OGH 8ObA17/07v

OGH8ObA17/07v21.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ingeborg Bauer-Manhart und Dr. Andrea Eisler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Anton P*****, vertreten durch Ploil Krepp & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei F***** e.V., ***** vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen 528.316,40 EUR brutto s. A., Feststellung und Rechnungslegung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Jänner 2007, GZ 10 Ra 119/06b-29 den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger als „General Manager" der beklagten Partei wies die Sekretärin der beklagten Partei an, ihm die Kosten einer dienstlichen Zwecken dienenden Reise (Führung von Sponsorverhandlungen) in Höhe von 268,50 EUR bar aus der Kassa auszuzahlen. Die beklagte Partei hatte zwar zuvor bereits dem Reisebüro diese Kosten überwiesen. Allerdings befürchtete der Kläger, weil das bereits in zwei Fällen vorgekommen war, dass die beklagte Partei den dienstlichen Charakter der Reise nicht anerkennen und dem Kläger die Reisekosten vom Gehalt abziehen würde.

Die auf diesen Umständen des Einzelfalls beruhende Beurteilung der Vorinstanzen, im Hinblick auf die Befürchtung des Klägers, es werde zu einem unberechtigten Gehaltsabzug kommen, stelle das Verhalten des Klägers, der sich an die Sekretärin und nicht an den für diese Fragen bei der beklagten Partei Entscheidungsbefugten wandte, eine bloße Ordnungswidrigkeit dar, die den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit nicht verwirkliche, wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf: Ob die Voraussetzungen für eine vorzeitige Auflösung im Einzelfall vorliegen, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0106298; RS0029547-T28). Dass eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu einem gleichartigen oder hinreichend ähnlichen Fall fehlt, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rz 69f mwN).

Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung widerspricht die Entscheidung des Berufungsgerichtes weder der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch ist sie unvertretbar: Der Kläger entnahm nicht eigenmächtig Geldmittel, um sie zumindest für eine bestimmte Zeitspanne unbefugt zu verwenden. Er behielt auch nicht vereinbarungswidrig Inkassi ein. Vielmehr quittierte der Kläger den von der Sekretärin entnommenen Betrag, wobei er im Umfang des ausbezahlten Betrages von einem zukünftigen, unberechtigten Gehaltsabzug durch die beklagte Partei ausging. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Reisekosten „doppelt kassieren" wollte, fehlen zur Gänze. Dass es zu einem Gehaltsabzug tatsächlich nicht kam, ist darin begründet, dass der Kläger in der Folge von der beklagten Partei entlassen wurde.

Auch unter Berücksichtigung, dass bei Arbeitnehmern in leitender Position ein strengerer Maßstab anzulegen ist (8 ObA 94/06s mwN), ist somit die Beurteilung des Berufungsgerichtes, die Umgehung des Dienstweges durch den Klägers stelle eine bloße Ordnungswidrigkeit dar, zumindest vertretbar. Dabei ist hervorzuheben, dass sich die Position des Klägers als „leitender Angestellter" ausschließlich auf den sportlichen Bereich, nicht aber auf kaufmännische Angelegenheiten bezog. Die dem Kläger vorgeworfene Ordnungswidrigkeit steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Position als Verantwortlicher für die sportlichen Belange der beklagten Partei.

Auch die von der Revision geforderte „Gesamtbeurteilung" des Verhaltens des Klägers in der Vergangenheit kann zu keinem anderen Ergebnis führen: Die dem Kläger sonst vorgeworfenen Verhaltensweisen (insbesondere der behauptete Verstoß gegen Interviewverbote in sportlichen Belangen) erachteten die Vorinstanzen schon grundsätzlich als nicht geeignet, eine Entlassung zu rechtfertigen, weil sich der Kläger im Wesentlichen daran gehalten habe. Darüber hinaus steht die dem Kläger vorgeworfene Anordnung der Auszahlung der Reisekosten in keinerlei sachlichem Zusammenhang mit den dem Kläger sonst vorgeworfenen Verhaltensweisen in der Vergangenheit. Überdies muss der eigentliche Anlassfall für die Entlassung eine gewisse Mindestintensität aufweisen. Diese geforderte „Mindestintensität" (9 ObA 124/98w mwN) haben die Vorinstanzen vertretbar verneint. Auf die Ausführungen, ob die beklagte Partei bei Entlassung des Klägers den arbeitsrechtlichen Unverzüglichkeitsgrundsatz verletzte, muss nicht eingegangen werden, weil die Entlassung des Klägers mangels Verwirklichung eines wichtigen Grundes unberechtigt erfolgte. Die unberechtigte Entlassung des Klägers beendete das Dienstverhältnis. Ob und unter welchen Umständen eine „Eventualkündigung" des Dienstverhältnisses wirksam gewesen wäre und welche Rechtsfolgen daraus abzuleiten wären, muss daher nicht untersucht werden, weil sich die Frage einer Eventualkündigung nur stellen könnte, wenn die Entlassungserklärung der beklagten Partei das Dienstverhältnis nicht beendet hätte.

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