsfähigkeit nicht generell beeinträchtigt. Der Vater zeige sich insgesamt sehr autoritär und bedacht, seinen Willen durchzusetzen. Er verwechsle das Pflegschaftsverfahren mit einem Strafverfahren, in dem er als Unschuldiger bestraft werde, wogegen die Mutter als Schuldige "ungeschoren davonkomme". In Anwesenheit der Mutter zeige er sich oft aggressiv in Lautstärke und Wortwahl. Er werfe ihr vor, nicht "normal" zu sein und drohe ihr die Kinder wegzunehmen. Der Vater zeige sich wenig einsichtig und sensibel im Hinblick auf den Konflikt, dem die beiden Minderjährigen ausgesetzt sind. Die Mutter dagegen sei von Misstrauen und Angst gegenüber dem Vater erfüllt. Sie sei nicht in der Lage, diesen Beziehungskonflikt zu verarbeiten und sich ernsthaft mit diesem auseinanderzusetzen. Die Mutter sei in ihrem Innersten davon überzeugt, die Kinder vor ihrem Vater schützen zu müssen, weil sie selbst nicht in der Lage sei, ein positives Bild vom Vater zu zeichnen. Sie empfinde sich als "Kämpferin" für das Wohl ihrer Kinder. Sie sei derzeit nicht in der Lage, sich dem Konflikt mit dem Vater zu stellen und den Versuch einer Aufarbeitung zu unternehmen.

Zur rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dass nach den Verfahrensergebnissen eine Mediation für die Eltern unbedingte Voraussetzung eines halbwegs funktionierenden Besuchsrechts sei. Eine solche Mediation setze jedoch Freiwilligkeit und die Fähigkeit, sich mit den Beziehungskonflikten auseinanderzusetzen, voraus. Beide Minderjährigen seien durch die Konflikte zwischen den Eltern bereits derart emotionell irritiert, dass Kontakte derzeit nicht möglich seien. Besuchskontakte ohne Begleitung durch die Jugendabteilung seien auf Grund der ungelösten Beziehungskonflikte für beide Kinder unzumutbar. Nach drei Besuchskontakten habe die Jugendabteilung allerdings mitgeteilt, dass sie keine weitere Begleitung anbieten könne. Eine andere dafür geeignete Einrichtung existiere im Umfeld der Eltern nicht. Da beide Kinder bereits grundlegend emotionell irritiert seien und eine Lösung dieser Konflikte nicht in Sicht sei, müsse dem Vater im Hinblick auf das Kindeswohl das Besuchsrecht entzogen werden.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das gesamte Pflegschaftsverfahren werde von dem Grundsatz beherrscht, die Interessen aller beteiligten Personen, also auch des nicht betreuenden Elternteiles, seien zurückzustellen, wenn durch die Ausübung des Besuchsrechts die Belange des Kindes insbesondere seine seelische oder körperliche Gesundheit gefährdet würden. Im Konfliktfall sei dem Wohl und dem Interesse des Kindes gegenüber dem Recht des Vaters auf Besuchsrechtsausübung der Vorzug zu geben. Aus den Feststellungen des Erstgerichts und dem gesamten Akteninhalt ergebe sich, dass die nachteiligen Auswirkungen des zwischen den Eltern bestehenden Konflikts auf die Kinder jenes Ausmaß überschreiten, das als natürliche Folge der Familiensituation in Kauf genommen werden müsse. Daran könne auch die von der Mutter verletzte Verpflichtung zur Förderung der Kontakte und zur einfühlsamen Vorbereitung der Kinder auf die Besuche des Vaters nichts ändern. Obwohl der Sohn die Kontakte zum Vater genossen haben dürfte, müsse er, da er wisse, dass die Mutter die Besuche vehement ablehne, zwangsläufig in einen massiven Loyalitätskonflikt geraten. In dieses Bild passe die Beobachtung der Sozialarbeiterin anlässlich des letzten Besuchskontakts vom 15. 12. 2000, wonach der Sohn infolge des Schimpfens der Mutter den Kopf gesenkt gehalten und völlig starr gewirkt habe. Auch die sehr vorsichtigen eher reservierten Reaktionen des Kindes auf tiefergehende emotionale Kontakte zum Vater sprächen für diese Beurteilung. Es müsse daher festgestellt werden, dass Kontakte des Sohnes mit dem Vater zu zusätzlichen, dem Wohl des Kindes abträglichen Belastungen desselben führten. Schon die Sachverständige habe hervorgehoben, dass der Vater in der Einschätzung der Situation, was den Druck auf die Kinder betreffe, nicht sehr realistisch sei, da er sich selbst an den Spannungen nicht beteiligt fühle. So wie der Vater sich aus seiner subjektiven Sicht unschuldig fühle, fühle sich die Mutter subjektiv vom Vater bedroht und verfolgt und projiziere ihre Ängste auf die Kinder. Davon, dass diese Ängste völlig unbegründet wären, wie dies der Vater darzustellen versuche, könne angesichts des Akteninhalts nicht ausgegangen werden. Die Mutter stehe aus subjektiven in ihrer Person gelegenen Gründen Kontakten der Kinder mit dem Vater kompromisslos ablehnend gegenüber. Der Vater habe derzeit keine Möglichkeiten, diese ablehnende Haltung der Mutter ihm gegenüber zu ändern. Die Kinder gerieten im Fall von Kontakten zum Vater in massive Loyalitätskonflikte, die wiederum ihre Beziehung zur Mutter massiv beeinträchtigen müssten. Der Zweck des Besuchsrechts, nämlich Loyalitätskonflikte bewältigen zu helfen, Trennungsschmerz zu lindern, dem Kind Geborgenheit weiterhin durch beide Elternteile fühlbar zu machen, würde sich bei einer Durchsetzung des Besuchsrechts im vorliegenden Fall ins Gegenteil verkehren. Dem Bedürfnis der Kinder nach Ruhe und Kontinuität sei der Vorzug vor der Durchsetzung des Rechts des Vaters auf persönlichen Kontakt zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig, es kommt ihm auch Berechtigung zu.

Das Recht des nicht obsorgeberechtigten Elternteils, mit dem Kind persönlich zu verkehren (§ 148 Abs 1 ABGB), ist ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung und daher ein unter dem Schutz des Art 8 EMRK stehendes, allgemein anzuerkennendes Menschenrecht. Eigene Interessen, aber auch nacheheliche Konflikte der Eltern müssen daher grundsätzlich zurücktreten. Der obsorgeberechtigte Elternteil ist dem Kind gegenüber zu dessen Wohl verpflichtet, es unter Vermeidung jeglicher negativer Beeinflussung bestmöglich auf die Besuche des nicht sorgeberechtigten Elternteils vorzubereiten und die Kontakte mit ihm sodann unter Bedachtnahme auf das Kindeswohl zu verarbeiten (8 Ob 596/91; EvBl 1992/80; ÖA 1985, 124; 1 Ob 96/97t ua). Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung, dass mit der Ausübung des Besuchsrechts verbundene Irritationen des Kindes, die allein auf Spannungen zurückzuführen sind, wie sie nach dem Scheitern einer Ehe häufig beobachtet werden, grundsätzlich nicht zu einer Untersagung des Besuchsrechts führen können, sondern dass es in solchen Fällen an den Eltern liegt, diese Irritationen im Interesse des Kindeswohls verständnisvoll abzubauen. Lediglich dann, wenn die Irritation jenes Ausmaß überschreitet, das als natürliche Folge der Zerreißung des Familienbandes durch die Trennung der Eltern in Kauf genommen werden muss und die tatsächliche Ausübung des Besuchsrechts beim Kind merkbare und nicht bloß vorübergehende, seinem Wohl daher abträgliche Wirkungen zeitigen sollte, kann das Besuchsrecht vorübergehend untersagt werden. In diesem Fall muss das Recht auf den persönlichen Verkehr im Interesse des Wohles des Kindes zurückstehen (1 Ob 96/97t; 1 Ob 232/01a je mwH).

Die Unterbindung des Kontakts zu dem nicht obsorgeberechtigten Elternteil ist nur in Ausnahmefällen aus besonders schwerwiegenden Gründen zulässig. Nur bei massiver Gefährdung des Kindeswohls hat in einem - selbst unverschuldeten - Konfliktfall der Besuchsrechtsanspruch eines Elternteils gegenüber dem Kindeswohl zurückzutreten (EFSlg 71.666; 7 Ob 234/99h; 1 Ob 96/97t; 1 Ob 232/01a). Liegen derartige schwerwiegende Gründe vor, kann das Besuchsrecht immer nur vorübergehend oder bis auf Weiteres (grundsätzlich jedoch nicht für immer) untersagt werden (4 Ob 1540/92; 1 Ob 232/01a).

Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher schon deshalb korrekturbedürftig, weil sie das Besuchsrecht des Vaters dauernd entzogen haben und damit den Beteiligten den Eindruck vermitteln, es läge eine endgültige auch durch Änderung äußerer Umstände nicht mehr beeinflussbare Entscheidung vor. Derartiges würde aber gerade in einem Fall, in dem es nicht unwahrscheinlich ist, dass die fortschreitende Zeit sowohl die Einstellung der Kinder zu ihrem Vater als auch jene der Eltern zueinander ändern kann, zweifelsohne nicht dem Wohl der Kinder entsprechen und müsste zwangsläufig zu Motivationsverlust und Entfremdung führen.

Abgesehen davon wurde schon eingangs betont, dass der - wenngleich vorübergehende - Entzug des Besuchsrechts wegen seiner starken Auswirkungen auf die Eltern-Kind-Beziehung nur im Ausnahmefall bei massiver Gefährdung des Kindeswohls verfügt werden darf. Ein Scheitern des von der Sachverständigen in ihrem Gutachten ON 17 vorgezeichneten Wegs des langsamen Aufbaus von Kontakten des Vaters zu seinem Sohn und in der Folge auch zur Tochter ist aber aus dem Akt im Sinne einer durch die Besuche herbeigeführten massiven Kindeswohlgefährdung nicht ersichtlich. Vielmehr ergeben sich aus dem Bericht der Jugendabteilung ON 32 durchaus angstfreie, wenngleich in der persönlichen Beziehung verhaltene Kontakte des Sohnes mit dem Vater. Die wünchenswerte Fortführung derartiger Besuche scheiterte nicht etwa an der Weigerung des Kindes, sondern weil die Jugendabteilung offenbar wegen des zur selben Behörde bestehenden Dienstverhältnisses der Mutter eine andere Bezirkshauptmannschaft befassen wollte und zudem ohne weitere Begründung erklärte, es sei "aus zeitlichen Gründen nicht mehr möglich, weitere Besuche zu beaufsichtigen" (AS 171). Ohne dass versucht worden wäre, diese lapidare Äußerung zu hinterfragen oder Erhebungen darüber anzustellen, ob andere geeignete Personen, etwa eine von beiden Elternteilen akzeptierte Tagesmutter, die Besuche beaufsichtigen könnten, ging das Erstgericht offenbar davon aus, dass diese Art des Beziehungsaufbaus zwischen Vater und Sohn gescheitert sei. Dem Erstgericht ist zweifelsohne darin beizupflichten, dass die Herstellung einer vernünftigen Gesprächsbasis zwischen den Eltern für die Kinder von eminenter Bedeutung wäre und ist daher der Versuch, dieses Ziel im Wege der Mediation zu erreichen, durchaus begrüßenswert. Allerdings durfte das Scheitern dieser Bemühungen nicht dazu führen, nunmehr das Besuchsrecht gänzlich zu entziehen, sondern wären vorerst Wege zu suchen gewesen, weiter in dem von der Sachverständigen vorgeschlagenen Sinn zu agieren. Insbesondere wäre eine begründete Stellungnahme der Jugendabteilung einzuholen gewesen, wieso eine weitere Besuchsbegleitung nicht mehr möglich sei und ob entsprechende Alternativen vorgeschlagen werden können, ist es doch gemäß § 10 JWG eine der Aufgaben des Jugendwohlfahrtsträgers, Erziehungsberechtigte in allen Angelegenheiten zu beraten und ihnen bei Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen über Pflege und Erziehung zu helfen.

In Anbetracht der seit den letzten aktenkundigen Besuchskontakten verstrichenen Zeit von über einem Jahr wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren vorerst durch Befragung der Eltern die nun bestehende Situation zu klären und nur, falls sich dies auf Grund dieser Angaben unumgänglich erforderlich erweist, ein neuerliches Sachverständigengutachten zur Frage der Fortführung der Besuchskontakte einzuholen haben. Sollten nicht neue gravierende Gesichtspunkte gegen die Wiederaufnahme der Besuche vorerst zwischen Vater und Sohn in Anwesenheit Dritter, bestehen, wäre im oben dargestellten Sinn eine Stellungnahme der Jugendabteilung einzuholen. Sollte ein allenfalls zu bestellender Sachverständiger andere Lösungsvorschläge in das Verfahren einbringen oder sich doch eine Besserung der zwischen den Eltern bestehenden Situation abzeichnen, wären diese Faktoren selbstverständlich bei der dann zu treffenden Entscheidung mitzuberücksichtigen.

Dem Revisionsrekurs ist im Sinne des gestellten Aufhebungsantrags Folge zu geben.

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